OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

Volkskundliches aus den Archivalien der Stadt Wels Gilbert Trathnigg f 1. Speis-, Opfer- und Johanniswein Bei der Durchsicht der Welser Lichtamts- oder Kirchenrechnungen findet sich seit 1602 der Johanniswein, auch Johannissegen oder Johannistrunk genannt. Die letzte der artige Eintragung fand sich im Jahr 1735. Er wird auch Wein zum Weihen 1650 (1666) genannt. 1623 heißt es unter Johannes Evangelista: „3 Kandl Wein, so zur Pfarrkirchen genommen worden." 1603, 1604, 1627, 1630 und 1631 wird der Johannistag durch den Zusatz „Weihnachten" näher bestimmt, desgleichen 1628, wo es dann weiter heißt, daß der Wein als St.-Johannes-Trunk ausgeteilt werde. Weitere Beispiele für Eintragungen, in denen der Johannistag Evangelista genannt wird, sind die Jahre 1662, 1671, 1672 und 1675. Da neben gibt es aber auch Eintragungen, die auf den Festtag des hl. Johannes des Täufers Bezug haben, so 1658 und 1659. Neben den Eintragungen, die sich auf den Johanniswein allein beziehen, gibt es auch solche, die die Kosten für den Opfer- und Speisewein und für den Wein, der am Johannistag geweiht wurde, zusammenziehen. 1673, 1674, 1675, 1683 und 1684 sind solche Beispiele. Meist heißt es einfach Johannistag, gelegentlich wird darauf verwiesen, daß dies alter Brauch sei, so 1640, 1648 und 1649. In den Eintragungen zwischen 1602 bis 1620 wird der Wein, der für den Johannistrunk verwendet wurde, meist als „süßer" Wein bezeichnet, 1603 als Muskateller Wein. Wein, der in der Kirche geweiht wird und am Tage des hl. Johannes Evangelista den Gläubigen im Kelch dargeboten wird, ist als Johannesminne, jünger als Johannissegen oder auch Johanniswein bekannt. Das Brauchtum^ läßt sich vom Mittelalter her bis in die Barock zeit, in manchen Gegenden auch noch weiterhin verfolgen. Der Brauch knüpft an die Über lieferung an, daß dem Heiligen vergifteter Wein gereicht worden sei, den er ohne Schaden zu nehmen trank. Neben diesem Johanniswein, der an einem bestimmten Tag in der Kirche geweiht und den Gläubigen geboten wurde, steht noch ein anderer Johannissegen, der bei Hochzeiten, beim Abschied vor Reisen^ oder vor einem Kriegszug getrunken wurde. Die kirchliche Weihe konnte auch hier in einzelnen Fällen stattfinden. Dieser Brauch ist sogar früher als der Johanniswein am 27. Dezember bezeugt. Denn diese Johannisminne ist die Voraussetzung für die Gertrudenminne', die bereits im Ruodlieb bezeugt ist. Auch zu Mittsommer, am Johannistag (Johannis des Täufers), finden wir den Johannissegen^ wieder. Eine Formel für die kirchliche Weihe dieses Weines konnte Franz' in seinem gründlichen und aufschlußreichen Buch über die Benediktionen des Mittelalters allerdings nicht nachweisen. Wenn er deshalb die Weihe des Weines an diesem Tag bestreitet, die von Jahn® und de la Fontaine' behauptet wurden, geht er entschieden zu weit, wie auch die ' J. A. Schmeller, Baierisches Wörterbuch. München 1872, Sp. 1206 und 1618. — V. A. Zingerle, Johannissegen und Gertrudenminne. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. 40 (1862) 179 ff. - J. Grimm, Deutsche Mythologie I 48 flf.; 522 f. - W. Grönbech, Kultur und Religion der Germanen II (1939), S. 120. - P. Sartori, Sitte und Brauch III 53. - Jahn, Opfergebräuche 269 ff.; 274. - Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter. 268, 294 f. ® So der Johannissegen der Salzfahrer auf der Donau. P. Sartori, a. a. O., II 161, Anm. 11. ' J. Grimm, a. a. O., I 50. — Schmeller, a. a. O., Sp. 964 f. — V. A. Zingerle, a. a. O. * Schmeller, a. a. O., I 1206. - P. Sartori, a. a. O., III 233. - Meier, Schwäbische Sitten, S. 427 f. - Mayer, Baden, S. 491. ' Franz, a. a. O., 297, vgl. auch 296 imd 303 f. ® Jahn, a. a. O., 46. ' de la Fontaine, a. a. O., 62.

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