OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

Saurüssel, Strudel und Wirbel Zur Geschichte der Schiffahrtshindernisse bei Grein Friedrich Slezak Ernst Neweldowsky schreibt in seinem großen Werk^: „Der bayrische Geschichts schreiber Aventinus (Johannes Turmair, 1477-1534) berichtet, daß oberhalb der Stadt Grein schroffe Felsen aus dem Donaubett hervorragen." Als Gewährsleute nennt er Fluß und Schuhes^, die aber durch kein „So!" Aventins angebliche Unwissenheit anprangern. Historisch-geographische Arbeiten pflegen bisweilen den Inhalt alter Bücher oder Land karten mit einem gewissen Lächeln abzutun, ohne sich vergewissert zu haben, ob die Quelle dies tatsächlich sagt und, falls dies zutrifft, ob sie den damaligen Sachverhalt nicht ohnedies korrekt wiedergibt. Zieht man in unserem Fall die fünfbändige Aventin-Gesamtausgabe (München 1881 bis 1886) heran, so findet man im lateinischen Original der „Annales ducum Boiariae", Buch V, Kapitel 7 (III, 57), im Zusammenhang mit der Schiffsreise Heinrichs HL im Jahre 1045 donauabwärts nach „Ostbayern" (aqua Danubii Boiariam orientalem petit) die Stelle: Est oppidum Austriae, Greinon vocant, iuxta; supra id praeruptae rupes surgunt. . . Teutones . . . Strudeion nuncupant; tum Poenostonos . . . Die Herausgeber der bayrischen Akademie der Wissenschaften, die den Text aus zwei eigenhändigen Originalen Aventins zusammenstellten, hat diese Stelle in keiner Weise irritiert. Da mit „Ostbayern" Österreich gemeint und dies auch durch die deutschen Über setzungen bewiesen wird, ist die hier geübte Interpunktion sinnlos und eine spätere Fehl auslegung verständlich. Grein liegt ja nicht nahe bei (iuxta) Ostbayern. Iuxta muß also zum folgenden Satzteil gehören. Wenden wir uns also den Originaldrucken der „Annalium Boiorum libri septem" zu, etwa der Ingolstädter Ausgabe von 1554 und der Frankfurter von 1627®. Beide drucken die Stelle so: Est oppidum Austriae, Greinon vocant, iuxta, supra id . . . Der schlesische Gelehrte Johannes Herbinius (1633-1676) zitiert noch sinnvoller: „juxta et supra id . . Gab es also Stromschnellen sowohl oberhalb (supra) Greins als auch nahe bei (iuxta) der Stadt, welch letzteres auf Strudel und Wirbel zutrifft, so bedarf Aventin in diesem Fall keiner Kritik. Denken wir ferner daran, daß Aventin dreimal in Wien war (ob er dabei die Donau befuhr, ist allerdings fraglich), so ist ihm doch eine ziemliche Ortskenntnis des bayrisch österreichischen Raumes zuzutrauen. Überdies ist uns die Donau als Reiseweg jener Zeit für die Mächtigen wie für das Volk mehrfach überliefert. Kaiser Maximilian etwa fuhr 1493 von Innsbruck inn- und donauabwärts über Linz nach Wien; oder welch intensiver 1 Die Schiffahrt und Flößerei im Räume der oberen Donau, 1. Band, Linz 1952, S. 352. ' Max Fluß, Donaufahrten und Donauhandel im Mittelalter und in neueren Zeiten (Aus Österreichs Ver gangenheit, Nr. 22), Prag-Annahof (Wien-Leipzig) 1920, S. 45. Dieser übernimmt die Stelle aber unbesehen von Joseph August Schultes: Donau-Fahrten, 1. Band, Wien 1819, 2. Band Stuttgart-Tübingen 1827. Schultes (II, 252) zitiert eine deutsche Aventin-Übersetzung von Frankfurt 1580, S. 330. Über Schultes (1773-1831; in Wien geboren, lebte er später in Bayern und fühlte sich als Bayer) vgl. Oö. Heimatblätter 3, 1949, S. 35. ' Österreichische Nationalbibliothek, Signaturen 39. A. 18 (Zitat S. 529) und 39. A. 17 (S. 322). * Dissertationes de admirandis mundi cataractis, Amsterdam 1678, S. 235. Herbinius präzisiert nicht die von ihm benützte Aventin-Ausgabe. Die zitierte Seite 529 würde auf jene von 1554 schließen lassen, enthielte sie das entscheidende Et.

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