OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

ihnen zum Stall. Zeilenweise singt er ihnen dort ein Gebet vor, das alle gemeinsam unisono und ohne Begleitung wiederholen. In diesem nur knappe sechs Minuten dauernden Stück erkennen wir das Grundgerüst des Hirtenspiels. Ob Reidingers Vertonung ursprünglich auch noch für eine szenische Aufführung bestimmt war, werden wir aber kaum mehr fest stellen können. Wer war dieser Stanislaus Reidinger? Aus Böhmen stammend, trat er im Jahre 1750 in das Stiftsgymnasium von Kremsmünster ein, wo er in Singspielaufführungen schon bald sein musikalisches Talent unter Beweis stellen konnte. Fünf Jahre später verließ er während des Schuljahres plötzlich das Gymnasium, 1766 kehrte er aber wieder in das Stift zurück, diesmal als festbesoldeter Tenorist der Stiftskapelle. 1789 wurde er als Stiftsorganist nach Lambach berufen, wo er am 10. Oktober 1794 an einem Lungenleiden starb. Sein unge druckt gebliebenes reichhaltiges Schaffen umfaßt alle Arten von Kirchenmusik, verschiedene Kammermusik und ein Concerto für Fagott^^. Als Beispiel der ebenfalls mehrfach überlieferten „Pastoralarien" - Sololieder mit Instrumentalbegleitung, die schon von der Besetzung her auf einfachere musikalische Ver hältnisse Rücksicht nehmen - wurde für diese Platte eine aus Schwertberg im Mühl viertel anonym überlieferte Komposition für Sopran, Violinen unisono, Violoncello, Kontra baß und Orgel ausgewählt, dessen Melodieführung trotz allen volkstümlichen Charakters hohes musikalisches Niveau besitzt^^. Der Text ist einem Hirten anvertraut, der den anderen noch schlafenden Freunden von dem eben erfahrenen Geschehen der Fleiligen Nacht erzählt und sie zur Krippe führt. Nach einem sechzehntaktigen Ritornell beginnt der Sopran sein fünfstrophiges „Losts auf und laßts eng sagn". Das nach jeder Strophe zu wiederholende Nachspiel ist nur den Violinen anvertraut, ein Verfahren, das uns an die Tanzmusikpraxis erinnert. Seltsamerweise vermeint man gerade bei diesem anonym aus einer ländlichen Gemeinde überlieferten Stück hinter der Liedmelodie die formende Hand eines „Kunstmusikers" zu verspüren. Bei Aumann und besonders bei Reidinger kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß tatsächlich volksmusikalische Themen für eine Bearbeitung im Sinne der Kunstmusik, die damals zum Glück dem Volk viel näher stand als heute, aufgegriffen wur den. Das Wechselspiel von Vorsänger und „Hirten" beim abschließenden Gebet von Rei dingers Pastorella möchte man sich sehr wohl unter Mitwirkung der Gemeinde vorstellen; es erinnert überdies an die vom Vorsänger jeweils angestimmten Litaneien und Lieder der Wallfahrer. Bezeichnend ist auch, daß die beiden in der Sonnleithner-Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien überlieferten Stücke 1819 von Schullehrern und Chorregenten aufgrund eines Aufrufes zur Sammlung von Volks musik eingesandt wurden. Wo liegen also gerade bei dem Pastorale die Grenzen zur Kunstmusik, andererseits auch zur Volksmusik? Falls man es überhaupt für notwendig erachtet, diese zu suchen, wird man sie wohl doch nicht finden. Kellner, a. a. O., S. 406. 12 Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Sonnleithner-Sammlung, Oberösterreich X/51. Die Drucklegung dieses Werkes zusammen mit ähnlichen Pastoralarien, ferner die Pastoralarie „Buama gebt's den Lampeln z'fressen" von Franz Sparry (1715—1767), einem Benediktiner aus Kremsmünster, und der besprochenen Pastoralkantate von Stanislaus Reidinger wird zur Zeit im Verlag L. Doblinger (Wien) vorbereitet. Die Edition wird vom Verfasser dieser Zeilen besorgt.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2