Beispiele oberösterreichischer Pastoralmusik Otto Biba Wenn man vor der Aufgabe steht, für eine Schallplatteneinspielung von volkstümlicher österreichischer Weihnachtsmusik Werke auszuwählen, die noch nie auf Platte aufgenommen wurden, die nicht allgemein bekannt sind, die überdies noch vom Käufer sofort als „volks tümlich" erkannt und eingestuft werden, kann man zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Die eine wäre der Griff nach einer der vielen Editionen von Weihnachtsliedern, wie sie die Volksmusikforschung seit rund einhundert Jahren in größerem Umfang mit wissenschaft licher Genauigkeit aufzeichnet, sammelt, auswertet und ediert^. Ein geschickter Arrangeur hätte dann die ausgewählten Lieder, die ja fast ausschließlich nur in Text und Melodie tradiert wurden, für gemischten Chor oder Solostimmen und ein Instrumentalensemble zu bearbeiten. Natürlich könnte man noch an eine Diskussion denken, ob dies noch Volksmusik sei, wo denn überhaupt der Unterschied zwischen Volksmusik und volkstümlicher Musik läge und über weitere damit aufzurollende Fragen der Begriffsbestimmung. Doch davon abge sehen entschied sich der Verfasser dieser Zeilen, mit der oben genannten Aufgabenstellung konfrontiert, für den anderen Weg. Da er nun einmal erfolgreich begangen wurde, soll die Idee hier als Anregung weitergegeben werden. Die Beliebtheit der „Pastoralmusik" mit ihrem Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im beginnenden 19. Jahr hundert (wo sie allerdings bald ins allzu Seichte und Kitschige abglitt), die musikalische Gestaltung der weitverbreiteten Weihnachtsspiele - das ist der Musik- und Theaterwissen schaft, der Volkskunde und der Kulturgeschichte längst bekannt. In Melodieführung, Harmonik und Besetzung bediente sich dabei der Komponist absichtlich und mit größter Konsequenz der Stilismen der volkstümlichen improvisatorischen Hirtenmusik, um so das Weihnachtsgeschehen musikalisch zu schildern. Denn vom Bericht über die Geburt Christi im Stall zu Bethlehem fand die Vorstellungskraft des Volkes bei den Hirten, die während der Nachtwache durch Engel von der Geburt des Erlösers erfahren und daraufhin zur Krippe eilen, die meisten Anhaltspunkte zur phantasievollen Ausschmückung des Mysteriums von der Geburt des Erlösers. Schon am Ende des 16. Jahrhunderts läßt sich in Italien die Praxis nachweisen, daß Hirten mit ihren Schalmeien und Dudelsäcken in der Heiligen Nacht in den JCirchen musizierten: daher auch der Name Pastoral-, also Hirtenmusik. Im 18. Jahr hundert trug sie in der Kirchenmusik Frankreichs, Italiens und Süddeutschlands, besonders aber Österreichs und Böhmens, ihre reichsten Früchte^. An eine Wiederbelebung für die musikalische Praxis der Gegenwart anstelle vieler zwar guter, aber immer nur ein Behelf bleibender Bearbeitungen, über die hier keinesfalls negativ geurteilt werden soll, ist aber bei uns noch kaum gedacht worden®. Von der rein ' Vgl. dazu etwa Ludwig Erk-Franz M. Böhme, Deutsche Liederhort, 3. Bd., Leipzig 1894; Ferdinand Schaller, Hirten-Lieder zur Zeit der Geburt Jesu Christi, Gmunden o. J.; Josef Gasser, Sternsinger- und Weihnachts lieder nach echten Volksweisen, Innsbruck-Wien-München 1937; P. Stanislaus Marusczyk, In dulci jubilo, Mödling bei Wien, erstmals 1945; ders., Nun singet und seid froh, ebenda, erstmals 1953; M. Georg Winter, Fröhliche Weihnacht, Leipzig o. J. ® Eine jüngste zusammenfassende Darstellung dieses Themas bot Prof. Dr. Karl Pfannhauser: Weihnachten im Liede, Weihnachten in der Musik im Heft 44 der Zeitschrift „Das Josefstädter Heimatmuseum", Wien 1965. ' Die wenigen Ausnahmen — die doch berühmtere Meister der Musikgeschichte betreffen - seien genannt. Gregor J. Werner (1695-1766), Hirtenkantate zur Christnacht, Puer natus in Bethlehem, In dulci jubilo, alle drei herausgegeben von Ernst F. Schmid im Bärenreiter-Verlag Kassel tmd Basel (BA 828, Kl. Ba 786,
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