OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 1/2

Zum Welser Meistersang Gilbert Trathnigg Über den Meistersang^ in Wels unterrichten uns die beiden Sammelhandschriften von Thomas Stromair und Paulus Freudenlechner. Die Sammlung Stromairs^ trägt den Titel „1577/Gesangbuch Teu/dscher Meistergesang aus Ald vnnd/newen Testament". Nach seinen eigenen Worten hat er am 10. August 1578 die Niederschrift beendet „Beschrieben vnnd vollendet am Tag Laurentzy das ist den Zechenten tag Augusty, Anno Dominy Amtausent fünffhundert achtvnnd sibentzigisten Jar. Thoman Stromayr, mein Aigen HandschrifTt". Von Freudenlechner' fehlen so klare Hinweise auf Beginn und Ende seiner Tätigkeit. Da er jedoch selbst als Meistersinger Lieder dichtete, kann man danach die Zeit seiner Hand schrift näher bestimmen. Das älteste Meistersingerlied, das von ihm bekannt ist und nur in der Sammlung Stromairs steht, entstand am 4. 8. 1576. Er selbst verzeichnet erst eines vom Jahre 1578. Sein letztes Lied hat er 1616 in Eferding, wo er seit November 1616 nach weisbar ist, gedichtet. Ob er in diesem Jahr starb oder ob er unter dem Druck der Gegen reformation nicht mehr dichtete oder auswanderte, wissen wir nicht. Der Inhalt seiner be kannten Lieder ist ja ebenso wie der seiner Zeitgenossen ausgesprochen protestantisch. Außer Freudenlechner sind in den beiden Handschriften noch Georg Ghulich, Thomas Mayr^, Johann Schmitmayr, Abraham Wardberger', Georg Schmidmair' mit Liedern ver treten, bei denen entweder ausdrücklich Wels angeführt sind oder die in anderen Welser Quellen nachweisbar sind; vielleicht waren auch C. Mayr und Hieronymus Rieger in Wels. Das Bestehen einer Welser Meistersingerschule schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts' läßt sich aus Gedichten von Hans Sachs nachweisen. Die thematische Untersuchung'*' der Lieder der beiden Welser Meistersinger-Handschriften ergab, daß die Meistersinger von ihren Mitgliedern eine, wenn auch beschränkte, Beschäftigung mit den sieben freien Künsten verlangten. Da ein großer Teil der Lieder religiösen Inhalt hatte, war eine eingehende Be schäftigung mit der Bibel Voraussetzung für die Beurteilung der Lieder anderer wie für das Dichten eigener Lieder. Der Aufbau der Lieder gleicht weitgehend dem Aufbau einer Predigt. Bei öffentlichen Schulen wird immer wieder betont, daß die Lieder Gott zu Lob und Preis und zur Belehrung der Hörer gesungen werden. Zu den bisher bekannten Nachweisen der Welser Meistersinger ist wohl auch eine Nachricht aus den Ratsprotokollen von 1587 zu stellen: 1587, 23. 9. (155) Etliche Handwerksleute „haben mit geistlichen liedersingern vnnd zum thail hernach tritzigen Worten verursacht, das Sy Zu Lambach auf dem Kirchtag hinein in das Closter Tractiert, vnnd etlich darunter gestrafft worden . . .". Eindeutiger ist hingegen die Nachricht aus der Stadtgerichtsrechnung' des Jahres 1609: 1 G. Trathnigg, Die Welser Meistersingerhandschriften. Untersuchungen zum Welser Meistersang. Jb. d. M. Ver. Wels 1954, S. 127-180, zuletzt Bert Nagl, Meistersang. Stuttgart 1962, Sammlung Metzler, Realien bücher für Hummanisten. Abt. Literaturgeschichte. ' a. a. O. S. 133-143. » a. a. O. S. 144-167. * G. Chulich und Th. Mayr: a. a. O. S. 134, 170, 173 ff. ' J. Schmitmayr, A. Wardberger: a. a. O. S. 134, 171, 173 ff. ° G. Schmidmair: a. a. O. S. 147, 172, 173 ff. ' C. Mayr und H. Rieger: a. a. O. S. 134, 171, 173 ff. » a. a. O. S. 131 f. »b a. a. O. S. 142 f., 175. ' G. Trathnigg, öffentliche Gebäude, Burgen und Schlösser in Wels. Archivalische Vorarbeiten zur Öster reichischen Kunsttopographie, Gerichtsbezirk Wels, Bd. 4 S. 71.

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