OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 1/2

JAHRGANG 24 1970 HEFT 1/2

Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde von Oberösterreidi Sdiriftleiter: Universitätsdozent OR. Dr. Emst Burgstaller Jahrgang 24 Heft 1/2 Jänner — Juni 1970 INHALT Der Millionär von Windhaag. Der Aufstieg Joseph Mittermüllers und der Niedergang seiner Familie von Max Neweklowsky Die Pechölsteine im Gebiet von Unterweißenbach und Kaltenberg von Josef Fürst und Franz Schaufler Eine Anleitung zum „Kienöhl"- und „Thermachen" aus dem 18. Jahrhundert von Gilbert Trathnigg Zum Welser Meistersang von Gilbert T rathnigg Maibuschen, Madkrüge, Pyramiden und Kronen in Welser Kirchen von Gilbert Trathnigg Zur Geschichte des Welser Theaters von Gilbert Trathnigg Bausteine zur Heimatkunde Das „Hochhauß" zu Liebenstein von Anton Mitmannsgruber Spruch gegen die Drud von Wladimir Obergottsberger Die Wappen der Städte, Märkte und Gemeinden Oberösterreichs (2. Nachträg 1963 bis 1969) von Herbert Baumert Schrifttum

Zuschriften an die Schriftleitung: Universitätsdozent OR. Dr. Ernst Burgställer 4020 Linz a. d. D., Landstraße 24/111, Ruf 26 4 26 Zuschriften an den Verlag: Institut für Landeskunde von Oberösterreich, Linz a. d. D., Landstraße 24/III, Ruf 26 4 26 Druck: Oberösterreichischer Landesverlag, Linz a. d. D.

Der Millionär von Windhaag Der Aufstieg Joseph Mittermüllers und der Niedergang seiner Familie Von Max Neweklowsky Windhaag bei Freistadt ist gleich dem gesamten Gebiet des alten Freiwaldes, an dessen westlichem Rand es liegt, kein Boden, auf dem man Millionär werden kann. Der Ertrag der Fluren ist karg. Sie bergen keine Bodenschätze, es sei denn der Granit, der aber, gleich dem Holz, erst spät durch die Initiative kapitalskräftiger Unternehmer von auswärts und unter Einsatz neuartiger Transportmittel in größerem Ausmaß verwertet werden konnte^. Der untere, westliche Teil der im späten 13. Jahrhundert in den Wald vorgetriebenen Hof ackersiedlung Windhaag genoß zwar seit 1641 die Rechte eines herrschaftlich starhembergischen Marktes und war seit 1704 Sitz einer Pfarre. Aber infolge der Kargheit des um gebenden Landes brachte die Lage am Fernweg von Freistadt nach Zettwing dem Ort nur geringen Gewinn, besonders da nach dem 30 jährigen Krieg der Durchzugsverkehr wieder stärker den Weg über Kerschbaum nahm. Auch waren den Marktbürgern in bezug auf Freigeld und Abgaben keine wesentlichen Sonderrechte gewährt worden^. Nur die Besitzer jener Markthäuser, die außer einem Gewerbebetrieb oder dem Brau- und Schankrecht noch über reichlichen Grundbesitz verfügten — es waren dies die wohl auf alte Bauernan wesen zurückgehenden heutigen Häuser Nr. 1, 6, 17, 33 und 36 - konnten es so zu einigem Vermögen bringen. In diesen kleinen, nicht gerade viel verheißenden Marktort kam etwa 1706 ein 24jähriger Maurerbursch namens Joseph Mittermüller. Am 6. Jänner 1682 als Sohn des Bürgers Daniel Mittermüller zu Reichenthal geboren, hatte er im Alter von 16 Jahren den Vater verloren. Da bald darauf auch seine einzige Schwester starb, hätte er als Alleinerbe auf den nut rund 650 Gulden bewerteten väterlichen Besitz rechnen können, der in einem zwar stark verschuldeten, aber wohleingerichteten Bürgerhaus in Reichenthal bestand, das mit der üblichen Menge Ackerland und dem Recht, Bier zu brauen und Salz zu handeln, aus gestattet war. Doch der Mann, den die Mutter nach einem Jahre Witwenstand heiratete, hatte sich als so untüchtig erwiesen, daß sich nach einem weiteren Jahr die alten Schulden auf 800 Gulden verdoppelt hatten. So hatte Frau Anna, welcher das Haus im Alleinbesitz geblieben war, dieses im März 1700 den Gläubigern überlassen müssen, welche es dem ehe maligen Torwart von Schloß Waldenfels verkauften®. Dem Sohne war nichts als die Aussicht auf rund 80 Gulden väterliches Erbe verblieben. Die erste Nachricht von Joseph Mittermüller aus Windhaag besagt, daß er dort am Die Häuser des Marktes Windhaag wurden der Klarheit halber stets mit ihren heutigen Nmnmern bezeichnet, gleichgültig, ob es sich um die Zeit vor oder nach 1770 handelt, in welchem Jahre die Häusernumerierung durch geführt wurde. Zu den alten Maßen, Gewichten imd Geldsorten sei hier bemerkt; Ein Metzen Körnerfrucht, geteilt in 16 Maßl war 611/2 1, ein Eimer Flüssigkeit 56 1, ein Joch rund 5755 m®. Ein Gulden = acht Schilling = 60 Kreuzer = 240 Pfenning. Ein klares Verhältnis des früheren Geldwertes zum heutigen ist schwierig herzustellen. Man kann annehmen, daß der Gulden von 1750 etwas mehr als 100 heutige Schillinge, der von 1835 rund 50 Schilling wert war. Die folgenden Anmerkungen verzichten darauf, bei Matrikendaten die Quelle im zuständigen Pfarrarchiv (PfA.) zu zitieren. Dagegen wurden die Belegstellen aus Beständen des Marktarchivs Windhaag (MA.W.), des ehernahgen Landesgerichtsarchivs Linz (LGA.), der Herrschaftsarchive (HA.), alle im Oberösterreichischen Landesarchiv (GOLA.), angegeben. ' Die Holztrift erwies sich auf der Maltsch als nicht auf die Dauer möglich. Gustav Brachmann, Die Holz schwemme auf der Maltsch, OöHbl. 11 (1957) 154 f. ® Uber die Rechte der Windhaager Bürger vgl. Max Neweklowsky, Vom alten Markt Windhaag, Mühlv. Hbl. 7 (1967), 158 ff. ® » OÖLA. LGA. W 43, 7 ff. und 128.

21. Februar 1707 mit der Brauerstochter Susanne Pils getraut wurde. Mit ihren 37 Jahren war die Braut zwar wesentlich älter als der Bräutigam, und das kleine Haus, in dem sie als jüngste Tochter und Erbin den mehr als 70jährigen Vater betreute, war nur eines jener Kleinhäuser ohne wesentlichen Grundbesitz, wie sie auf dem Gemeindeanger des Marktes Windhaag längs des Baches nach 1600 erbaut worden waren. Zu mehr hatte es der alte Simon Pils, der eigentlich von dem alten Brau- und Gasthaus stammte, das heute die Nr. 6 trägt, nicht mehr bringen können, nachdem ihm 1680 sein Brauwirtshaus am südlichen Eingang zum Markte (heute Nr. 36) niedergebrannt war. Doch eröffneten sich Mittermüller durch diese Heirat verwandtschaftliche Beziehungen zu den bedeutendsten Bürgerfamilien Windhaags - auf nicht weniger als zehn von den etwa 30 damaligen Bürgerhäusern, darunter den größten, hausten Brüder, Vettern, Schwäger oder Neffen seiner Frau^. Auch war die Heirat mit der Tochter eines Kleinhäuslers der wohlfeilste Weg, die bürgerlichen Rechte des damaligen Marktes zu erlangen. Die Marktrechnung von 1709 verrät dies mit den Worten: Joseph Mittermillner gibt Burgrecht alß ain Klainheyßler und nachdem Er aines Burgers Tochter geheyrath, nuer die Helffte mit 45 x®", also 45 Kreuzer statt drei Gulden, die ein zugewanderter Neubürger zahlen mußte, der ein großes Bürgerhaus gekauft hatte. Das auf 226 Gulden geschätzte Haus des Schwiegervaters®, für das samt einem „hereingezaunten Ängerl" dem Markt jährlich ein Gulden drei Kreuzer „Dienst", also Grundsteuer, zu reichen war, erhielt Mittermüller zum Teil wohl als Heiratsgut seiner Frau, zum TeU zahlte er es mit den 83 Gulden Erbschaft ab, die ihm am 15. Oktober 1710 ausbezahlt wurde'. Als guter Sohn nahm er seine alte Mutter zu sich. Bei ihrem Ableben wurde sie im November 1715 im Windhaager Totenbuch als die 66jährige „Anna Mittermillnerin" eingetragen, wohl, weil man sie dort nur unter diesem Namen kannte. Neun Jahre später, am 4. Dezember 1726, wurde seine Frau Susanne begraben, die sich als tüchtige und sparsame Wirtschafterin erwiesen und ihrem Gatten zwei Söhnlein geboren hatte. Am 24. Juni des nächsten Jahres führte Mittermüller abermals eine Windhaagerin zum Altar, die noch nicht ganz 17jährige Elisabeth Scherb, Tochter des eben verstorbenen Bierbrauers und Ackerbürgers Georg Seherb, dessen Haus heute Nr. 17 ist. Sie war eine entfernte Großnichte seiner ersten Frau, was angesichts der damals herrschenden Gewohnheit, stets innerhalb der eigenen sozialen Schicht zu heiraten, nicht wundern darf, und außerdem war sie eine ausgesprochen „gute Partie". Obwohl sie zehn Geschwister hatte, brachte sie eine väterliche Erbschaft von 600 Gulden in die Ehe mit, und nach dem Tode der Mutter erbte sie noch weitere 180 Gulden®. Der bedeutend größeren Mitgift, welche die zweite Frau mitbrachte, entsprach die gehobenere soziale Stellung der Zeugen bei der zweiten Trauung. Bei der ersten waren es der Taufpate des Bräutigams, ein Reichenthaler Bürger, und ein Onkel der Frau gewesen, bei der anderen Vertreter der zwei angesehensten und reichsten Bürgerfamilien Windhaags, der Mairspindter Müller Franz Puchmayr, Sohn des damals schon 72jährigen Marktrichters, und dessen späterer Nachfolger, der Braumeister Carl Jobst vom Hause Nr. 36, damals dem größten Anwesen des Ortes. Aus beiden Umständen läßt sich schließen, wie sehr in den da- * Diese waren der Bruder Georg Pils auf Nr. 15, der Schwager Tobias Pachner auf Nr. 33, die Vettern Zacha rias Pils auf Nr. 6 und 11, Georg Pils auf Nr. 20, Johann Puchmayr, damals Marktrichter, auf Nr. 1, Johann Jobst auf Nr. 36, Elias Gensegger auf Nr. 21 und Adam Gensegger auf Nr. 24 sowie der Neffe Georg Scherb auf Nr. 17. ® OÖLA. MA.W. Sch. 2 (Marktrechnungen 1709). ' Aus den in Anm. 5 und 22 zitierten Quellen erschlossen. ' OÖLA. LGA. W 45, 201. ® Nach der Höhe der später an ihre Geschwister ausbezahlten Erbteile (OÖLA. LGA. R 152, 147) erschlossen.

zwischenliegenden. 20 Jahren Mittermüllers Anwert bei seinen Mitbürgern gestiegen war. Immerhin war er der erste Maurermeister, der sich in Windhaag ansässig machte. Vorher hatte man sich um einen solchen nach Grünbach bemühen müssen. Auch hatte er es nicht versäumt, sich bei passenden Gelegenheiten der Öffentlichkeit als großzügigen Mann vor zustellen, der wußte, was er seinem Rufe schuldig war. Bei seiner ersten Hochzeit waren sieben Eimer, „zu seiner Muetter Conduct" zwei Eimer Bier aufgegangen®. Wie viel es bei der zweiten Hochzeit waren, ist leider nicht überliefert. Außerdem führte er in seinem Klein haus am Windhaager Bach (heute Nr. 28) eine wahrscheinlich schon von dem 1710 ge storbenen Schwiegervater Pils übernommene kleine Krämerei. Die ländlichen Haushalte jener Zeit stellten zwar Nahrung, Kleidung und Arbeitsgerät zum größten Teil selbst her, doch eröffnete die Lage des Hauses an der Ausfallstraße nach Nordosten den Weg in ein weites Einzugsgebiet, aus dem wöchentlich mindestens einmal Scharen von Menschen nach Windhaag kamen, denn die Pfarre Sandl wurde erst 1742 gegründet. Daß Mittermüller aber 1722 von der Gemeinde um neun Gulden einen kleinen Grund nahe dem Pfarrhot kaufte, wo er dann gleich einen Stadel errichtete, der öfters auch als Holzhütte bezeichnet wurdet®, läßt vermuten, daß er sich von seinen Kundschaften auch in Form von Landes produkten oder Holz bezahlen ließ. Dies alles mußte entsprechend gelagert werden, ehe es mit Gewinn weiterverkauft werden konnte. Dem klugen Manne mußte es damals schon klar geworden sein, daß der nächste Weg zu Gewinn und Reichtum über den Großhandel führte. Schon verfügte er über die Ge schäftsverbindungen und das Kapital, die Erzeugnisse fleißiger Hände in der näheren Um gebung aufzukaufen, um sie dann anderswo abzusetzen, wo man für Garn und Zwirn, Gerste und Hafer, Holz und Pech mehr löste als im Waldland an der böhmischen Grenze. Was ihm noch fehlte, war nur mehr ein günstig gelegenes Haus mit entsprechend großen LagerAcht Jahre nach seiner zweiten Heirat bot sich endlich die Gelegenheit, ein solches Haus in Windhaag zu erwerben. Es war zwar keines der alten Bauernanwesen, so daß es nicht über genügend Grundbesitz verfügte, um seine Bewohner durch die Landwirtschaft zu ernähren. Auch lag es nicht am Marktplatz, wo sich das Kirchenvolk traf und die Fahrstraße von Freistadt nach Zettwing durchging. Vermutlich ist es erst um 1600 unten am Bach erbaut worden, wo man der jährlich drohenden Hochwässer wegen erst nach und nach sich hinzu bauen gewagt hatte. Seit 1633, mit welchem Jahr es zum erstenmal mit Sicherheit in einem Urbar festzustellen ist^^, hatten es neun Besitzer innegehabt: je zwei Fleischhauer und Bier brauer, je ein Lederer, Leinweber, Schuster und Schmied, aber keiner hatte es lange behalten, sondern immer wieder, von Schulden bedrängt, verkaufen müssen^® oder rasch losgeschlagen, um anderswo sein Glüek zu versuchen^®. Der Bierausschank, mit dem es die meisten Besitzer versucht hatten, war stets nach einigen Jahren guten Geschäftsgangs wieder aufs kläglichste zurückgegangen, denn zu viele Häuser Windhaags genossen das Braurecht, und Bier zu verleutgeben stand eigentlich jedem Bürger des Marktes frei^^. Unter seinem » OÖLA. MA.W. Sch 2. Ebenda, Sch. 3. OÖLA. HA. Starhemberg, Bestand Riedegg, Sch. 150, Nr. 12. So der Brauer Georg Pils, ein Vetter von Mittermüllers erster Frau, der das Haus 1727 an Johann Paul Wallner verkaufte und 1736 als Inwohner starb. So der Fleischer und Wirt Paul Krackowitzer, der später nach Leopoldschlag zog, der Stammvater einer für Oberösterreich bedeutungsvollen Familie. 1705 verleutgebte sogar der Bader Christoph Hellich auf seinem kleinen Haus Nr. 30 nicht weniger als 124 Eimer Bier (OÖLA. MA.W. Sch. 2).

Besitzer Johann Paul Wallner war es auf die letzte Stelle unter den fünf Brauern und aeht Leutgeben zurüekgefallen, die es damals in Windhaag gab. So mußte Wallner mit Kauf vertrag vom 5. Dezember 1735 das heruntergewirtschaftete Anwesen dem kapitalskräftigen Maurermeister um 780 Gulden überlassen, um 20 Gulden weniger, als es ihn selbst vor acht Jahren gekostet hatte. Als er am letzten September 1736 die zweite und letzte Rate dieser Summe quittierte, blieben ihm von dem Gesamtbetrag nach Befriedigung seiner zahlreichen Gläubiger nur 183 Gulden übrig^^. Die etwas abseitige Lage des neuerworbenen Hauses war für Mittermüller kein Nachteil. Durch sie beherrschte es, ähnlich seinem kleinen Krämerhaus, die Einzugsstraße vom Frei wald und wurde andererseits vor den großen Schadenfeuern bewahrt, die 1841 und 1872 die geschlossen verbauten Teile des Marktes verheerten. Der erneuerungsbedürftige Zustand des Anwesens aber war ihm Anlaß, es so umzubauen, wie er es für seine Zwecke benötigte. Die Brauerei mußte zu einem wirklich leistungs- und konkurrenzfähigen Betrieb umgestaltet werden, und außerdem war eine große, behagliche Gaststube und reichlich Raum für all das zu schaffen, womit Mittermüller zu handeln gedachte. Bauherr und Baumeister zugleich, machte er sich unverzüglich an die Arbeit. Da sie rasch vor sich gehen mußte und nicht allzu kostspielig werden durfte, wurden die etwa einen Meter dicken Außenmauern des Neubaus nicht aus massiven Granitblöcken errichtet, die man erst mühsam herbeischaffen hätte müssen, sondern man mauerte aus Granitsteinen je eine dünne Außen- und Innenwand auf und füllte dann den Zwischenraum mit dem Bauschutt von den abgerissenen Teilen des Anwesens. Das Wohn- und Wirtshaus - es besteht heute noch und trägt die Nummer 20 — hat Mittermüller von Grund auf neugebaut. Dies verraten in den rund 36 Quadratmeter großen Stuben zu ebener Erde und im ersten Stock zwei mächtige Rüstbäume, die neben volkstümlichen Ornamenten die Jahreszahl 1736 und die Buchstaben I M M zeigen^®. In der ebenerdig gelegenen Gaststube kommen dazu noch die Buchstaben M I I, die wohl auf die Zimmerleute Matthias und Johann Jahn vom Hause Windhaag 12 hinweisen. In dem etwa 95 Quadratmeter umfassenden Brauereitrakt, der sich im rechten Winkel nach Nordosten anschloß und infolge des dort aufsteigenden Geländes gegen hinten in der Erde lag, war eine vom Schwabenberg kommende Wasserader zu einer aufsteigenden Quelle gefaßt, so daß Küche und Brauerei stets über frisches Wasser verfügten. Mit dem wieder bis zur Straße reichenden Stall- und Scheunentrakt - dies alles wurde vor etwa 20 Jahren abgerissen - und dem Wohnhaus war so ein etwa 29 Meter breiter Dreiseit hof entstanden, dessen geräumigen Hofplatz eine Mauer mit breitem Tor vor der Bachstraße abschloß. Die Dungstätte lag, eigentlich ganz modern, außerhalb des Gehöfts neben dem Stall, wo sich der Boden weiter nach Osten absenkte"^'. Schon sechs Jahre nach dem Neubau war der Ausstoß von Mittermüllers Brauerei mit 372 Eimern jährlich auf die dritte Stelle unter den Brauern und der Ausschank mit 78 Eimern an die Spitze aller Wirte im Markt gestiegen, und so weit es sieh an der Hand der Brau- und „Täzraittungen" verfolgen läßt, hielt sich sein Bierausschank jahrelang an erster Stelle, während der Ausstoß noch an die zweite trat^®. Wie lebhaft es zuweilen in Mitter müllers Gaststube zugegangen sein muß, beweist die Aussage des Schulmeisters Durch einander, der in einem gütigen Verhör gestand, daß er „den 15. Jenner 1740 nachmittags " OÖLA. LGA. R 152, 140. Ing. Josef Messenböck erwähnt ihn in „Sinnbilder in Oberdonau" (Der Heimatgau 1, 116). " Plan des Hauses von 1838 in OÖLA. HA. Freistadt, Seh. 249. " OÖLA. MA.W. Sch. 3.

und auch die ganze Nacht hindurch mit denen Putschen in dem Wirtshaus bey den Maurer in Windhaag getrunkhen" habe. Da es damals im ganzen Ort keinen Wirt namens Maurer gab, kann es sich nur um das Wirtshaus des Maurermeisters gehandelt haben". Daneben führte Mittermüller, mit Hilfe mehrerer Dienstleute natürlich, auch die Land wirtschaft des neuerworbenen Anwesens weiter. Wie es damit stand, geht aus den Angaben des 1750 angelegten Theresianischen Gültbuchs hervor, die allerdings, wie es ja immer bei Vermögenseinbekenntnissen gegenüber der Steuerbehörde gehalten wird, ziemlich unter trieben sind". Zumindest für den Viehstand ergibt dies ein Vergleich mit den Angaben in der Verlassenschaftsinventur nach dem Tode Mittermüllers vier Jahre später. Als jährliche Nutzung vom Gewerbe - Mittermüller erscheint hier nur als „Maurer Maister" - ist ein Betrag von 30 bis 35 Gulden angegeben. Einem Durchschnittsanbau von zweieinhalb Metzen Korn, vier Maßein Gerste, dreieinhalb Metzen Hafer und vier Maßein Leinsamen entsprach in mittleren Jahren eine Ernte von zehn Metzen Korn, zwei Metzen Gerste, zwölf Metzen Hafer und sechseinhalb Pfund Flachs. Von einem Tagwerk Wiesen brachte man angeblich jährlich nur je zwei Fuhren Heu und Grummet ein, so daß zimi Unterhalt des Viehs, das aus einem Pferd, zwei Ochsen, einer Kuh und einem Schwein bestand, noch Futter dazugekauft werden mußte. Für sein Anwesen mit den dazugehörigen Gründen hatte Mittermüller der Herrschaft Reichenau jährlich folgende Abgaben zu leisten; zehneinhalb Kreuzer Dienst, einen Gulden drei dreiviertel Kreuzer Landsteuer, eineinhalb Gulden Robotgeld, zwölf Kreuzer Ablöse für ein Pfund Flachs und zwei Kreuzer Kühgeld; der Herrschaft Freistadt für eine Überländwiese einen Gulden 25 Kreuzer Dienst und dem Staat eineinhalb Gulden Rüstgeld, eine Art Kriegssteuer, die durch die Herrschaft Reichenau, u. zw. damals in sechsfacher Höhe, eingehoben wurde. Von dem Zehent waren zwei Drittel der Herrschaft Reichenau, zwei Neuntel dem Stift St. Florian, dem die Pfarre gehörte, und ein Neuntel dem Pfarrer von Grünbach zu reichen. Außerdem gebührten dem Pfarrer von Windhaag noch viereinviertel Kreuzer Opfergeld und 48 Kreuzer „neuer Geldzutrag^^". Da Mittermüller sein kleines Krämerhaus behielt, verzeichnet ihn das Theresianische Gültbuch noch ein zweitesmal, u. zw. als „Kramer und Klainheusler — frequentiert keine Jahrmärckht". Für dieses Haus, als dessen Nutzung vier Gulden jährlich angegeben sind, und ein Fleidlgrundstück, eine Tagwerk große Wiese, die eine Fuhr Heu im Jahr ein brachte, war jährlich ein Gulden Dienst zu zahlen^^. Für diejenige Unternehmung Mittermüllers aber, die im Laufe der Zeit alle anderen an Umfang und Ertrag übertreffen sollte, mangelt es an unmittelbaren Aufzeichnungen. Das Steuersystem seiner Zeit, eigentlich nur auf Grundbesitz begründet, kannte weder Einkommennoch Umsatzsteuer im heutigen Sinn und nahm daher von seinen Großhandelsgeschäften mit Garn und Zwirn und Landesprodukten aller Art keine Notiz. Das Theresianische Gült buch bezeichnet ihn im Gegensatz zu manchen seiner Mitbürger nicht als „Zwirndler^®". Gelddienst, Landsteuer und Robotgeld zusammengerechnet, steht er nach den Besitzern der Markthäuser Nr. 8, 36, 17, 33, 1 und 6 erst an siebenter Stelle. Das ihm vorgeschriebene " OÖLA. HA. Freistadt, Sch. 249. OÖLA. Theresianisches Gültbuch, Ma 364, Markt Windhaag Nr. 6. Die zu niedrigen Angaben gehen nicht auf Mittermüller, sondern auf die Herrschaft Reichenau zurück, die auf diese Weise geringere Besteuerung zu erreichen trachtete. PfA. Windhaag b. Fr., Bd. 1 (Pfarrerrichtungs-Receß), S. 68. OÖLA. Theresianisches Gültbuch, Ma 365, Markt Windhaag Nr. 21h. U. zw. die Besitzer der Häuser Nr. 17 (Leopold Mader), 21 (Georg Gensegger), 24 (Melchior Dreiling), 33 (Franz Jobst) und 36 (Carl Jobst).

Rüstgeld betrug weniger als die Hälfte dessen, was die Besitzer der Häuser Nr. 6, 8, 33 und 36 zu leisten hatten. Aber er hatte im ersten Stock seines neuerbauten Hauses, wie noch die Legende auf dem Plan von 1838 besagt, zwei geräumige Schüttkästen geschaffen, die zusammen mit dem riesigen Dachboden einen Lagerraum von rund 300 Quadratmeter Bodenfläche bildeten. Und dort waren, wie das Inventar von Mittermüllers Hinterlassenschaft vom 4. Februar 1754 verzeichneb'^, nicht weniger als 223 Metzen Hafer, 168 Metzen Korn, 227 Metzen Gerste und 230 Metzen Malz sowie 2860 Pfund Garn und 2254 Pfund Zwirn, also doppelt gedrehtes Garn, verschiedener Sorten aufgestapelt, wozu 231 Klafter Holz, 400 Pfund Pech und 10 Metzen Asche in und bei der Holzhütte kamen. Diese riesigen Vorräte, zusammen auf rund 4200 Gulden geschätzt, die den Bedarf jedes bürgerlichen Haushalts weit über stiegen, warteten offenbar nur auf das winterliche Ansteigen der Preise, um dann verhandelt zu werden. Geliefert hatten sie mit anderen die mehr als 90 Bauern und Häusler aus Elmberg, Piberschlag, Mairspindt, Zettwing, Hundsberg, Oberwindhaag, Predetschlag, Hacklbrunn, Sandl und von der Schanz, welche mit Beträgen von 50 bis 150 Gulden in der erwähnten Hinterlassenschaftsabhandlung als Schuldner Mittermüllers aufscheinen. Im Ausmaß von insgesamt über 7000 Gulden hatten sie bei dem Maurermeister, Krämer, Brauer und Wirt Schulden gemacht oder Darlehen aufgenommen. Diese waren gewährt worden, allerdings mit einer gewissen Vorsicht, denn die Verlassenschaft weiß nichts von zweifelhaften oder un einbringlichen Schulden, und gegen eine Verzinsung von jährlich 10 Pfennig für den Gulden, was einem durchaus erträglichen Zinsfuß von 4 i/e % entspricht. Beim chronischen Bargeld mangel auf dem Lande lag es nahe, die Rückzahlung in Form von Naturalerzeugnissen auszubedingen. Welche Bewertungen dabei ausgehandelt worden waren, ist nicht überliefert. Sicher ist allerdings, daß das Garn, wenn es in solchen Mengen zur Abdeckung von Schulden dem Gläubiger als Handelsware geliefert wurde, den armen Leinwebern in unheilvoller Weise verknappt und verteuert werden mußte^®. Mittermüllers Abnehmer aber waren wohl zum guten Teil jene Kaufleute in Freistadt, Steyr, Waidhofen, Kirchdorf, Salzburg und Schwaz, deren Namen die Liste der Schuldner in der Verlassenschaft ebenfalls aufzählt. Sie hatten offenkundig auf Ziel gekauft, brauchten also ihre Verbindlichkeiten, zusammen 3730 Gulden, nicht zu verzinsen. Schließlich konnte es Mittermüller nur mit Hilfe solcher ausgedehnter Handels- und Kreditgeschäfte zu einem so riesenhaften Vermögen bringen, wie es die Verlassenschafts abhandlung als Endsumme ausweist: Mit einem Bruttovermögen von 25.875 Gulden drei Schilling 23 Pfennig war er nicht nur der reichste Mann von Windhaag und Umgebung geworden, sondern sein Nettovermögen von 19.963 Gulden übertraf das seiner meisten nicht adeligen Zeitgenossen im Lande ob der Enns, einige schwerreiche Stadtbürger von Linz und Steyr ausgenommen^'. Nach dem Verhältnis der Getreidepreise entspräche dieser Summe heute ein Vermögen von mehr als zwei Millionen Schilling. Trotz der schon angeführten bedeutenden Guthaben, zu welchen noch weitere Schulden, darunter die eines Sohns und eines Schwiegersohns mit rund 3740 Gulden, kamen, fand sich in Mittermüllers Nachlaß Bargeld im Wert von mehr als 6600 Gulden. Neben solchen Be- " OÖLA. LGA. R 166, 19 flf. und HA. Freistadt, Hs. 169, 140 f. Was durch mehrfache Beschwerden der Leinweber bei der Landeshauptmannschaft bewiesen ist. (Alfred Marks, Das Leinengewerbe imd der Leinenhandel im Lande ob der Enns. Jb. d. Oö. Musealvereins 95 (1950), S. 220 f. und 251. " So etwa die Linzer Schiffmeister Johann Michael Scheibenpogen (LR. B II B 1, 110) und Franz Winkler (ebenda, B II B 2, 520).

trägen wirken die übrigen Besitztümer des Verstorbenen eher bescheiden, doch sei einiges aufgezählt, denn daraus ergibt sich erst Klarheit über den damaligen Wert des Geldes. Trotz des Umbaus wurde das Brau- und Gasthaus samt Nebengebäuden und Hausgründen, der Holzhütte auf Gemeindegrund und einem Heidlgrundstück, dann einem Pferd, Wagen, Pflug und einer Egge sowie einem Hahn und einer Henne mit nur 780 Gulden bewertet, das Überländhäusel mit einem kleinen Anger, je einem Heid- und Kohlstattgrund und einem kleinen Garten mit 200 Gulden. Ein weiteres Pferd schätzte man auf zehn Gulden, vier Ochsen auf 70 Gulden, vier Kühe auf 30 Gulden, sieben Schweine auf 24 Gulden und acht Schafe auf sechs Gulden. Vom Wert der übrigen Fahrnisse mit rund 215 Gulden entfielen 44 Gulden, also der Wert von sechs Kühen, auf die „Leibsclaidter" des Verstorbenen, wohl hauptsächlich infolge der vielen silbernen Knöpfe, Schnallen und Borten, mit welchen er sein Gewand ausgestattet hatte. Gläubiger hatte der Millionär von Windhaag keine gehabt. Lediglich ein Ausstand von Taz, Braugeld und Aufschlag von 70 Gulden und der laufende Jahreslohn der Dienst boten, deren Zahl leider nicht angegeben ist, waren zu berichtigen. Weitaus schwerer wogen die Abgaben, die aus Anlaß des Todesfalles und der Erb teil vmg der Herrschaft Reichenau und ihren Beamten zustanden. 10 % „Fallfreigeld", also Erbschaftssteuer, 2 % Pflegergebühr, 1 % Teilgeld und je % % Kanzleitaxe und Richtergebühren machten mit einigen anderen Auslagen der Behörden rund 3670 Gulden aus. Dazu kamen die unumgänglichen Zehrungen; die beim Kondukt kostete nicht ganz 54 Gulden, die bei Anlegung der Sperre elf Gulden, die Teilzehrung aber, deren Kosten die Herrschaft nach der Größe der Verlassenschaft festsetzte, fast 259 Gulden. Der Kondukt, mit Rücksicht auf das Vermögen des Verstorbenen möglichst aufwendig gestaltet, kostete mehr als 300 Gulden. Der Pfarrer erhielt 50^2 Gulden, jeder der beiden assistierenden Kapläne einen Gulden, die Kirche Windhaag außer den ihr gebührenden 32 Gulden 100 Gulden für zwei Jahrmessen, 24 Gulden für Seelenmessen und rund fünf Gulden für „Creuz, Cronen Stäb" und fünf Pfund Wachs. An die beim Begräbnis teilnehmenden Armen wurden sechs Gulden verteilt. Dem Freistädter Tuchmacher Sallmann schuldete man 22 Gulden für Klagtuch, dem dortigen Kaufmann Sperl 55 Gulden für Trauerflore und dergleichen, dem Maurerhandwerk drei Schilling sechs Kreuzer für das Bahrtuch und die Windlichter. Auch für eine Grabtafel wurde gesorgt. Sie kostete 15 Gulden und ist heute noch im Inneren der Windhaager Kirche an der Evangelienseite zu sehen; eine ganz gute Arbeit aus Solnhofer Schiefer, die in einem reichen Barockrahmen auch eine Art Wappen mit den Maurerwerkzeugen Zirkel, Winkelmaß und Kelle zeigt^'. Eiserne Gesundheit hatte Joseph Mittermüller das für seine Zeit hohe Alter von 72 Jahren erreichen lassen. Woran er am 17. Jänner 1754 gestorben ist, sagt die Totenmatrik nicht, doch kann er nicht lange krank gewesen sein, denn die Unterschrift, mit der er 18 Tage vorher die Richtigkeit der Windhaager Marktrechnung bestätigte, verrät nichts von einem Nachlassen der Kräfte. In den nicht ganz 50 Jahren seines Wirkens hatte er trotz seiner recht schmalen finanziellen Ausgangsbasis in Windhaag zwei Häuser erworben, von welchen er das bedeutendere großzügig umbaute, die damit verbundenen Betriebe bis an die oberste Die Inschrift (auf der Abbildung nicht in allem lesbar) lautet: Leßer Stehe Still / Alhier legt begraben der Ehr/ßame Herr Joseph Mittermühlner / des Hochgräflichen Marckt Windt-/haag Rathsburger und Maurermai/ster so in Gott seelig verschiden den 17ten/Jenner 1754 seines Alters in den 76./Jahrs, hat mit seiner Ersteren Eheconsortin / Sußanna Pilßin 20 und mit der Lezteren Elisabe/tha, einer gebohrenen Scherbin 28 Jahr gehauset, deme Gott / und Unß allen eine glückseelige Auferstehung ertheillen wolle und gedenke; / Heint an Mir - Morgen an Dir.

Grenze ihrer Leistungsfähigkeit entwickelt und schließlich einen ausgedehnten Großhandel aufgebaut, den er, ohne durch ein Privileg oder eine Zunft geschützt oder gehemmt zu sein, ganz aus eigener Kraft und zum eigenen Nutzen ohne Rücksicht auf Vor- oder Nachteil der Allgemeinheit in einer Weise zu größtem Erfolg führte, die eigentlich schon den Typ des liberalistischen Unternehmers des 19. Jahrhunderts vorwegnahm. Dazu half ihm vor allem eine kühl realistische Einschätzung der gegebenen Verhältnisse, die den Wert materieller Güter wohl zu würdigen wußte. Schon sein Großvater Sigmund Mittermüller hatte eine solche Einstellung bewiesen, als er, obwohl 1607 noch als guter Protestant vom lutherischen Prädikanten Crupp zu Reichenthal getraut®®, um 1620 zum Katholizismus herüberwechselte, um nicht das Recht auf Besitz und Bleiben im Lande zu verlieren. An gesichts des weiten Umfangs von Joseph Mittermüllers Geschäftsbeziehungen und der zahl reichen Besitztümer, die nach seinem Tode zu verzeichnen waren, wäre es niemals möglich gewesen, die Verlassenschaftsabhandlung schon 18 Tage nach seinem Ableben abzuschließen, wenn nicht in seinen Aufzeichnungen größte Ordnung geherrscht hätte. Obwohl er selbst eine recht ungelenke Feder führte, muß er sich des Werts ordentlich geführter Geschäfts bücher voll bewußt gewesen sein. Aus der gleichen Einstellung heraus hat er auch seinen Kindern eine gründliche Schulausbildung angedeihen lassen. Sein ältester Sohn hätte sonst, als er 1748 seinen Braugasthof zu Blindenmarkt schuldenhalber verkaufen hatte müssen, dort nicht als Marktschreiber sein Fortkommen finden können, und die jüngste Tochter hätte sonst nicht als Sechzigjährige über eine so ausgeschriebene Handschrift und einwand freie Orthographie verfügt, wie sie jetzt noch eine Eintragung in dem Stammbuch ihres einzigen Sohnes zeigt®'. Daß im Mittermüllerhaus eine gewisse Bildungstradition lebendig war, ging wohl auf Joseph Mittermüllers Großvater mütterlicherseits zurück, den Oberneukirchner Hutmacherssohn Zacharias Hochholzer, der durch fast 30 Jahre Schulmeister in St. Johann am Wimberg gewesen war. Um 1750 war die Verbindung zur Familie Hoch holzer noch durchaus lebendig, denn ein Urenkel jenes Zacharias, Schulmeister in St. Oswald bei Freistadt, hatte bei dem reichen Windhaager Verwandten ein bescheidenes Darlehen aufgenommen. Die Gattin jenes Zacharias Hochholzer aber war die älteste Tochter des Leinwebermeisters Abraham Maderer zu Oberneukirchen gewesen, der es dort später ziun Marktrichter brachte. Ihr jüngster Bruder Ehrenreich Maderer trat in den Dienst der Grafen Seeau und wurde Verwalter der Schlösser Litzlberg und Würting. Seine Söhne, die größten teils akademische Studien absolvierten, wurden 1709 als „Maderer von Ehrenreichskron" in den erblichen Reichsritterstand erhoben®". Kann da nicht ein Funke der Intelligenz, des Unternehmungsgeistes und Organisationstalents, dem Joseph Mittermüllers Onkel zweiten Grades den Adelstitel verdankten, auch in dem fleißigen und strebsamen Windhaager Maurermeister wirksam geworden sein? Ehrgeiz, zum Marktrichter von Windhaag aufzusteigen, scheint Mittermüller nicht empfunden zu haben. Wenn er alle seine Kräfte und Mittel dafür eingesetzt hätte, wäre es ihm wahrscheinlich trotz eines ausgesprochenen Vorrechts der Familien Puchmayr und Jobst auf diesen Posten gelungen®^. Doch als nüchterner Rechner wußte er, daß er diesem Amte, ®' Laut Geburtsbrief der Herrschaft Waldenfels vom 12. März 1642 (OÖLA. LGA. W 33, 1). ®° Diese Eintragung im Stammbuch des Joseph Leeb (jetzt im Besitz des Verfassers) lautet; Schleichend folgt die Thraurigkeit / auf den Eues der Freude / Sohn! o greiffe nicht zu weit / sonst ergreifst du Beyde / Deine aufrichtige Mueter Theresia Leebin. Hans Marckhgott, Die Mäderer, eine alte oberösterreicbische Familie. Oö. Hbl. 4 (1950) 65 ff. Der Schul meister Zacharias Hochholzer von St. Johann erscheint hier als Johann H., Schuhmeister in St. Veit. Liste der Marktrichter von Windhaag in Mühlv. Hbl. 7 (1967) 160.

das ihn nicht nur seinen Mitbürgern, sondern noch mehr der Obrigkeit in Reichenau ver pflichtet hätte, mehr Kraft und Zeit widmen hätte müssen, als ihm daraus Gewinn erwachsen wäre. Von dem Ansehen, das seine Umsicht und Genauigkeit bei der Bürgerschaft gewonnen hatten, zeugt, daß man ihn ab 1736 zum Ratsbürger wählte, als der er den jährlichen Rech nungsabschluß der Marktkasse neben dem Marktrichter und dem Gemeinredner überprüfte, was vorher und später allein Sache dieser beiden Männer gewesen war^^. Auf jeden von Joseph Mittermüllers fünf Erben entfiel eine Erbschaft im Wert von 3992 Gulden, vier Schilling, 24 Pfennig. Seiner Witwe wurde außerdem die im Heirats kontrakt vorgesehene Summe von 700 Gulden und das Haus Nr. 28 zum Alleineigentum überwiesen, wogegen sie aufjeden Auszug verzichtete. Nach dem Tode ihres zweiten Mannes, des Maurermeisters Philipp Walch, verkaufte sie das Haus dem Maurer Klopf und wohnte dann bis zu ihrem Tode 1785 bei ihrer Tochter in Leopoldschlag. Joseph Mittermüllers älterer Sohn Johann hatte mit starker finanzieller Hilfe durch den Vater den Braugasthof „Zum goldenen Adler" in Blindenmarkt bei Amstetten erworben, den er aber schuldenhalber nicht halten konnte. Mit Hilfe der väterlichen Erbschaft kaufte er sich dort ein zweites Mal an, doch mit dem gleichen Mißerfolg. Nachdem er sich noch einige Zeit als Marktschreiber durchgebracht hatte, starb er 1766, erst 58 Jahre alt''. Im Gegensatz zu ihm scheinen seine beiden Stiefschwestern stärker nach dem Vater geraten zu sein. Beide wurden 67 Jahre alt und fanden als „gute Partien", ehe sie das 20. Jahr erreicht hatten, tüchtige und begüterte Männer als Gatten, welchen sie zahlreiche Kinder schenkten: Maria Anna den Brauer Scherb auf dem Hause Leopoldschlag Nr. 17, das sie dann auf ihren zweiten Mann, den Müllerssohn Johann Michael Reckenzain, übertrug, Theresia den Freistädter Gastwirt Ignaz Leeb. Der 1730 geborene Leopold Mittermüller, dem als dem jüngsten Sohn nach Landes brauch das Elternhaus mit allen Gründen und Fahrnissen eingeantwortet wurde, konnte mit Hilfe des reichlich vorhandenen Bargeldes und der einzutreibenden Schulden alle Ab gaben an die Herrschaft und die Ansprüche seiner Miterben termingerecht befriedigen. Nicht ganz ein Jahr nach der Übernahme des Besitzes vermählte er sich mit der 22jährigen Justine Jobst, die ihm außer einer schönen Mitgift zwei Jahre später, nach dem Tode ihres Vaters, des Marktrichters Carl Jobst auf dem Hause Windhaag Nr. 36, noch eine Erbschaft von rund 800 Gulden zubrachte'^. Das Kapital und die Betriebsmittel, mit welchen der 25jährige Leopold seine Wirksamkeit begann, beliefen sich in ihrem Gesamtwert auf das 40fache dessen, womit seinerzeit der Vater angefangen hatte. Doch dem Sohn fehlte manche der Eigenschaften, die jenen ausgezeichnet hatten, so z. B. Selbstbeherrschung und Sach lichkeit, sonst hätte er nicht 1751 gleich seinem Vetter Taddäus Puchmayr einen Gulden Strafe in die Marktkasse zahlen müssen, weil sich „beede in Marckfreyheiten vergriffen"" hatten, und auch die unverwüstliche Gesundheit, denn er starb schon im Alter von 45 Jahren am 1. August 1775. Seine letzten sieben Jahre hatte er als Witwer verbracht, ohne sich ent schließen zu können, seinen fünf unerwachsenen Kindern eine zweite Mutter zu geben. Offenbar fehlte es ihm auch an Unternehmungsgeist und Selbstvertrauen. Leopold Mitter müller hat sich ja zeit seines Lebens nur in gebahnten Geleisen bewegt, ohne jeweils Neues planen oder aufbauen zu müssen. Dem anstrengenden Maurerhandwerk, das sein früh- " OÖLA. MA.W. Sch. 3. " Pf.A. St. Georgen a. Ybbsfeld, MA. Blindenmarkt, NÖ. OÖLA. LGA. R 168, 77 ff. " D. h. während der Jahrmarktzeit, als das Marktfreiungszeichen ausgesteckt war. (OÖLA. MA.W. Sch. 4.)

verstorbener Stiefbruder Michael gelernt hatte, stand er völlig fern. Das für den Wieder erwerb des Hauses Nr. 28 gesicherte Vorkaufsrecht ließ er ungenützt, so daß es der Familie verloren ging. Die Kramerei, die er auf sein eigenes Haus übertragen hatte lassen, kann angesichts der Tatsache, daß die bei seinem Ableben darin vorhandenen „Bandl und weniges Gewürtz" nur sechs Gulden wert waren, nicht als einträgliches Geschäft bezeichnet werden. Mit welchem Erfolg er die Landwirtschaft und das Brau- und Schankgewerbe betrieb, ist nicht feststellbar. Den Zwirnhandel hat er auf derselben Höhe gehalten, wie er ihn über nommen hatte. In seiner Verlassenschaftsabhandlung vom 11. September 1775^° ist als Erlös für den auf dem Linzer Bartholomäusmarkt verkauften Zwirn 3447 Gulden 26 Kreuzer an gegeben, und daheim lagerten noch rund 1500 Pfund größtenteils ungebleichter Zwirn im Wert von 1364 Gulden. Das Endergebnis der Hinterlassenschaft aber zeigt im Vergleich zu der nach dem Vater eine allgemeine Schrumpfung der Werte; beim Bruttovermögen, das sich auf rund 10.347 Gulden belief, auf etwas mehr als die Hälfte, beim Nettovermögen mit 6872 Gulden auf ein gutes Drittel dessen, was vor 20 Jahren der Vater hinterlassen hatte. Im Vergleich zu diesem war Leopold Mittermüller, selbst wenn man in Betracht zieht, daß ihm kaum die halbe Zeit der Wirksamkeit gegönnt war und kein Betrieb dauernd in gleicher Expansion entwickelt werden kann, eben doch ein Unternehmer von weitaus be scheidenerem Format. Bei seinem Tode fiel auf jedes der fünf Kinder ein Erbe von 1374 Gulden 14 Kreuzern. Da der jüngste Sohn erst acht Jahre zählte, wurde das Anwesen dem ältesten, dem 17jährigen Joseph Mittermüller übergeben, der vorzeitig großjährig erklärt und am 23. Februar 1778 zu Windhaag mit der 19jährigen Maria Anna Pfeffer, einer verwaisten Seifensieders tochter aus Schenkenfelden, getraut wurde. Nachdem die vom Vater hinterlassenen 590 Gulden Bargeld und die Aktivschulden seiner Hinterlassenschaft durch Begleichung der Herrschaftsgebühren und Passivschulden aufgezehrt worden waren, benötigte der junge Ehemann die 1200 Gulden, die ihm seine Gattin als Erbschaft nach ihren Eltern zugebracht hatte", um wenigstens einen Teil seiner Miterben auszubezahlen, nämlich die Schwester Anna Marie, die den Pregartner Bierbrauer Johann Georg Scherb heiratete, aber bald darauf kinderlos starb, und den Bruder Franz, welcher das Geld zum Erwerb eines Bäckerhauses in Groß-Siegharts brauchte. Die Forderungen der zwei jüngsten Brüder Johann und Leopold wurden nicht ausbezahlt, sondern auf dem Hause hypothekarisch sichergestellt. Der zweite Joseph Mittermüller überlebte seinen Vater nur um elf Jahre. Als er am 7. Jänner 1786 starb, waren ihm die Gattin und die drei Kinder, die sie ihm geschenkt hatte, schon vorausgegangen. Die kurze Zeit seiner Wirtschaftsführung läßt kein Urteil über seine Qualitäten zu. Manches, das seine Verlassenschaftsabhandlung vom 4. August 1787 aufzählt, deutet auf eine verfeinerte bürgerliche Kultur hin, so wenn etwa zwei Hausuhren und eine Sackuhr im Gesamtwert von 19 Gulden, 100 Pfund Zinngeschirr und 50 Servietten einer Hausuhr im Wert von sechs Schilling, 27 Pfund Zinn und fünf Servietten im Inventar naeh dem Großvater gegenüberstehen. Aber an Bargeld waren nur mehr 128 Gulden im Hause, und gegenüber einem Aktivvermögen von 4612 Gulden 40 Kreuzern beliefen sich die Pas siven auf 4597 Gulden 40 Kreuzer, wobei die Erbansprüche der Brüder Johann und Leopold die Hauptmasse ausmachten®®. OÖLA. LGA. R 188, 165 ff. Die Abhandlung wurde wohl deshalb erst sechs Wochen nach dem Tode Leopold Mittermüllers abgeschlossen, weil man das Ergebnis des Linzer Bartholomäusmarktes abwarten wollte. " OÖLA. HA. Freistadt, Bs. 193, 598. OÖLA. LGA. R 201, 76 ff.

Der jüngere von ihnen, der 20jährige Leopold Mittermüller, der nun das Haus mit allem Zugehörigem übernahm, konnte durch Eintreibung der Aktivschulden alle offenen Forderungen befriedigen, darunter den rückständigen Jahreslohn für je einen Knecht, eine Stuben-, eine Haus- und eine Viehmagd sowie die durch die Reformen Kaiser Josefs II. stark verringerten Erbschaftssteuern und Begräbniskosten. Auch seine zwei Miterben konnte er ohne weiteres ausbezahlen, denn das zu verteilende Nettovermögen belief sich nur mehr auf 15 Gulden, und der Bruder Johann, dem das Erbe nach dem Vater bisher noch nicht ausbezahlt worden war, verblieb auch weiterhin als bescheidener kränklicher Junggeselle im Elternhaus, bis er 1798 im Alter von 37 Jahren seinem Lungenleiden erlag. Der neue Besitzer des Hauses ließ sich gründlich Zeit, eine passende Frau zu finden. Sicher sollte sie jung und vermögend sein, doch kamen die meisten begüterten Windhaager Bürgerstöchter schon deshalb nicht in Betracht, weil sie mit dem jungen Mittermüller blutsverwandt waren, und außerdem mag man sich im Markte schon zugeraunt haben, daß er eigentlich keine gute Partie mehr sei. Da er selbst anscheinend nicht genug Unternehmungs geist entwickelte, anderswohin auf Brautschau zu gehen, so wartete er, bis die älteste Tochter des Fleischhauermeisters Matthias Schmoll, der 1774 von Zettwing nach Windhaag gekommen war und das Haus Nr. 34 gekauft hatte, 20 Jahre alt geworden war. Wieviel Heiratsgut Justina Schmoll bei ihrer Hochzeit am 23. November 1795 in die Ehe mitgebracht hat, war nicht festzustellen. Dem zweiten Leopold Mittermüller waren genau so wie seinem Großvater 47 Jahre Zeit zu wirken und zu schaffen vergönnt. Wie hat er sie genützt? Der zum Hause gehörige Grund besitz umfaßte, da er nicht vergrößert worden war, sowohl nach den Angaben des Josephinischen Lagebuchs (1787)3» als auch nach dem Franziszeischen Kataster (1828)^» etwa 51/4 Joch Äcker, U/s Joch Wiesen, alles zweitklassige Gründe auf dem Schwabenberg und in der nördlich daran anschließenden Au, und etwa eineinhalb Joch Wald im Kohlstattholz. Sie brachten um 1787 einen jährlichen Ertrag von nicht ganz 15 Metzen Korn und 17 Metzen Hafer sowie etwa zwei Klafter Holz. Von den 14 Zenten Heu und Grummet im Jahr konnten ein Pferd und zwei bis vier Stück Rindvieh nur ernährt werden, wenn, wie schon 1750, Futter dazugekauft wurde. Daß von einer solchen Landwirtschaft eine Familie mit Dienstleuten nicht leben konnte, war auch der Behörde klar, denn sonst hätte man im Franziszeum den Besitzer nicht als Pointler statt als Bauer bezeichnet. Dem seit langem un veränderten Umfang des Grundbesitzes entsprach ja auf dem Gebiete der Landarbeit we nigstens in der Gegend von Windhaag ein starres Festhalten an der alten Dreifelderwirtschaft, während man in manchen Gegenden südlich der Donau schon ab 1760 den Ertrag der Felder durch Kleebau auf dem Brachfeld zu steigern wußte^"^. Trat auf solche Weise der Landwirtschaftsbetrieb sozusagen auf der Stelle, so waren die übrigen mit dem Hause verbundenen Gewerbe in vollem Rückgang begriffen. Der Garnund Zwirnhandel ging, bedingt durch die Franzosenkriege, damals im ganzen Land ent scheidend zurück^». Die kleine Krämerei stellte ihren Betrieb ein, und die Brauerei war 1795 mit 138 Eimern Jahresausstoß an die letzte Stelle der vier damals noch in Windhaag tätigen Braubetriebe geraten^», und 1827 scheint sie überhaupt nicht mehr auU^. Wie sehr es 3® OÖLA. Josephinisches Lagebuch Mühlkreis 490/491. OÖLA. Franciszeischer Kataster, KG. Windhaag b. Fr., 1170 und 1177. Alfred Hoffmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich, 272. *3 Ebenda, 447 und 465. ^3 Heinrich Ludwig Werneck, Jb. d. Ges. f. d. Geschichte und Bibliographie des Brauwesens 1937, 76. " Benedikt Pillwein, Geschichte usw. d. Erzherzogtums Österreich ob der Enns, Mühlkreis, 2. Abt., 221.

infolgedessen im Hause an Bargeld zu mangeln begann, erweist sich, wenn, Mittermüller 1796 zwar das Nutzungsrecht der Stierwiese, das die Kommune durch Lizitation vergab, noch ersteigern konnte"^, ab 1804 aber schon hypothekarische Anleihen aufzunehmen begann und 1828 nach der Heidlwiese auch den Grund neben dem Pfarrhof verkaufte, auf dem einst der Großvater den Stadel errichtet hatte^®. Dieser war seither verfallen und abgerissen worden, da der Enkel nichts mehr darin aufzubewahren hatte. Unter solchen Umständen war es für ihn ein Glück, daß er ab 1801 von seinen Mit bürgern zum Marktrichter gewählt und durch die Herrschaft Reichenau immer wieder als solcher bestätigt wurde, denn dieses Amt, das er nun durch 33 Jahre, bis zu seinem Tod, bekleidete, bedeutete eine zwar bescheidene, aber immerhin konstante Einnahmsquelle. Da der Richter sowohl im Markt als auch im Amt Windhaag das Inkasso der regelmäßigen Abgaben durchzuführen hatte, wurden ihm diese für seine Person, zumindest teilweise, erlassen und außerdem standen ihm für alle Amtshandlungen bestimmte Gebühren zu. Qualifiziert hat sich Mittermüller für diese Stellung, vielleicht von einer gewissen Redner gabe abgesehen, durch größte Beflissenheit gegenüber jenen, die auf Grund ihrer Privilegien und ihres Reichtums den stärksten Einfluß im Markte besaßen. Schon 1790 hatte er, damals noch Gemeinredner, mit den Besitzern der Markthäuser Nr. 6, 8, 33 und 36 bei der Herr schaft jene begüterten Bürger vertreten, die zum Schaden ihrer ärmeren Mitbürger die alt hergebrachte Gemeinweide abschaffen wollten, um ihre Anteile einzuzäunen und nur für sich zu bewirtschaften®'. Später, als Marktrichter, fand er im Verein mit dem häufig wechselnden Gemeinredner weder Mut noch Mittel, die kärglichen Einnahmen der Kom mune wirksam zu erhöhen oder die trotz mehrfacher Mahnung durch die als Kontrolle wirkende Herrschaftskanzlei ständig wachsenden Ausgaben entscheidend zu drosseln. Die Marktkasse schloß daher, zumindest zwischen 1811 und 1826, fastjedes Jahr mit einem Defizit ab. 1811 betrug dieses infolge des Staatsbankrotts fast 1000 Gulden, denn man hatte vergessen, die Grund- und Pachtzinse, die Aufnahmsgebühren und die Standgelder der Marktfahrer, von denen übrigens die Hälfte dem Richter zufiel, in gleichem Maß zu erhöhen, wie die Arbeitslöhne und Materialkosten für die damals unbedingt nötig gewordene Erneuerung des Gemeindehauses (Windhaag Nr. 23) gestiegen waren. Wenn dann zur Deckung solcher Defizite eine Umlage ausgeschrieben wurde, wurde jeder Bürger, ob arm, ob reich, zu einem gleich hohen Beitrag herangezogen®®. Als gegen Ende seiner Amtszeit das Mühlkreisamt energisch die Errichtung eines neuen Schulgebäudes in Windhaag verlangte, verhielt sich in dem daraus entstehenden lebhaften Aktenwechsel der Marktrichter Mittermüller auffallend still. Nur ein einziges Schriftstück trägt - neben anderen - auch seine Unterschrift, nämlich ein Protokoll vom 12. März 1830, durch das der Neubau der Schule um mehr als zehn Jahre hinausgeschoben wurde, weil damals niemand im Markte gewillt war, ein dafür geeignetes Grundstück zu verkaufen®®. SowarendieeinzigenN euerungen, die der Markt d em durch ein Drittel] ahrhundert amtierenden Richter verdankte, 1803 die Errichtung einer Kegelbahn, von deren Betrieb man sich durch " OÖLA. MA.W. Sch. 4. *' Grundbucharchiv des OLG. Linz, BG. Freistadt, Satzbuch 1 der Herrseh. Reichenau 341, Gewährbuch derselben Herrsch. 6, 417 v. Der Verfasser dankt den zuständigen Herren für freundliche Erlaubnis zur Ein sichtnahme. " OÖLA. MA.W. Sch. 1. Das Ansinnen wurde von der Herrschaft abgewiesen. ®® Ebenda, Sch. 4. OÖLA. HA. Freistadt, Sch. 249. Am stärksten scheint sich damals der Wirt Johann Hackl zu Mairspindt Nr. 34, örtsrichter der K. G. Windhaag, um den Schulbau bemüht zu haben.

Einhebung eines Spielgeldes naiverweise eine Stärkung der Marktkasse versprach, und 1813 die Aufstellung eines steinernen Wasserkars, das 120 Gulden kostete und heute noch besteht". Im Laufe der Zeit trat neben Mittermüllers Passivität immer mehr sein Unvermögen zutage, die Amtsgeschäfte wirklich ordnungsgemäß zu führen. Zuweilen kamen seine Rech nungsabschlüsse von der Herrschaftskanzlei, die sie überprüfen mußte, als fehlerhaft oder vorschriftswidrig zurück. Daß der Marktrichter sich aber einmal zu seinen Gunsten geirrt hätte, kann nicht festgestellt werden. Ob er sich seiner Unzulänglichkeit jemals bewußt wurde, ist kaum anzunehmen. Dazu spricht aus seiner Unterschrift, die er meist mit dem langatmigen Doppeltitel „Markt- und Amtsrichter" versah, zu viel Selbstbewußtsein. Bei seinem Ableben am 21. Jänner 1834 ließ Mittermüller, wohl in jeder Hinsicht das Gegenteil seines Großvaters, sowohl die Marktfinanzen als auch die eigenen in arger Un ordnung zurück. Jene brachte sein Nachfolger, der Kaufmann Sicher auf dem Hause Nr. 35, bald wieder in Ordnung, diese zeigten ihren völligen Niedergang beim Abschluß der Ver lassenschaftsabhandlung am 12. April 1834^1. Unter den mit 1414 Gulden 21 Kreuzern bewerteten Aktiven finden sich an Vieh ledig lich eine Kuh und ein Kalb im Gesamtwert von 20 Gulden verzeichnet, dazu allerhand vielfach als abgenutzt und alt bezeichnetes Haus- und Landwirtschaftsgerät, dagegen keiner lei Bargeld, keine Aktivschulden, weder Braugerät noch Malz oder Hopfen und kaum nen nenswerte Vorräte an Getreide, Kartoffeln und Garn. Von einer Krämerei ist nicht mehr die Rede. Da sich die Passiven auf 2233 Gulden 29 Kreuzer beliefen, ergab sich ein ungedeckter Abgang von 819 Gulden 8 Kreuzern. Die Gläubiger, größtenteils Windhaager Bürger, erklärten sich zur Vermeidung eines Konkurses bereit, von ihren Forderungen 667 Gulden acht Kreuzer nachzulassen, falls eines der erbberechtigten fünf Kinder binnen eines Jahres „mit einer Heurathspartie aufkomme". Das Haus mit Zubehör wurde daher am 8. JuH 1834 dem einzigen Sohn des verstorbenen Marktrichters, dem ledigen Karl Mittermüller, eingeantwortet, allerdings erst nachdem er im Fleischhauer Franz Schmoll vom Hause Nr. 34, einem Bruder der Mutter, einen „Gutsteher", also einen Zahlungsbürgen, gefunden hatte. Dieser beglich die Begräbniskosten und befriedigte die dringlichsten Gläubiger, ließ sich aber von dem Neffen über diese Auslagen einen Schuldbrief ausstellen, der am 23. No vember 1834 auch im Grundbuch eingetragen wurde®^. Um die Wende von 1837 auf 1838 schlug der damalige Pfarrer von Windhaag der Be hörde vor, das mit den Gründen auf 1200 Gulden gesehätzte Mittermüllerhaus, dessen Wirt schaftsgebäude schon schadhaft wurden, für die Unterbringung der Schule aufzukaufen, denn das Haus Nr. 7 war für sie längst zu klein geworden. Der Freistädter Maurermeister Gerl erhielt daraufhin den Auftrag, das Haus Nr. 20 zu vermessen und zu beschreiben, doch kam es zu keinem Verkauf, weil den maßgebenden Stellen das weitläufige Anwesen wohl zu teuer war^'. Karl Mittermüller, der bei Übernahme des Hauses schon 37 Jahre alt war, brachte es weder zu einer Frau noch gelang es ihm, obwohl er gelernter Brauknecht war, die Wirtschaft auf dem Hause irgendwie zu aktivieren. Im Gegenteil mußte er, wie es sein Onkel Schmoll später ausdrückte, bei diesem immer wieder „für sehr viele kostspielige Bedürfnisse" Anleihen aufnehmen. So tat nun Schmoll den letzten Schritt. Er brachte alle auf dem Hause grund5» OÖLA. MA.W. Sch. 4. " OÖLA. LGA. R 243, 531 ff. Grundbucharchiv des OLG. Linz, BG. Freistadt, Satzbuch 4 d. Herrsch. Reichenau, 51 f. OÖLA. HA. Freistadt, Sch. 249. Vgl. Abbildung.

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