OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

b) Ein erster Übergang zur versio gallicana in den oberösterreichischen Benedik tinerklöstern Mondsee und Kremsmünster geschah wahrscheinlich bereits im 9. Jahrhundert unter dem Einfluß des fränkischen Hofes und der Alkuinbibel, die das Gallicanum enthielt'^^. Denn die in enger Verbindung mit den Karolingern stehenden südostdeutschen Schreib schulen nahmen an der wissenschaftlichen Tätigkeit dieser Epoche regen Anteil. Trotz des Fehlens von Psalmenfragmenten aus Mondsee und Kremsmünster im 9. Jahrhundert lassen es mehrere Umstände als sehr wahrscheinlich erscheinen, daß im Scriptorium von Mondsee im 9. Jh. das Gallicanum bereits beheimatet war. Dies ist einmal die Beziehung des zweiten Mondseer Abtes Heinrich zu Erzbischof Arno von Salzburg, einem engen Freund Alkuins. Aus Salzburg stammt z. B. der Codex 458 der Nationalbibliothek Wien aus dem 9. Jh., der ab fol. 86 die Expositio Alcuini in psalmos poenitentiales enthält, deren Text grundlage bereits das Gallicanum ist. Für die Kenntnis des Gallicanums in Mondsee spricht auch die Verleihung des Klosters an den Hofkaplan Hildebold durch Karl d. Gr. nach dem Tod Heinrichs, sowie die Beziehungen Mondsees zu Regensburgwo Ludwig der Deutsche seit 826 seine Residenz hatte, und zu Freising. Von Ludwig dem Deutschen ist ein Psalter mit Gallicanumtext erhalten^®, ebenso ein Gallicanumfragment aus Preising^*. Daß also der Gallicanumtext auch in Mondsee im 9. Jh. in Scriptorium und Chor verwendet wurde, liegt sehr nahe. c) Für das von Mondsee aus besiedelte und mit ihm in enger geistiger und kultureller Beziehung stehende Kremsmünster dürfte es bezüglich des Psalmentextes ganz ähnhch bestellt gewesen sein. Man wird wohl das benediktinische Ps. Romanum noch gekannt haben, den Übergang zur ,modernen' Rezension aber noch im 9. Jahrhundert vollzogen haben. Das Kloster war ja seit dem Sturz der Agilolfinger Reichskloster und so in enger Verbindung mit dem Hof. Freising, wo im 9. Jh. das Gallicanum bereits kopiert wurde, hat durch seine Handschriften erwiesenermaßen auf Kremsmünster und St. Florian in Oberösterreich großen Einfluß ausgeübt, vor allem unter Bischof Anno 854-875'^®. Darum ist auch für Kremsmünster, wenigstens für die 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts, die Kenntnis der versio gallicana sehr wahrscheinlich. Ein Psalmenfragment mit klarem Gallicanumtext aus dem 10. Jh.,i®® wohl aus dem Um kreis von Salzburg oder Passau, findet sich auf dem Vor- und Nachsteckblatt der Hs. 274 der Studienbibliothek Linz mit dem ,Ifiber de sacro altaris mysterio' von Innozenz III. aus Suben (13. Jh.), das erst zwischen 1040 und 1050 gegründet worden war. Die zerschnit tenen Fragmente von Ps 29, 2-13a; 30, 3-11 auf Blatt 1 und Ps 33, 4-17; 34, 1-2 auf Blatt 2 zeigen, daß in diesem Kloster am Inn im 11. Jahrhundert das Gallicantun bekannt und wohl auch in Gebrauch war. Für Mondsee, wo im 11. Jh. die Klosterreform von St. Emmeram in Regensburg Eingang gefunden hatte^®, war sicher auch das Gallicanum in Gebrauch, dessen Text von Otloh von St. Emmeram (1010-1073) in seinen Werken ,Liber Proverbiorum' B. Fischer, Die Alkuinbibel, Freiburg 1958, 10, 19. 11 B. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen in der Karolingerzeit, Bd. 1: Die bayrischen Diözesen, Leipzig 1940, 180, erwähnt einen in Regensburg tätigen Mondseer Schreiber; vgl. auch K. Holter, Die Schreib schulen von Mondsee und Kremsmünster, in: Dreiländertagung für Frühmittelalterforschung, Linz, 1950, 65. 11 Vetus Latina, Bd. 1, Verzeichnis der Sigel, Nr. 448. 11 Nach einer Mitteilung von B. Bischoff das Fragment Olm 29. 164, Kasten I, la Nr. 10, München. 1' Die von B. Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen I, 125 genannten Zeugnisse sind inzwischen ver mehrt worden. Ha Nach dem Urteil von B. Bischoff (Mitteilung vom 18. 10. 1969) sind diese Blätter ins mittlere Drittel des 10. Jh. zu datieren, während der Katalog der Studienbibliothek sie ins 9. Jh. verweist. 1® K. Hallinger, Gorze-Kluny, I, Rom 1950, 29.

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