OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

JAHRGANG 24 1970 HEFT 3/4

Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde von Oberösterreicfa Schriftleiter: Hochschulprofessor Hofrat Dr. Emst Burgstaller Jahrgang 24 Heft 3/4 Juli — Dezember 1970 INHALT Das Rathaus der Eisenstadt Steyr vonJosef Ofner Zum Meistersang im alten Wels von Gilbert Trathnigg t Volkskundliches aus den Archivalien der Stadt Wels von Gilbert Trathnigg t 1. Speis-, Opfer- und Johanniswein 2. Totenkronen 3. Brote und „Suppen" Psalterium Romanum und Gallicanum in den Benediktinerklöstern Oberösterreichs Ein Beitrag zur Geschichte der lateinischen Bibel vonJohann Marböck Beispiele oberösterreichischer Pastoralmusik vonOtto Biba Der „Trutzbauer" im Wandel der Zeit von Ernst Pietz Bausteine zur Heimat- und Volkskunde Die beiden Wolfgangheiligtümer in der Gemeinde Eidenberg von Wladimir Obergottsberger Fund einer Hipposandale in Bad Goisern von Robert Zahler Saurüssel, Strudel und Wirbel Zur Geschichte der Schiffahrtshindernisse bei Grein von Friedrich S 1 e z a k Das große Schiffsunglück auf der Traun im Jahre 1720 vonJosef Heider Die Farbe der Bauernhäuser in Frankenburg am Hausruck von Ernst Wolf Eine moderne Weihnachtskrippe aus Stroh Versuch einer zeitgemäßen Gestaltung von Carl Hans Watzinger Innviertier Erntezeit vonFritz Merwa1d Kohlenmeiler im Hausruckgebiet von Josef Andessner Bericht über die Bestandaufnahme und Sicherung der Pechölsteine im östlichen Mühlviertel von Ernst Burgstaller Nachrufe und Würdigung Gilbert Trathnigg + von Dr. Wilhelm Rieß Friedrich Oberndorfer t von Heidelinde Klug Anton Mitmannsgruber — ein unermüdlicher Heimatforscher von Heidelinde Klug Schrifttum

Zuschriften an die Schriftleitung: Schriftleiter; Hochschulprofessor Hofrat Dr. Ernst Burgstaller 4020 Linz a. d. D., Landstraße 24/111, Ruf 26 4 26 Zuschriften an den Verlag: Institut für Landeskunde von Oberösterreich, Linz a. d. D., Landstraße 24/111, Ruf 26 4 26 Druck: Oberösterreichischer Landesverlag, Linz a. d. D.

Das Rathaus der Eisenstadt Steyr Josef Ofner Den eindrucksvollen Steyrer Stadtplatz und das prächtige Rathaus würdigt Herbert Schindler in seinem Buch „Barockreisen in Österreich" mit folgenden Worten: „Der Rhyth mus seiner Häuserfronten ist am lebendigsten instrumentiert und hat eine Dominante, die reinste Bühnenarchitektur ist; das Rathaus von Gotthard Hayberger mit dem zartgliedrigen Zwiebelturm. Auf diese Mitte altösterreichischen Bürgerstolzes streben zwei Reihen von Bürgerbehausungen zu, eine dritte, langgezogene und sanft gebauchte erweist auf der Gegen seite ihre Reverenz Das in der ausklingenden Barockzeit erbaute Rathaus verdrängte ein altes, aus dem Mittelalter stammendes Ratsgebäude, dessen Geschichte vorerst berichtet sei. Herzog Albrecht V., der zu Anfang des Jahres 1422 von der Stadt Steyr zur Bekämpfung der Hussiten die beträchtliche Summe von 1500 Gulden gefordert hatte, gestattete am Montag nach St.-Mertens-Tag der Bürgerschaft, „wo es ihr füglich dunckt, ein Rath-Haus aufzu richten, Fleisch- und Brod-Bäncke darunter zu machen, die Nutz und Gült hievon aber zu gemeiner Stadt Frommen anzulegen®". Dieses Privilegium bekräftigte die Loslösung der durch den schwungvollen Handel mit Stahl-, Eisen- und Klingenwaren mächtig gewordenen Stadt aus der Jurisdiktion der Burgherrschaft. Der Stadtrat kaufte ein etwa in der Mitte der ennsseitigen Häuserreihe gelegenes Wohn gebäude und richtete es zu einem Rathaus ein®. An der Spitze der Stadtverwaltung stand damals noch der Stadtrichter. Erst zu Beginn des Jahres 1500 konnte ein gewählter Bürgermeister, es war Kaspar Flädarn, auf Grund eines kaiserlichen Privilegs vom 16. September 1499 die Amtstätigkeit im Rathaus aufneh men^. Überaus unruhig verliefen die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts. Ein Hand werkeraufstand erschütterte den inneren Frieden, die Lehre des Wittenberger Theologie professors Martin Luther beschäftigte heftig die Gemüter, eine furchtbare Feuersbrunst vernichtete 1522 den südlichen Teil der Innenstadt, und zehn Jahre später gelangten tür kische Reiterscharen bis an die Mauern der Eisenstadt. Als sich in der Folgezeit eine wirt schaftliche Prosperität abzeichnete, schritt 1538 die Stadtobrigkeit an die Erneuerung des bereits sehr baufälligen Rathauses, wobei nach Preuenhueber der platzseitige Trakt „fast gar von neuen aufgeführt" wurde®. Das verheerende Hochwasser des Jahres 1572 brachte die Gebäude an der Enns zum Einsturz. Auch das zum Rathaus gehörende Hinterhaus, in dem sich die Fleischbänke befanden, wurde zerstört. Den Wiederaufbau dieses Traktes und anderer Häuser leitete vermutlieh der aus Wien berufene Baumeister Bernhard Camada®. Abkürzungen: F. = Faszikel, L. = Lade, K. = Kasten, Rp. = Ratsprotokoll, VKSt. = Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr. - Alle in dieser Arbeit zitierten Quellen, deren Archivzugehörigkeit nicht angegeben ist, befinden sich im Archiv der Stadt Steyr. ^ H. Schindler, Barockreisen in Österreich, 1966, S. 145. ' V. Preuenhueber, Annales Styrenses, 1740, S. 84. — Die Orig.-Urkunde aus dem Jahre 1422 ist verschollen. ® Das Haus gehörte 1413 dem Bürger Heinrich Randolff. Preuenhueber, S. 84. * Mittelkasten, L. 3, Nr. 71 und 75. - J. Ofner, 470 Jahre Bürgermeisteramt in Steyr. Amtsblatt der Stadt Steyr, Jg. 10, Nr. 9, S. 3 f. ® Preuenhueber, Annales Styrenses, S. 258. ' E. Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit. VKSt., Heft 19 (1959), S. 45 f.

Für den Turm des Rathauses, in dem zwei Glocken hingen', verfertigte um diese Zeit (1575-1577) der Augsburger Großuhrmacher Georg Wagner eine neue Uhr®. Der Ratssaal war in der Reformationszeit Mittelpunkt des kulturellen und gesellschaft lichen Lebens. Hier veranstalteten die Meistersinger Singschulen' und die Rektoren der evangelischen Lateinschule mit den Schülern Theateraufführungen'". Bis 1582 stand der Saal allen Bürgern für den Hochzeitstanz zur Verfügung. Da aber der Bürgermeister be fürchtete, daß aus den angrenzenden Stuben Steuergelder entwendet werden könnten, beschloß in diesem Jahre der Rat, den „gemeinen Bürgersleuten", zu denen hauptsächlich die Handwerker zählten, den Hochzeitstanz einzustellen". Der tiefere Grund für diese Maßnahme mag aber die große soziale Kluft zwischen den reichen Kaufleutebürgern und den Handwerkern gewesen sein. Im Jahre 1592 verfügte das Ratskollegium, dem Bürgermeister, dem Waagmeister" und dem Stadtkämmerer je einen Schlüssel zum Tor des Rathauses auszufolgen. In der Barockzeit mußte die Rathausuhr („Stadtuhr") mehrmals instand gesetzt werden. Der Salzburger Hofuhrmacher Hans Sauther machte sich 1680 erbötig, gegen Beistellung des Eisens, der Unterkunft und Verpflegung sowie einer Diskretion die Uhr wieder in Gang zu bringen und sie so einzurichten, „daß man die Stunden so tags als nachts erkennen möge". Da er überdies für seine Arbeit den Betrag von 200 Gulden forderte, lehnte der Magistrat das Angebot ab". Eine größere Reparatur, die 68 fl. 21 kr. kostete, wurde 1687 von dem Großuhrmacher Hans Kauffmann durchgeführt". Weitere Instandsetzungen mußten in den Jahren 1693", 1703" und 1720" vorgenommen werden. In diesen Jahrzehnten wurde, weil schon unbedingt erforderlich, die Einrichtung der Ratsstube erneuert. So ließ 1681 der Magistrat drei Dutzend Sessel anfertigen, von denen jeder 1 fl. 30 kr. kostete". Ein neuer Teppich wurde 1706 für den Platz des Bürgermeisters benötigt". Erwähnt sei auch, daß im März 1733 der Schulmeister Johann Georg Donn dem Magistrat ein „mit eigener Hand auf Kupfer Art mit der Feder gemachtes KruziflxBild" überreichte, das in der Ratsstube aufgehängt wurde"". Hier fand 1762 auch ein „Herr gott" Platz, den vermutlich der Bildhauer Ferdinand Kreitsch geschnitzt hatte"'. Der Turm des schon im 17. Jahrhundert baufälligen Gebäudes"" war im Jahre 1720 „im Ghilz (Gehölz) Völlig erfault", so daß die Stadtobrigkeit die auf 300 Gulden geschätzte ' Die Glocken sollen 1570 in Augsburg gegossen worden sein. K. B., Steyr vor 300 Jahren. Pfingstbeilage der Steyrer Zeitung 1926. ® Die alte Uhr wurde auf den damals erbauten Wasserturm zwischen den Brücken übertragen. Rp. 1575, Hs. Bd. 4, 24. Oktober. - 1577 hatte Wagner vor dem Bürgermeister zu erscheinen, „weil sein gemacht Urwerch auf hir(i)gen Ratthauß Thuern Vnrecht geth, dos Er die Menngl wennden Vnd solch werch aller seits in Stätten gerechten ganng bringen wolle". Rp. v. 29. 11. 1577, Hs. Bd. 5, S. 662, 708. ° J. Ofner, Zur Geschichte des Meistergesanges in Steyr. Oberösterr. Heimatblätter, Jg. 2, Heft 2 (1948), 's. 163-167. '" R. Stumpfl, Das alte Schultheater in Steyr zur Zeit der Reformation und Gegenreformation. Heimatgaue, Jg. 12 (1931), S. 1-33, 136-158, Jg. 13 (1932), S. 13-24, 95-128. " Rp. V. 12. 11. 1582, Hs. Bd. 9, S. 59. '" Der Waagmeister führte die Aufsicht über die ebenerdig im Rathaus untergebrachte Stadtwaage. - Rp. 1585, S. 397. " Rp. 1680, S. 63, 72. " Rp. 1687, S. 208. " Rp. 1693, S. 233. '» Rp. 1703, S. 9. " Die Reparatur kostete 100 Gulden. - Rp. 1720, S. 36. " Die Sitze waren mit Kalbsfell überzogen und mit gesottenem Roßhaar gefüllt. - Rp. 1681, S. 134. " Rp. 1706, S. 67. Rp. V. 11. 3. 1733, S. 55. "' Der Bildhauer erhielt für seine Arbeit 1 Gulden. — Rp. 1762, S. 148. "" Schon 1634 wurde das Rathaus als baufällig bezeichnet. - Rp. 1634, 100. 1661 wurde das Gebäude durch einen Brand beschädigt. - Rp. 1661, 21.

Reparatur notgedrungen durchführen lassen mußte®^. In der Folgezeit wurde auch der Dachstuhl des alten Bauwerkes von Jahr zu Jahr schadhafter. Am 31. März 1749 forderte daher der Stadtbaumeister Gotthard Hayberger, der damals auch das Amt eines Ober stadtkämmerers versah, vom Magistrat die sofortige Instandsetzung der südlichen, gegen das benachbarte Stadtschreiberhaus zu gelegenen Dachfläche^*. So wurden stets nur die schwersten Gebäudeschäden behoben, denn die gegen Ende des 16. Jahrhunderts einsetzende Wirtschaftskrise, die in den folgenden Jahrzehnten durch Kriege verschärft wurde, war noch immer nicht überwunden. Erst nach einer geringfügigen Besserung der städtischen Finanzlage, die nach dem österreichischen Erbfolgekrieg zu ver spüren war, konnte an einen Neubau gedacht werden. Für die Planung eines modernen, repräsentativen Rathauses kam natürlich nur der durch barocke Klosterbauten berühmt gewordene Stadtbaumeister Gotthard Hayberger®^ in Frage. Leider sind die Pläne („Risse") und der größte Teil der Bauakten in Verlust geraten, nur die Ratsprotokolle berichten fallweise über das Baugeschehen. Hayberger, der in den Jahren 1755 bis 1757 den Ausbau des Turmes der Stadtpfarr kirche leitete und als Stadtrichter fungierte, unterbreitete am 26. November 1757 dem Stadtrat die Pläne für den Bau des neuen Rathauses. Die Ratsprotokolle vermerken: „Der K. K. Hr. Stadtrichter qua Stadtbaumaister leget den grundris vor, auf was arth das Rath haus erbauet werden könte. - Placet, derselbe wirdet aber belieben, hierüber einen Über schlag zu uerfassen, nach welchen eine coon. zusammensizen, und das weitere vorkherren solle^'." Schon im Jahre 1758 wurde die Beschaffung von Baumaterial in Angriff genommen. In den Wäldern der Stadtgemeinde begann man mit der Schlägerung von Bauholz. Da das mittelalterliche Rathaus über keine einbruch- und feuersicheren Räume ver fügte, konnten im Sommer dieses Jahres Diebe ohne besondere Schwierigkeit aus dem Kassa-Amt einen namhaften Geldbetrag stehlen. Am 28. August mußte der Steuerein nehmer Matthias Joseph Rippl feststellen, daß ein „Gatterstrippel" abgeschnitten und zwei Türen aufgebrochen wurden. Den Dieben, die in die Kassatruhe ein viereckiges Loch ge schnitten hatten, flel das gesamte Steuergeld im Betrage von 1960 Gulden 45 Kreuzer 3 Pfen nige in die Hände^'. Ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung, das der Magistrat in diesem Jahre der Landeshauptmannschaft unterbreitete, wurde im Hinblick auf den vor zwei Jahren ausgebrochenen Krieg zwischen Österreich und Preußen abgelehnt^®. Als im Mai des nächsten Jahres Hayberger und einige Kommissäre das bereits im „Gmeinholz" geschlägerte Holz für das neue Rathaus besichtigten, fanden sie, daß es für Bauzwecke größtenteils unbrauchbar war. Von 99 ausgehackten und etwa zwanzig unausgehackten Baumstämmen waren nur sechs für Dippelböden geeignet, die übrigen lediglich als „Rafen- und Maurbänkh oder Christ-Holtz" (Gerüstholz) verwendbar. Mit Fuhrlohn und anderen Ausgaben kam das teilweise kernfaule Holz „um 2 Drittel" höher im Preise zu stehen als das Holz „aus der Enns®®", das nur hundert Gulden gekostet hätte®". Rp. 1720, 87. F. Bau- und Straßensachen 1490-1777, K. III, L. 19, Nr. 4464. E. Krobath, Bürgermeister Gotthard Hayberger. VKSt., 1953, S. 17-32. " Rp. V. 26. 11. 1757, fol. 428. " Rp. v. 8. August 1758, 411. F. Bau- und Straßensachen 1490-1777, K. III, L. 19, Nr. 4474. " Sogenanntes Floßholz, das die Holzhändler verkauften. F. Bau- und Straßensachen 1490-1777, K. HI, L. 19, Nr. 4471.

Zusehends verschlechterten sich die finanziellen Verhältnisse der Stadtgemeinde. Sie war schließlich gezwungen, Darlehen bei der Innerberger Hauptgewerkschaft aufzunehmen. Im September 1760 wurde die Stadt von der Landschaft aufgefordert, eine „Kriegsbeisteuer" in der Höhe von 6250 Gulden aufzubringen und einen Abgabenrückstand im Betrage von 2000 Gulden zu erlegen®^. Im folgenden Jahre zerstörte ein gewaltiges Hochwasser die Brücken und verursachte erhebliche Gebäudeschäden®^. Zu Anfang des Jahres 1763 ging der Siebenjährige Krieg zu Ende. Der am 15. Februar geschlossene Friede zu Hubertusburg wurde in Steyr mit einem Hochamt und mit der Abfeuerung der schweren Geschütze gefeiert, erwartete man doch eine Besserung der Wirt schaftslage^®. Schon sieben Tage nach Friedensschluß, am 22. Februar, befaßte sich der Magistrat mit einem von der Wirtschaftskommission®^ zugeleiteten „Riß von H. Hayberger und Hueber wegen Erbauung des Rathauses conform der städtischen Administrations Mainung". Der Rat beschloß, daß nochmals ein „Augenschein mit genauer Überlegung von der löbl. Wirtschafts Coon" durchgeführt werde, „damit der Riß ohne weitere Abän derung geschlossen werden könne". Die Ratsmitglieder Richard von Paumgartten und Petz sollen beigezogen werden®®. An der Ausarbeitung des vom Wirtschaftskollegium überreichten Rathausplanes war nun auch der bürgerliche Maurermeister Wolfgang Huber beteiligt, der jedenfalls schon damals für die Bauausführung vorgesehen war. Nach diesen Beratungen wurde es aber wieder still um das Rathausprojekt. Eineinhalb Jahre schweigen darüber die Ratsprotokolle. Wir kennen nicht die Gründe, die zur Ver zögerung der Bauangelegenheit führten. Sicherlich hat die Erkrankung Haybergers, der seit 1759 das Bürgermeisteramt inne hatte, eine Stockung bewirkt. In der Ratssitzung vom 21. Jänner 1764 führte er letztmalig den Vorsitz®®, am 7. März verschied der berühmte Barockbaumeister®'. Der Witwe Maria Theresia wurde „zur Versehung ihres Werks" der Polier Paul Hautzenberger zugewiesen®® und Wolfgang Hueber (Huber) zum Stadtbau meister ernannt®®. Über den Bau des Rathauses wurde im Stadtrat erst am 13. August wieder verhandelt. Der Gastwirt und Oberstadtkämmerer Johann Mayrhofer „produzierte den von Hueber Maurermeister entworfenen Rathaus-Riß und Überschlag®®". Da Hayberger mit keinem Worte mehr erwähnt wird, wäre die Annahme, daß das Ratsgebäude ein Werk des Stadt baumeisters sein könnte, nicht ganz unberechtigt. Doch Hueber, der ein tüchtiger Baufach mann war und in Steyr seit 1741 das Bürgerrecht besaß, hat in seinem „Riß" wahrscheinlich nur bestimmte Wünsche der Stadtobrigkeit berücksichtigt, im übrigen aber sich jedenfalls an die Gesamtplanung Haybergers gehalten®'. ®' E. Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit. VKSt., Heft 28 (1967), S. 10. ®® Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28, S. 11. ®® Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28, S. 9. ®® Die auf Befehl des Landeshauptmannes 1750 eingerichtete Wirtschaftskommission überprüfte monath'ch die Ausgaben des Magistrates. Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28 (1967), S. 22. »® Rp. V. 22. 2. 1763, 44. »® Rp. 1764, 33. ®' Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28 (1967), S. 7. »® Rp. 1764, 87. ®» Rp. V. 17. 3. 1764, 100. ®® Rp. V. 13. 8. 1764, 281. ®' Hueber besaß das Haus Enge Gasse Nr. 13. I. Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr. Phil. Diss. Innsbruck (1950), Maschinschrift, Bd. 2, Nr. 165. - A. Haindl, Die Ergänzung der Bürgerschaft Steyrs im 18. Jahr hundert. Phil. Diss. Innsbruck (1950), Maschinschrift, Bd. 2, S. 102.

Vierzehn Tage später, am 28. August, ersuchte der Magistrat die Landeshauptmann schaft um die Bewilligung zum Bau des Rathauses. In dem Ansuchen, dem Plan und Kosten voranschlag beigeschlossen wurden, begründeten Bürgermeister, Richter und Rat die Dring lichkeit des Bauvorhabens: Im alten Gebäude fehlen feuer- und einbruchsichere Gewölbe zur Verwahrung des Geldes und wichtiger Schriftstücke. Bei einem Brande, den Gott ver hüten möge, könnte nichts gerettet werden. „Weßwegen", so heißt es in dem Gesuch, „wür auch sicher glauben, d(a)ß unß dan a(nn)o 758 zu Vornembung dieses so nothwendig(en) Baues die hoche erlaubnus erthaillet worden seyn würde, wann es die damalligen fataln Kriegs Zeitlauften nicht abgehindert hätten, und waß noch mehr, so ist dises Rathaus u. ermanglung deren herinnen zuegerichten Wohnungen von niemand alß den einzigen Wagmaister rukhwerths bewohnet, dahero dann auch Vor etwelchen Jahren der gwaltthätige einbrach in d(a)ß Steur amt (und) ander erlittene Dibstahl sich ganz leichtlich ergeben können". Der Magistrat hoffe, innerhalb von drei Jahren das „nothwendige gebäu" voll enden zu können. Zur Finanzierung werde er jährlich aus der Stadtkasse 2000 Gulden auf bringen und auch ausständige Gefallsreste verwenden. Abschließend wird „dises so höchst nöthigen gebäues halber, umb die hochgnädige erlaubnus" gebeten^^. Am 20. September genehmigte die Landesregierung den Rathausbau, verlangte aber, „d(a)ß der Überschlag nicht überschritten, auch Quatall über den Fortgang deß gebäu, und die auf solchen auferlauffende Unkosten bericht erstattet werde^'". Die Vorarbeiten wurden durch den Gastwirt und Oberstadtkämmerer Johann Anton Mayrhofer, dem die Vergebung und Bezahlung sämtlicher Bauarbeiten oblag, vermutlich noch im Herbst in Angriff genommen. Im Jänner 1765 ließ der Magistrat die Registratur wegbringen. Sie kam in ein Gewölbe, das die Hettische Witwe den „Welischen^^" über lassen hatte. Mayrhofer unterbreitete am 25. Februar Rathaus-Riß und Kostenüberschlag nochmals dem Stadtrat, damit dieser das Material für die Steinmetzarbeiten bestimmen könne. Der Magistrat würdigte die „große Sorgfalt" des Oberstadtkämmerers und wünschte „einen glücklichen Fortgang des Unternehmens*®". Am 26. März wurde mit dem Bau begonnen. An diesem Tage meldete Mayrhofer in der Ratssitzung, „daß er anheute das Rathaus-Gebäu in Gottes Namen angefangen" habe. Er benötige aber einen Maurerpolier, „der die direction besitze" und ständig anwesend sein müsse. Schließlich ersuchte er, ihm zur Bestreitung der Baukosten „etwo 100 fi. ex cassa successive nach Tunlichkeit" ausfolgen zu lassen. Dem Polier, verfügte der Rat, sollen „vor Lohn samt Kost täglich 30 Kreuzer" bezahlt werden*'. Den Kalk bezog die Stadtgemeinde vom Stadtbaumeister Wolfgang Hueber, der für ein Mut*' 3 Gulden 45 Kreuzer verlangte*'. Aber auch der Nachfolger Haybergers, der aus Sierning gebürtige Maurerpolier Johann Wolfgang Hueber, dürfte Kalk geliefert haben. Am 4. Februar ersuchte dieser den Rat um das Bürgerrecht*' auf die käuflich erworbenen Liegenschaften (Haus Pfarrgasse Nr. 2", Kalkofen in Vogelsang", Stadel) und um die " F. Bau- und Straßensachen 1490-1777, K. III, L. 19, Nr. 4474: Konzept. " Ebenda: Vermerk auf dem Konzept. " Die „Welischen" waren meist Hausierer oder Maurer aus Oberitalien. Rp. v. 11. 1. 1765, S. 14. « Rp. V. 25. 2. 1765, S. 72. *' Rp. V. 26. 3. 1765, S. 107. " 1 Mut = 30 Metzen ä 61,49 1. A. Hoffmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich (1952), S. 526. " Rp. 1765, 152. " Rp. v. 4. 2. 1765, 41. " I. Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr. 1. Teil. VKSt. (1951), S. 96. - Haindl, Ergänzung der Bürger schaft, Bd. 2, S. 170. '* Steuereinnehmer-Amtsrechnung 1762, Hs. Nr. 138, S. 31.

Maurergerechtigkeit des Baumeisters Hayberger. Später heiratete er die Witwe Maria Theresia^ Gegen Ende dieses Jahres wollte Mayrhofer die für die Attika vorgesehenen Steinfiguren in Auftrag geben. Da nach Ansicht des Rates kein städtischer Bildhauer hiefür über die nötige „Kunstfertigkeit" verfügte, überließ man die Wahl des Meisters völlig dem Ober stadtkämmerer®®, der jedenfalls einem auswärtigen Künstler diese Arbeit zukommen ließ. Am 29. November 1766 brachte Mayrhofer im Rate vor, daß „das Rathaus gegen den Turm gehalten eine Ungleichheit habe", weshalb gegen das Madlsederische Haus zu®^, „was dazu genommen werden" müsse. Der Rat beschloß, diese Angelegenheit von einer Kommission überprüfen zu lassen. Der Oberstadtkämmerer erwirkte auch, daß dem Maurer meister Hueber ab 1765 jährlich für „das Rüss (Plan) machen und alle extra-Arbeit" 50 Gul den und für das „Beschauen" 8 Gulden bezahlt wurden®®. Bei der „Rathaus-Gebäu-Arbeit" verunglückte im Juni 1770 der Hilfsarbeiter Jakob Hochedlinger, genannt der „Hirschenhaus-Bub". Zur „Gewinnung des Brods" erhielt er aus der Armenkasse täglich 6 Kreuzer®®. Im Jahre 1771 wurde der Vordertrakt größtenteils vollendet. Zu Anfang des nächsten Jahres erfolgte die Anbringung der Fensterkörbe und die Deckung des zierlichen Fassaden turmes mit Kupferblech. In die Krone des Doppeladlers, mit dem der Turm abgeschlossen wurde, ließ der Magistrat im April 1772 eine von dem Steueramtsschreiber Johann Kaltenböck verfaßte Gedenkschrift einlegen. Der Beamte erhielt für seine Mühe 3 kaiserliche Dukaten (= 12 Gulden 48 Kreuzer)®'. Das damals endgültig fertiggestellte viergeschossige Hauptgebäude ist ein hervorragendes architektonisches Meisterwerk des österreichischen Rokoko. Kolossalpilaster und mit ge schwungenen Verdachungen und Eisenkörben versehene Fenster gliedern die mit einem Prachtportal ausgestattete Fassade. Über der Tür des Balkons, den ein reiches Gitter umsäumt schmückt die Schauseite eine reliefartige Darstellung des Steyrer Panthers. Die Balustrade und den etwas vorspringenden Turm zieren sechs allegorische, vorzüglich gearbeitete Statuen aus Gaflenzer Muschelkalk. E. Krobath deutet sie als symbolische Darstellung der städti schen Gerichts- und Verwaltungsbefugnisse im 18. Jahrhundert: „Die erste Figur auf der Brüstung hält Schwert und Waage in Händen - ein altes Symbol des Richteramtes. Um die Füße der zweiten Gestalt, die das Strafrecht personifizieren mag, windet sich eine schwere Kette mit einer Eisenkugel. Kette und Kugel wurden bei der Restaurierung des Jahres Rp. 1767, 104. ®® Rp. 1765, 315. Geraeint ist wohl das nördliche Nachbarhaus Stadtplatz Nr. 25. Das an die Südwand grenzende Haus, Stadt platz Nr. 29, war ira Besitze der Stadtgeraeinde. Es wohnte darin der Stadtschreiber, weshalb es „Stadt schreiberhaus" genannt wurde (Steuerbuch 1695, Hs. Nr. 115). Man bezeichnete dieses Gebäude auch als „altes Rathaus". Wahrscheinlich wurden in der langen Bauzeit darin die Amtsgeschäfte erledigt. Im Jahre 1813 verkaufte es der Magistrat an Lorenz und Theresia Schwarzott. Landesarchiv Linz: Archiv der Landes regierung, Schuber Bd. 1071, 1813-108/4. ®® Rp. 1766, 291. ®® Rp. V. 27. 6. 1770, Bd. 173, 168. - Rp. 1771, Bd. 174, 32. ®' Rp. V. 5. 2. 1772, Bd. 175, 51. „Der Johann Kaltenböck Steueraratsschreiber übergibt Jene Inn und Pargaments Aufschrift, so ad perpetuara Rei Memoriam bey nächster Aufsezung des K. K. Adlers auf den RathauB Thurm in dasiger Adlers Krön eingeschlossen worden ist." Beschluß: „Wird allerdings beangenehraet, und solle deme selben Vor seine Bemühung 3 Kayserl. Ducaten gegen deme ex cassa geraichet werden, d(a)ß selber jedoch gehalten sein solle, hievon nochmahlen diese ganze Innschrift auf einen ordinari Papier sauber zu Ständten zu schreiben damit auch solche ad Registraturam Verwahrlich aufbehalten werden könne, dessen Hr. Cassier und Er Kaltenböck Jedes per Extractum zu erinnern." - Rp. v. 10. 4. 1772, Bd. 175, 116. - Kassa-Amtsrechnung 1772, Hs. Nr. 57, fol. 77, Nr. 1124, 1125. - Die hier erwähnte Abschrift ist im Stadtarchiv nicht vorhanden.

1956 entfernt. Die nächste Statue schwingt einen Weihrauchkessel (turribulum) und hält in der linken Hand einen Weihrauchbehälter (naviculum). Sie deutet auf die Kirchenpatronanz der Stadt hin. Die letzte Figur der Balustrade dürfte die Verwaltung, die auf Grund verbriefter Rechte ihre Tätigkeit ausübt, darstellen. Auf Anbauten des Turmfußes thronen zwei weitere Statuen, von denen eine ein Szepter mit dem Auge Gottes und die andere einen Spiegel trägt. Sie symbolisieren die Allwissenheit Gottes und die Selbst erkenntnis^®." Da die eindrucksvollen Steinbildhauerarbeiten stilistisch den bemerkenswerten Portal figuren im Stift Seitenstetten nahestehen, könnten sie von einem Florianer oder Salzburger Bildhauer stammen®®. Im „Dehio" wird das herrliche Rathaus der Eisenstadt, das die Lebensfreude der Bürger schaft nach den vielen Kriegen in der Barockzeit erkennen läßt, besonders gewürdigt: „Die gestellte Aufgabe, inmitten der z. T. gleichfalls sehr reich geschmückten Bürgerhäuser einen den Stadtplatz beherrschenden Monumentalbau bei einer Breite von nur 5 Fensterachsen aufzuführen, ist unter Beibehaltung des seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bei Rathäusern häufigen axialen Fassadenturmtypus durch ungewöhnliche Steigerung der Höhenausdeh nung auf das glänzendste gelöst. Diese macht eine Streckung und infolgedessen durchaus einmalige Behandlung der einzelnen Bauglieder erforderlich, in der der Architekt seine Meisterschaft erweisen konnte®"." Die Arbeitsräume wurden im Juli 1773 eingerichtet. Bilder, Spiegel, Luster und eine „schöne Uhr" kaufte der Magistrat um 300 Gulden in Mauthausen®^. Auch die Öfen gelang ten damals zur Aufstellung®". Der Bau der hinteren, einen weiten Hof umschließenden Trakte nahm noch fünf Jahre in Anspruch. Bis zu Anfang des Jahres 1775 konnte die Stadtgemeinde die Baukosten be streiten®®. Allerdings mußte Mayrhofer ab und zu mit einem Vorschuß aus seiner Privat kasse aushelfen®®. Auf Grund der von Zeit zu Zeit in den Ratsprotokollen vermerkten „ex cassa civitatis" bewilligten Pauschalbeträge®® und einiger Kassa-Amtsrechnungen®' können die Bauauslagen bis zu dem genannten Zeitpunkt annähernd ermittelt werden. Schätzungs weise dürfte Steyr etwa 33.000 Gulden ausgegeben haben. Da im April alle Mittel erschöpft waren, wandte sich Bürgermeister Reichard von Paumgartten an Landrat von Spaun, um Geld zur Vollendung des Gebäudes zu bekommen. Seine auf eigene Kosten unternommene Reise nach Linz zeitigte kein günstiges Ergebnis. Die Fortführung des Baues, so sagte man ihm, würden nur dann bewilligt, wenn die Stadt über „eigene Gelder" verfüge. Die Stadt väter aber ließen sich nicht einschüchtern. Sie versuchten auf schriftlichem Wege, eine Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28 (1967), S. 27. Portalstatuen für Seitenstetten lieferten 1751 der Bildhauer Johann Paul Sattler aus St. Florian, die Kolossal statuen, darstellend die Apostelfürsten, stammen von dem Salzburger Josef Anton Pfaffinger. M. Riesenhuber, Die kirchliche Barockkunst in Österreich (1924), S. 464, S. 471. Dehio-Handbuch, Oberösterreich (1958), S. 332. I. Schroff, Regesten, Hs. Bd. 6, S. 874, K. VII. Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28 (1967), S. 25. Möglicherweise hatte die Landesregierung schon einen Zuschuß gegeben. Im Rp. 1766 findet sich folgende Eintragung: „Mayrhofer zum Rathaus 1200 fl.; weil er dieses Geld schon in Vorschuß gegeben, dasselbe zur Österreicher Rayß benötige." Rp. 1766, 246. — 1775 ersuchte Mayrhofer um Rückzahlung geliehener Beträge. Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28 (1967), S. 25. 66 Rp. 1765, 272;- 1766, 123, 182, 301; - 1767, III, 283;- 1768, 127, 211, 298;- 1769, 130, 222, 284; - 1770, 212; - 1772, 149. 66 Die in den Kassa-Amtsrechnungen angeführten Pauschalbeträge umfassen die Ausgaben für den Bau des Rathauses und die übrigen Auslagen des Stadtkammeramtes. Die Rechnungen der Jahre 1774—1776 ent halten keine Baukosten. In den Jahren 1777, 1778 und 1779 werden für das Rathaus 30 „Monatgelder" a 50 fl. = 1500 fl. ausgewiesen. Belege sind nicht mehr vorhanden. Kassa-Amtsrechnungen, Hs. 62-64.

finanzielle Hilfe von der Landesbehörde zu erhalten®'. Der Erfolg blieb nicht aus. Schon am 1. Mai stellte die Landeshauptmannschaft der Stadt Steyr einen Betrag von 4891 Gulden zur Verfügung, verlangte aber, daß „dieses Quantum unter Darfürhaftung des Bürger meisters und Stadtkamers nicht überschritten, und falls es wider besseres Verhoffen schon beschehen wäre, der ganze Rathausbau, unter Vertrettung erstbesagter beeden Individuen, alsogleich eingestellet werden solle". Bis zum 31. Oktober 1776 wurden von der angewiesenen Summe 2712 fl. 44 kr. ausgegeben, so daß für die restlichen Bauarbeiten noch 2178 fl. 16 kr. vorhanden waren®®. In diesem Jahre übernahm den Rathausbau der Stadtbaumeister Johann Wolfgang Hueber. Sein Vorgänger Wolfgang Hueber war im Sommer verschieden®®. Die von Steyr am 27. Februar 1777 abgegebene Erklärung, das Gebäude bis Ende des Jahres zu vollenden und es mit Einrichtungsgegenständen auszustatten'®, konnte nicht eingehalten werden. Die I.andesregierung verlangte daher am 26. Juni 1778 die Fertigstellung des Rathauses im Laufe des Jahres'^. Mit der Vollendung des Hintergebäudes wurde im Herbst der Bau zum Abschluß gebracht. Ab 16. Oktober konnten in diesem Trakt in dem mit einem vornehmen Marmor türgewände und einer reizvollen Stuckdecke versehenen Saal die Ratssitzungen abgehalten werden'®. Stadtschreiber Matthäus Guggenbichler verfaßte anläßlich der ersten Ratsver sammlung eine kurze Gedenkschrift in lateinischer Sprache. Sie stellt ein Chronogramm dar, in dem die Jahreszahl 1778 zweimal enthalten ist'®. In der Nähe des Sitzungssaales befindet sich der Eingang in den gewölbten zweischiffigen Archivraum, der zu den schönsten im Lande ob der Enns gehört'®. Er liegt im ersten Stock des südlichen Flügels und beherbergt die reichen Urkunden-, Handschriften- und Akten bestände, von denen für die österreichische Wirtschaftsgeschichte die Archivalien der Eisen handlungsgesellschaft und der 1625 gegründeten Innerberger Hauptgewerkschaft besonders wertvoll sind'®. Die gegen die Enns zu liegenden Trakte sind einfacher gehalten, doch sind die Säulen der Arkadengänge und einige Türgewände schöne Steinmetzarbeiten. Um das in einer Bauzeit von dreizehn Jahren aufgeführte Rathaus erwarben sieh be sondere Verdienste die Bürgermeister Johannes Simon Carl Angerholzer (1764-1770), Bernhard Großrucker (1771) und Johann Reichard von Paumgartten (1772-1781)'®. In der Folgezeit wurde das Gebäude mehrmals restauriert. Im 19. Jahrhundert ent fernte man den im Erdgeschoß befindlichen Brotladen (1841)" und beleuchtete die Fassaden uhr (1872)'®. Nach dem zweiten Weltkrieg erhielt das Rathaus durch Angliederung des benachbarten Wickhoffhauses (Stadtplatz Nr. 25) neue Büro- und Sitzungsräume'®. ®' Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28 (1967), S. 25. ®® F. Bau- und Straßensachen 1490-1777, K. III, L. 19, Nr. 4480. «» I. Schroff, Regesten, Hs. Bd. 6, S. 879, K. VII. '» F. Bau- und Straßensachen 1490-1777, K. III, L. Nr. 4480. " I. Schroff, Regesten, Hs. Bd. 6, S. 882. '® I. Schroff, Regesten, Hs. Bd. 6, S. 882. '® Ki-obath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28 (1967), S. 26. '® I. Zibermayr, Das oberösterreichische Landesarchiv in Linz (1950), S. 222. '® Über 50.000 Aktenstücke. E. Schmidel, Aus dem Rathaus der Stadt Steyr. Unterhaltungsbeilage der Linzer Tages-Post vom 25. 2. 1906. '® Krobath, Bürgermeister, VKSt., Heft 28 (1967), S. 27-50. " J. Kautsch, Aus den Aufzeichnungen eines Steyrer Bürgers. Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913, S. 100. '® Kautsch, Aufzeichnungen, Kalender 1918, S. 145. '® o. V., Umbau des Hauses Stadtplatz 25. Amtsblatt der Stadt Steyr, Jg. 3 (1960), Nr. 12, S. 9 ff.

Zum Meistersang im alten Wels Gilbert Trathnigg f *) tJber den Meistersang^ in Wels unterriehten uns die beiden Sammelhandschriften von Thoman Stromair und Paulus Freudenlechner. Die Sammlung Stromairs® trägt den Titel „1577/Gesangbuch Teu/dscher Meistergesang aus Ald vnnd/newen Testament". Nach seinen eigenen Worten hat er am 10. August 1578 die Niederschrift beendet „Beschrieben vnnd vollendet am Tag Laurentzy das ist den Zechenten tag Augusty, Anno Dominy Aintausent fünff hundert vnnd sibentzigisten Jar. Thoman Stromair, mein Aigen Handschrifft". Von Freudenlechner® fehlen so klare Hinweise auf Beginn und Ende seiner Tätigkeit. Da er jedoch selbst als Meistersinger Lieder dichtete, kann man danach die Zeit seiner Hand schrift näher bestimmen. Das älteste Meistersingerlied, das von ihm bekannt ist und nur in der Sammlung Stromairs steht, entstand am 4. 8. 1576. Er selbst verzeichnet erst eines vom Jahre 1578. Sein letztes Lied hat er 1616 in Eferding, wo er seit November 1616 nach weisbar ist, gedichtet. Ob er in diesem Jahr starb oder ob er unter dem Druck der Gegen reformation nicht mehr dichtete oder auswanderte, wissen wir nicht. Der Inhalt seiner bekannten Lieder ist ja ebenso wie der seiner Zeitgenossen ausgesprochen protestantisch. Außer Freudenlechner sind in den beiden Handschriften noch Georg Chulich, Thomas Mayr*, Johann Schmitmayr, Abraham Wardberger®, Georg Schmidmair® mit Liedern ver treten, bei denen entweder ausdrücklich Wels angeführt wird oder die in anderen Welser Quellen nachweisbar sind; vielleicht waren auch C. Mayr und Hieronymus Rieger in Wels'. Das Bestehen einer Welser Meistersingerschule schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts® läßt sich aus Gedichten von Hans Sachs nachweisen. Die thematische Untersuchung®^ der Lieder der beiden Welser Meistersinger-Handschriften ergab, daß die Meistersinger von ihren Mitgliedern eine, wenn auch beschränkte, Beschäftigung mit den sieben freien Künsten verlangten. Da ein großer Teil der Lieder religiösen Inhalt hatte, war eine eingehende Beschäftigung mit der Bibel Voraussetzung für die Beurteilung der Lieder anderer wie für das Dichten eigener Lieder. Der Aufbau der Lieder gleicht weitgehend dem Aufbau einer Predigt. Bei öffentlichen Schulen wird immer wieder betont, daß die Lieder Gott zu Lob und Preis und zur Belehrung der Hörer gesungen werden. Zu den bisher bekannten Nach weisen der Welser Meistersinger ist wohl auch eine Nachrieht aus den Ratsprotokollen von 1587 zu stellen: 1587, 23. 9. (155) Etliche Handwerksleute „haben mit geistlichen liedersingern vnnd zum thail hernach tritzigen worten verursacht, das Sy Zu Lambach auf dem Kirchtag hinein in das Closter Tractiert, vnnd etlich darunter gestrafft worden . . ." *) Prof. Dr. G. Trathnigg hat diesen und die folgenden Beiträge unmittelbar vor seinem jähen Ableben für die Oberösterreichischen Heimatblätter geschrieben. Wir geben sie in Pietät vor diesem bedeutenden Kultur historiker ohne jegliche Zusätze oder Änderungen wieder. Über den Verfasser s. den Nachruf von Dr. W. Ries in diesem Heft. ® G. Trathnigg, Die Welser Meistersingerhandschriften. Untersuchungen zum Welser Meistersang. Jb. d. M. V. Wels 1954, S. 127-180. ® a. a. O., S. 133-143. 3^^Q s_ H4 167. ® G. Chulich und Th. Mayr: a. a. O., S. 134, 170, 173 ff. ® J. Schmitmayr, A. Wardberger: a. a. O., S. 134, 171, 173 ff. ® G. Schmidmair, a. a. O., S. 147, 172, 173 ff. ' C. Mayr und H. Rieger, a. a. O., S. 134, 171, 173 ff. ® a. a. O., S. 131 f. 8l> a. a. O., S. 142 f., 175.

Eindeutiger ist hingegen die Nachricht aus der Stadtgerichtsrechnung' des Jahres 1609 „Den 3. Juny als Singschuell auf dem Rathaus gehalten worden denselben Singern verehrt Ain Taler (1 fl. 3 ß 36 d)." Diese Eintragung ist deshalb auch von besonderem Interesse, weil sie den Nachweis, daß die gewöhnlichen Singschulen in den Werkstätten der Mitglieder, besondere aber in Sälen^" stattfanden, stützt. Dies erklärt aber auch andererseits, warum sich keine ständigen Eintragungen in städtischen Archivalien finden. Die Zahlung aus Mitteln des Stadtgerichtes zeigt aber auch, daß man Zahlungen nicht immer aus dem gleichen Konto - wie wir heute sagen würden - leistete, sondern von dort, wo gerade Geld vorhanden war. Beziehungen zu Meistersingern könnten aber auch Eintragungen für Verehrungen an Dichter, die der Stadt ein Werk überreichten, erkennen lassen. Beispiele dafür sind: 1574 LARi»® Georg Fernhofer decidiert ein Psalter reimweis 1 fl. 4 ß Daniel Holzinger^^ aus Augsburg ein Teutschbuch reimweis 4 fl. 9 ß 29 d 1575 LAR Job. Pambinger für etl. Kirchengesänge, die er dem Rat decidiert 4 fl. Mag. Heinrich Brandenburger, der eine Histori von der Menschwerdung Christi reimweis verehrt 2 fl. 4 ß Georg Lucius, etlich deutsche Reime 1 fl. 2 ß 1576 LAR Mag. Mathias Leitner von Waidhofen, der etlich deutsche Reime dedicieret 1 fl. 4 ß 1 d Martin Singer von Krems etlich deutsche Reime 1 fl. 1600 VEAR (Kapitel: auf streifende Personen) Hans Isinger, Vetter des Schulmeisters Teisinger (Wels), für etliche deutsche Reime Poet und Komponist Vallentinus Hausmann aus Sachsen für einige Gesänge und Carmina 1603 VAER Poet Julius Sulz für den 6. Psalm als Carmen Vielleicht ist das letzte Beispiel jedoch als ein lateinisches Gedicht zu betrachten, wie der Stadt auch öfters verehrt wurden, so etwa 1576 LAR: Mag. Fuchs verehrt der Stadt einlat. Carmen; 1 fl. 4 ß 8 d 1597 VAER Studiosus und Komponist Jonathan Hartmann aus Pommern für ein lat. Gesang Schulmeister und Poet Golwald von Neustadt, Thüringer, für ein lat. Carmen; dem Poeten Adam Pack, aus der Pfalz für ein Carmen de passione domini 1600 VEAR Magister Mathias Roslerus ein lat. Carmen Pädagoge der Arthofer Kinder Noa Ursinus für ein Carmen Gratulorium Die angeführten Beispiele über dedicierte Gedichte ließen sich bei längerer Nachsuche sicher noch vermehren. Die Wahrscheinlichkeit, Einblicke zu gewinnen, die über die angeführten Stellen weiter hinausführen, erscheint jedoch gering. • G. Trathnigg, Öffentliche Gebäude, Burgen und Schlösser in Wels. Archivalische Vorarbeiten zur Öster reichischen Kunsttopographie Gerichtsbezirk Wels, Bd. 4, S. 71. G. Trathnigg, Jb. d. Mus. Ver. Wels, S. 163, 175. lOa LAR = Licht-Amts-Rechnungen; VEAR = Verordnete-Einnehmer-Amts-Rechnungen im Stadtarchiv Wels. Daniel Holzinger: Damit ist der bekannte Augsburger Meistersinger Daniel Holztnann gemeint. Die Hand schrift Freudenlechners enthält 40, die Stromairs eines seiner Lieder. Daniel Holzmann schrieb 1573 für Propst Georg Freuter von St. Florian eine Übersetzung des speculum sapientiae Cyrilli, die bei Philipp Ulhard in Augsburg gedruckt wurde. 1581-1587 weilte er in Wien, wo zwei weitere Bücher von ihnen gedruckt wurden.

Volkskundliches aus den Archivalien der Stadt Wels Gilbert Trathnigg f 1. Speis-, Opfer- und Johanniswein Bei der Durchsicht der Welser Lichtamts- oder Kirchenrechnungen findet sich seit 1602 der Johanniswein, auch Johannissegen oder Johannistrunk genannt. Die letzte der artige Eintragung fand sich im Jahr 1735. Er wird auch Wein zum Weihen 1650 (1666) genannt. 1623 heißt es unter Johannes Evangelista: „3 Kandl Wein, so zur Pfarrkirchen genommen worden." 1603, 1604, 1627, 1630 und 1631 wird der Johannistag durch den Zusatz „Weihnachten" näher bestimmt, desgleichen 1628, wo es dann weiter heißt, daß der Wein als St.-Johannes-Trunk ausgeteilt werde. Weitere Beispiele für Eintragungen, in denen der Johannistag Evangelista genannt wird, sind die Jahre 1662, 1671, 1672 und 1675. Da neben gibt es aber auch Eintragungen, die auf den Festtag des hl. Johannes des Täufers Bezug haben, so 1658 und 1659. Neben den Eintragungen, die sich auf den Johanniswein allein beziehen, gibt es auch solche, die die Kosten für den Opfer- und Speisewein und für den Wein, der am Johannistag geweiht wurde, zusammenziehen. 1673, 1674, 1675, 1683 und 1684 sind solche Beispiele. Meist heißt es einfach Johannistag, gelegentlich wird darauf verwiesen, daß dies alter Brauch sei, so 1640, 1648 und 1649. In den Eintragungen zwischen 1602 bis 1620 wird der Wein, der für den Johannistrunk verwendet wurde, meist als „süßer" Wein bezeichnet, 1603 als Muskateller Wein. Wein, der in der Kirche geweiht wird und am Tage des hl. Johannes Evangelista den Gläubigen im Kelch dargeboten wird, ist als Johannesminne, jünger als Johannissegen oder auch Johanniswein bekannt. Das Brauchtum^ läßt sich vom Mittelalter her bis in die Barock zeit, in manchen Gegenden auch noch weiterhin verfolgen. Der Brauch knüpft an die Über lieferung an, daß dem Heiligen vergifteter Wein gereicht worden sei, den er ohne Schaden zu nehmen trank. Neben diesem Johanniswein, der an einem bestimmten Tag in der Kirche geweiht und den Gläubigen geboten wurde, steht noch ein anderer Johannissegen, der bei Hochzeiten, beim Abschied vor Reisen^ oder vor einem Kriegszug getrunken wurde. Die kirchliche Weihe konnte auch hier in einzelnen Fällen stattfinden. Dieser Brauch ist sogar früher als der Johanniswein am 27. Dezember bezeugt. Denn diese Johannisminne ist die Voraussetzung für die Gertrudenminne', die bereits im Ruodlieb bezeugt ist. Auch zu Mittsommer, am Johannistag (Johannis des Täufers), finden wir den Johannissegen^ wieder. Eine Formel für die kirchliche Weihe dieses Weines konnte Franz' in seinem gründlichen und aufschlußreichen Buch über die Benediktionen des Mittelalters allerdings nicht nachweisen. Wenn er deshalb die Weihe des Weines an diesem Tag bestreitet, die von Jahn® und de la Fontaine' behauptet wurden, geht er entschieden zu weit, wie auch die ' J. A. Schmeller, Baierisches Wörterbuch. München 1872, Sp. 1206 und 1618. — V. A. Zingerle, Johannissegen und Gertrudenminne. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. 40 (1862) 179 ff. - J. Grimm, Deutsche Mythologie I 48 flf.; 522 f. - W. Grönbech, Kultur und Religion der Germanen II (1939), S. 120. - P. Sartori, Sitte und Brauch III 53. - Jahn, Opfergebräuche 269 ff.; 274. - Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter. 268, 294 f. ® So der Johannissegen der Salzfahrer auf der Donau. P. Sartori, a. a. O., II 161, Anm. 11. ' J. Grimm, a. a. O., I 50. — Schmeller, a. a. O., Sp. 964 f. — V. A. Zingerle, a. a. O. * Schmeller, a. a. O., I 1206. - P. Sartori, a. a. O., III 233. - Meier, Schwäbische Sitten, S. 427 f. - Mayer, Baden, S. 491. ' Franz, a. a. O., 297, vgl. auch 296 imd 303 f. ® Jahn, a. a. O., 46. ' de la Fontaine, a. a. O., 62.

Welser Eintragungen'zeigen. Das altübliche Getränk an diesem Tag war Met'; in Nord deutschland ging die Weiterentwicklung zum Johannisbieri". Die Welser Nachrichten setzen mit 1602 verhältnismäßig sehr spät ein. Man könnte glauben, daß dies eine Verbindung zur Gegenreformation ergebe. Wenn man die Verhält nisse näher untersucht, so ist dies nieht der Fall. Sie war zu diesem Zeitpunkt viel zu schwach, um einen Brauch neu einführen zu können. Es muß sich eher um einen Brauch handeln, der früher nicht eingetragen wurde. Dies ist durehaus möglich, weil wir ähnliehe Vermerke kennen, daß nunmehr Ausgaben eingetragen würden, die man früher nicht vermerkt habe. Gerade durch die Verteilung der Ausgaben für die Kirche in solche der Stadt und solche des Pfarrhofs, wie es in Wels üblich war, sind solche Schwankungen^^ leicht möglich. Leider sind die Ausgabenverzeichnisse der Pfarre nicht erhalten. Man kann aber auch auf Eintragungen^' wie 1556, 1557, 1561 verweisen: „Aller Wein, so ich zu dem Speisen, auch sonst zu anderer Notdurft in die Kirche geben ... 62 Kannen." Die Möglichkeit, daß der Johanniswein an die Stelle des Speisweines^' trat, wie man den Kommunionwein im Gegensatz zum Opferwein, den Meßwein, bezeichnete, ist abzu lehnen. Für diese Begründung ist es allerdings notwendig, etwas weiter auszuholen. Schon in der Lichtamtsrechnung 1493 findet sich eine Ausgabe für Wein: „Item am Antlaßtag, so man das Volk gespeiset hat." Jahr für Jahr finden sich nun solche Eintragungen: So 1497 „Item Palmsonntah zum Speisen 4 Kandl Wein Antlaßtag 8 Kandl Wein Karfreitag 5 Kandl Wein und 1 Maß Ostertag 5 Kandl" oder 1515 „Um Speiswein zu Ostern 21 Kandl" oder 1524 „Item 18 Kandl Wein % Mäßl, die man gebraucht hat das Volk zu speisen und zum Altarwaschen" oder 1565 „In die Kirche den Leutten zum Speisen Wurst 8 Achterin Wein" Die weiteren Eintragungen ergeben nichts Neues. „Zum Speisen", „Speiswein" heißt es immer wieder. Wird nicht die Jahressumme angegeben, so werden die Summen von Ostern, von Ostern und Pfingsten, seltener auch von Ostern, Pfingsten und Weihnachten angeführt. In den Lichtamtsrechnungen laufen diese Eintragungen bis 1597. Der Abbruch ist zu diesem Zeitpunkt nicht überraschend, denn in diesem Jahr wurde die Pfarre wieder katho lisch besetzt. Da die Stadt auf die Auswahl des Pfarrers keinen Einfluß hatte, weil die Pfarre ja kaiserlich!^ war, verlagerten sieh, sobald wieder evangelische Gottesdienste möglich waren, ' Wie weit in Wels auch der Patrozinium-Wechsel eine Rolle für die Ausübung dieses Brauches am Johannis tag im Juni und im Dezember spielt, bleibe dahingestellt. R. Zinnhobler, Das Patrozinium der Stadtpfarr kirche in Wels. OÖ. Heimatblätter 13, Linz 1959, S. 289 ff. ' Jahn, Opfergebräuche, S. 46; E. Burgstaller, Met im oberösterreichischen Brauchtum. OÖ. Heimatblätter X (1956) H. 1/2, 85 H. 1» P. Sartori, a. a. O., III 233. " Es ist auch mit der Verwendung von eigenem Wein zu rechnen. 1595 ist der Verkauf eines Weingutes des Lichtamtes in „Oberleoben in Unterösterreich" in der Lichtamtsrechnung verzeichnet. !' Speiswein wird gelegentlich auch bis zum Johannistag im Juni verzeichnet, so 1548 und 1549. " Rotwein wird 1564 und 1580 genannt. " R. Zinnhobler, Das Ausscheiden der Stadtpfarre aus dem Verband von Kremsmünster. Jb. d. Musealvereines Wels 1957, S. 52 ff - R. Zinnhobler, Die Bestellung der Welser Stadtpfarrer in vorjosephinischer Zeit. 1 I.Jahr buch d. Musealvereines Wels 1964/65, insbes. S. 147. — R. Zinnhobler, Die Zugehörigkeit von Falkenstein zum Verband der Kremsmünsterer Pfarreien. Jb. d. OÖ. Musealvereines, Bd. 109, Linz 1964, S. 284—318, bes. S. 287.

diese in die Spitalskirche, die bis zum endgültigen Sieg der Gegenreformation als evange lische Stadtpfarrkirche" diente. Sie wurde sogar 1612-1614 neu aufgebaut und den neuen Bedürfnissen angepaßt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß Eintragungen über den Ankauf von Speiswein in den Lichtamtsrechnungen fehlen. Umso mehr ist es aber über raschend, daß sie 1622 wieder einsetzen und nun als „Speis- und Opferwein" eine ständige Eintragung werden. Soweit Mengenangaben gegeben werden, entsprechen sie der Zeit vor 1597 oder liegen zum Teil noch wesentlich darüber. Während sich in einzelnen Hinweisen von 1493 und 1524 deutlich ergibt, daß die Bevölkerung die Kommunion unter beiden Gestalten empfing, fehlt ein solcher Hinweis nach 1622. Nur der Ausdruck Speis- und Opferwein sowie die Mengenangaben sprechen dafür. Dazu kommen noch Eintragungen, die sich auf die Kapuziner beziehen. 1641 heißt es „Dann ist dies Jahr in Opfer und Speiswein, auf was zu den Herrn Capuzinern wegen der österlichen Communion geben worden: nach Befund . . . der Aufgänge 98 Ächterring 1% Seitl." 1644 auf Begehren des Pfarrers den PF Capuzinern „der Jenige wein So Sie drey Jahr lang auf die Speisieith in Ihrer Kirche hergeben, wiederumber erstath, vnd füer zween Emer L(aut) schein bezahlt worden 12 fl." 1648 den PP Capuzinern wegen darge gebener österlicher Communion 2 Eimer Wein 13 fl. 1650 den Capuzinern wegen dargebotenen Communions Wein 2 Eimer Wein 16 fl. 1652 den PP Kapuzinern 2 Eimer Wein „wegen dargegebenen Speiswein zur öster lichen Zeit" 18 fl. 1653 den PP Kapuzinern 2% Eimer Weinen wegen des in der österlichen Zeit „dargebnen Speis- und Communion weins" 21 fl. (gleiche Eintragung 1655 und späterhin noch öfters). 1663 und 1664 den PP Capuzinern für österliche Communion „und durch Sye dargegebenen Speiß Weins". Ab 1665 ändert sich die Form der Eintragung und es ist nur mehr vom Deputatwein die Rede. Aber aus den angeführten Stellen ergibt sich deutlich, daß die Kapuzinerpatres die österliche Kommunion durch längere Zeit auch im 17. Jahrhundert unter beiderlei Gestalt spendeten und daß wir daraus schließen dürfen, daß der Ausdruck Speis- und Opfer wein in den Lichtamtsrechnungen wenigstens in der gleichen Zeit ebenfalls als Zeugnis dafür angeführt werden können. 2. Totenkronen Über die Verwendung von Totenkronen, die meist aus Gold- und Silberflitterwerk mit Blumen und Bändern, aber auch mit bunten Steinen in Form einer Art Tiara, in man chen Gegenden aber auch aus Messing oder Zinn, gearbeitet wurden, schreibt A. HaberK. Holter, Die Welser Maurer und Steinmetzen von 1470-1625. Ein Beitrag zur Baugeschichte der Stadt Wels. Jb. d. Musealvereines Wels 1954, S. 81-126. - G. Trathnigg, Zur Baugeschichte der ehemaligen Spitals kirche in Wels. 7. Jb. d. Musealvereines Wels 1960/61, S. 203—205. — G. Trathnigg, Archivalische Vorarbeiten zur österr. Kunsttopographie, Ger.-Bez. Wels. 3. Teil. Kirchen, Klöster und Kapellen in Wels. Wien 1968, S. 167-190. - G. Trathnigg, Archivalische Vorarbeiten zur österreichischen Kunsttopographie, Gerichts bezirk Wels, 4. Teil: Öffentliche Gebäude, Burgen und Schlösser in Wels. Wien 1968, S. 4—34. Über heimliches Waldensertum dieser Zeit vgl. G. Hamman, Cordatus Leombacensis. Jb. d. OÖ. Museal vereines 109, 1964, insbes. S. 259 bis 266. Über die „Schule" der Albigenser in Wels siehe W. L. Riehs, Das Minoritenkloster unserer lieben Frauen zu Wels. Dissertation Graz 1967, S. 19. - Über die doch anders ge lagerten Verhältnisse im Innviertel vgl. Peter Eder, Die Kelchbewegung im 16. Jahrhundert im Innviertel. Jb. d. OÖ. Musealvereines III, 1966, 317-336.

landt^ daß sie „im Sinne der indogermanischen Totenhochzeit (O. Schräder) Jünglingen und Jungfrauen auf den Sarg gestellt wurden. Außer ihren Verbänden haben Handwerker innungen zulängst den Brauch bewahrt". Unter anderem beruft er sich auf O. Lauffer'', der dabei eine Totenkrone der Flößerzunft in Wels abbildet. Im Burgmuseum in Wels befinden sich vier Totenkronen. Drei davon stammen von der Zunft der Maurer und Steinmetze, eine aber aus einem Bürgerhaus'. Dies stimmt zu den Erinnerungen von R. Berlinger, daß bei Begräbnissen in Linz^ Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Sarg zwei Metallkronen gestellt wurden. Solche bildet auch Gommenda aus der Wallfahrtskirche auf dem Pöstlingberg® ab. Ahnlich ist die Totenkrone aus Zinn und Messing, die F. Lipp» aus dem Salzkammergut in seinen Führer „Erlesenes Volksgut" aufgenommen hat. Zu diesem Brauch schreibt er, daß er vereinzelt noch nach dem ersten Weltkrieg im Salzkammergut geübt wurde. Die beiden bei Gommenda und Lipp abgebildeten Totenkronen sind barock. Daß Handwerkerinnungen den Brauch lange übten, hängt sicher damit zusammen, daß nach den bekannten Zunftordnungen die Teilnahme an Leichenbegängnissen der Zunftgenossen eine bedeutende Rolle im Brauchtum der Zünfte spielten. Dafür hatten die einzelnen Zünfte entsprechende Gegenstände' in ihrem Besitz. Neben vereinzelt genannten Totenkronen sind es vor allem die Bahrtücher, Sargkreuze, zum Teil auch Kerzenleuchter, Zunftschilde und anderes, die wir aus Berichten oder aus Museumssammlungen kennen. Die Statuten der Welser Flößerinnung» enthalten noch 1858 die Bestimmung, daß für ver storbene Mitglieder Leichenkosten in jeweils bestimmter Höhe bezahlt werden und daß die Konduktsrequisiten von der Herberge beigestellt werden. Als solche werden 16 Kon duktsmäntel, 1 schwarzes und ein weißes Bahrtuch, 1 Kruzifix, 4 Kronen, 4 Flöre und 10 ölfackeln angeführt. Die Verwendung der Totenkronen auf Unverheiratete einzuschränken, besteht in unserer Gegend kein Grund. Die angeführten Berichte geben dafür keinen Anhaltspunkt und man wird sich fragen müssen, ob in unserem Bereich für ein hohes Alter der Toten kronen überhaupt Hinweise vorliegen. Wenn man in den Ratsprotokollen noch 1587» liest, daß nur Kindbetterinnen und schadhaften Personen eine „Truhen" verwilligt werde und im folgenden Jahr geklagt wird, daß alle ihre Verstorbenen in „Truhen" legen wollten, so spricht dies nicht für ein hohes Alter, abgesehen davon, daß alle erhaltenen Beispiele ausgesprochene Barockformen zeigen. Auch in den Lichtamtsrechnungen finden sich nur jüngere Berichte'» über die Totenkronen; 1746 und 1758: Barbara Springlin, Kränzlbinderin: Umbinden und Ausbessern der Totenkronen 1748: Leihgebühr für Totenkronen 1749: Margaretha Fuxlegerin „Bliemblmacher" für Reparatur der Totenkronen ' Taschenwörterbuch der Volkskunde Österreichs, Wien, 1959 II, 112. » Zeitschrift für Volkskunde, 26, 225 ff., Abb. 7. » Inv.-Nr. 3613. * Kleine Linzer Erinnerungen. Volksblatt 1931, 20. 9. » Gommenda, Stadtvolkskunde von Linz, II, Abb. S. 352. • Fr. Lipp, Erlesenes Volksgut der Alpenländer, vornehmlich des Salzkammergutes. Katalog Nr. 28 des oö. Landesmuseums. Linz 1968, 78, ' Für Linz siehe Gommenda, a. a. O., I, 228. » K. Meindl, Geschichte der Stadt Wels, Wels 1878 II, 41. » Ratsprotokoll Wels 1587, fol. 147 und 1588, fol. 194. '» G. Trathnigg, Kirchen, Klöster und Kapellen in Wels. Archivalische Vorarbeiten für die Kunsttopographie, Ger.-Bez. Wels, Bd. 3. 1968, S. 84 f.

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