OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

frühkarolingischer Minuskel geschriebene Handschrift enthält ein vollständiges Psalterium (fol. 3-330) mit Interpretationes und befindet sich heute in Montpellier®. Eine umfangreiche Kollationierung des Psalterientextes von M (Montpellier) mit den Zeugen für das Psalterium Romanum ergab Beziehungen zum Stuttgarter Unzialpsalter (S), vor allem zum sogen. Salabergapsalter (H) aus S. Jean in Laon, heute in Berlin, sowie zum Augustinpsalter (A) imd den Lincolnfragmenten (N)'. An der Verbindung des Mondseer Psalters zur west europäischen Textgruppe des Ps. Romanum scheint mir kaum ein Zweifel zu bestehen. So beträgt die Zahl der Lesarten, die M mit der Textgruppe AHNS gegen den italieni schen Zweig des Ps. Romanum und das GaUicanum gemeinsam hat, 216'. Interessant sind aber auch einige Züge, die M mit dem Ps. GaUicanum gemeinsam hat, dessen Kenntnis also wohl vorauszusetzen ist. Dafür spricht etwa die teilweise Setzung von ,diapsalma' in M (35mal), die sonst im Ps. Romamun außer dem Augustinpsalter kamn zu finden ist und ursprünglich vielleicht überhaupt fehlte®, jedoch in den besten Textzeugen des Ps. GaUi canum aufscheint. ,Diapsalma' ist die griechische und lateinische Übersetzung eines nicht völlig geklärten hebräischen Terminus (sälah) für den Psalmenvortrag. - Außerdem ist der in den Glossen der Interpretationes verwendete Text zum Teil GaUicanum. Typische Lesarten des römischen oder kassinensischen Zweiges des Ps. Romanum sind bei M kaum festzustellen. Es sei auch noch auf die Zählung in Ps. 118 hingewiesen, in der der Mondseer Psalter mit A und N sowie mit den altlateinischen Psalterien a (Veronensis, 6/7. Jh.) und ^ (S. Zenonis, Vatic. lat. 5359, 7/8. Jh.) und moz* (Complutensis, 10. Jh.) übereinstimmt, d. h., M setzt wie die genannten Psalterien vor die hebräischen Buchstaben der einzelnen Abschnitte dieses Psalms die römischen Ziffern. M beginnt allerdings seine Zählung erst ab V vor dem Buchstaben He. Unser Psalter hat auch wie der Salabergapsalter und die Lincolnfragmente, das GaUicanum und die italienische Tradition des 10.-12. Jh., den Psalm 151 ausgelassen. Eine gewisse Eigenständigkeit des Textes, der sich nicht völlig ein ordnen läßt, ist also beim Mondseer Psalter festzuhalten. Dafür sprechen auch einige Sonder lesarten von M, die sonst nirgends bezeugt sind (146, allerdings von verschiedener Bedeut samkeit). Die geistige Stellung des bayrisch-österreichischen Raumes rund um Salzburg gegen Ende des 8. Jh. spiegelt sich also in etwa wider, wobei vom Text her gesehen die Tradition vom Westen zu überwiegen scheint. Mit W. NeumüUer stimme ich aber insofern überein, als er die Einordnung von M in die ,angelsächsische' Textgruppe durch Weber kritisiert®. Daß der Text dem Ps. Romanum zuzurechnen ist, entspricht der Verbreitung dieser Rezension, die auch das Psalterium der angelsächsischen Mönche war, im 8. Jahr hundert'". ' R. Weber, Le Psautier Romain et les autres anciens psautiers latins, Coll. Bibl. Lat X, Rom 1953, p. IX, versieht ihn mit der Sigle M. - Zur Paläographie und wechselvollen Geschichte der Hs. vgl. E. A. Lowe, Codices latini antiquiores VI, Nr. 795, vor allem aber K. Holter, Der Codex Millenarius im Rahmen der Mondseer und Salzburger Buchmalerei, Graz 1959, 132-139. ® Die Sigel für die Psalterien sind übernommen aus Weber, Le Psautier Romain, XIII-XXI (Coll. Bibl. Lat. X, Rom 1953). ' Für ausführlichere Textkollationen verweise ich auf J. Marböck, Das Eindringen der versio gallicana des Psalteriums, Graz 1960, 21-54. ' A. Allgeier, Die Psalmen der Vulgata, Paderborn 1940, 275; ders., Die Litaniae Carolinae und der Psalter von Montpellier, Festschrift für F. Eichmann, Paderborn 1940, 258. ' K. Holter, Der Codex Millenarius, II, 133/134, Anm. 5. - Die von W. Neumüller für den Millenarius fest gestellte Verwandtschaft mit Textformen aus Oberitalien (Neumüller, Der Codex Millenarius, I, 67) war für M nicht zu erweisen. Für die Zuordnung und Herkunft des Psalterientextes von M könnte zweifellos eine noch ausstehende Untersuchung der Interpretationes des Psalters manche Hinweise ergeben. " H. Schneider, Codex vaticanus lat 5339, Biblica 19 (1938), 382.

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