OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 3/4

österreichischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte ein solches Handbuch zu schreiben. Zweifelsohne waren mit diesem Vorhaben auch große Schwierig keiten verbunden. Aufgrund der recht unterschied lichen Forschungslage sind für manche Perioden bzw. Wirtschaftszweige eine Fülle von Einzelaufsätzen und Detailuntersuchungen vorhanden, andere Bereiche hingegen, wie Gewerbe-, Handels- und Sozialge schichte, blieben bis heute nahezu unerforscht. Weitere Komplikationen entstanden durch die Ein engung auf den Raum der heutigen Republik Oster reich. Damit aber mußte der Autor den Wirtschafts raum der Donaumonarchie auflösen, wodurch ver schiedene Faktoren ins Hintertreffen kamen. Fastjedes historische Werk ist heute durch räum liche und thematische Schwerpunkte gekeimzeichnet. Tremel ist aufgrund seiner bisherigen Forschungen einerseits im innerösterreichischen Raum, andrerseits im Frühkapitalismus zu Hause. Anhand von Bei spielen versuchte er aber auch dem Leser die Ent wicklung in Nieder- und Oberösterreich näherzu bringen. Thematisch war der Verfasser bemüht, für jede Sparte der Wirtschafts- und Sozialgeschichte und für jeden Zeitraum eine möglichst ausgewogene Dar stellung zu bieten. Hier sei auch hervorgehoben, daß der Sozialgeschichte, die heute noch in den meisten Wirtschafts- und Sozialgeschichten stiefmütterlich behandelt wird, eine größere Beachtung eingeräumt wurde. In der Behandlung der einzelnen Perioden kann die ausführlich dargestellte wirtschaftliche und soziale Entwicklung Österreichs von 1918 bis 1955 als besonders erfreulich bezeichnet werden. Allerdings könnte Tremels Liebe zum Detail von einigen Lesern als störend empfunden werden. Die dem Werk angeschlossenen Karten beschränken sich aufden Bergbau,das Eisenwesen und den Verkehr von 1250 bis 1800 sowie auf den Manufakturbestand unter Maria Theresia und Josef II. In einem Einführungskapitel, das eine Definition des Begriffes Wirtschafts- und Sozialgeschichte, einen Überblick über die wichtigsten Quellen und eine kurze Geschichte der wirtschafts- und sozialgeschicht lichen Forschung in Osterreich enthält, sowie durch eine umfangreiche Bibliographie (ca. 700 Werke!) versucht der Autor, dem Leser - vor allem dem Studenten — das Rüstzeug zum Studium des Werkes zu geben. Wenn auch verschiedentlich Wünsche an gemeldet werden können, so wird man das große Verdienst Tremels, als erster eine Wirtschafts-und Sozialgeschichte Österreichs verfaßt zu haben, stets lobend anzuerkennen haben. Rudolf Kropf Richard Kutschera, Emst Wemdl - Uni versalgenie aus Steyr. Linz 1969, Oberösterreichischer Landesverlag, 68 Seiten, 12 ganz seitige Bildtafeln. Mit dieser Biographie des Universalgenies Ernst Werndl (1886-1962), eines Neffen des Gründers der Waffenfabrik, erlebt der Leser das Leben eines schöp ferischen Österreichers eigenwilligster Prägung, eines Idealisten im wahrsten Sinn des Wortes, dem der Geist und die Seele alles und das Geld nichts waren. Aus 36 Tagebüchern Werndls ließ Richard Kutschera die Lebensstationen dieses Erfinders, Technikers, Musikers und Schriftstellers lebendig werden. Werndls Tagebuchaufzeichnungen waren nicht nur Nieder schrift subjektiver Gedankenkomplexe, es finden sich vielmehr darin seine Überlegungen und Erfindungen auf technischem Gebiet, seine philosophischen Ge dankengänge und Ansichten und zahlreiche Kommen tare und Erwägungen zu seiner politischen Gegenwart und deren Entwicklung. Nicht nur seine eigenen Pläne, sondern auch jene der gesamten Umwelt er fahren hier ihre Behandlung und geben diesen, wenn auch persönlich gefärbten Tagebuchseiten zeit geschichtlichen Wert. Neben einer unerschütterlichen Kompromißlosigkeit zeichnete eine Divergenz der vielfältigsten Anlagen den Charakter Werndls aus. Darin mag die Ursache liegen, daß er auf keinem Gebiet das Glück eines vollen Erfolges erleben durfte. Neue Ziele lockten ihn immer, aber die Wege zu diesen Zielen brach er oft vorzeitig ab. Dies läßt die ganze Tragik seiner Persönlichkeit erkennen. Schon in jungen Jahren erfaßte Werndl zutiefst die Dynamik der technischen Entwicklung des be ginnenden 20. Jahrhunderts und ließ ihn an die Be rufung zu erfinderischer Mitarbeit an der immer mehr Geltung fordernden technischen Epoche glauben. Dieser Drang führte den Zwanzigjährigen nach Amerika zum berühmten Erfinder Thomas Alva Edison. Nach jahrzehntelanger Tätigkeit in Europa - als Ingenieur in den Steyr-Werken, bei Telefunken, in Erlangen und Ebermannstadt — erhielt er 1951 die Berufung durch die USA-Regierung zu wissenschaft licher Mitarbeit bei elektrischer Flugzeugausrüstung und Kreisel-Problemen. 12 österreichische und 3 ameri kanische Patente haben ihn zum Schöpfer. Neben dieser technischen Begabung zeigte Werndl eine tiefe Neigung zu künstlerischer Betätigung, im be sonderen zur Musik, davon spricht er auch in seinen Tagebüchern: „Meine ganze Veranlagung ging seit jeher in zwei Richtungen, technisch und philosophisch, meine Liebe dagegen in der künstlerischen Richtung". Von literarischem Talent zeugen nicht nur die Tage bücher,sondern auch sein 8100 Verszeilen umfassendes Faustdrama „Mensch und Widersacher" und die in den Tagebüchern enthaltenen zahlreichen Epigramme und Sinnsprüche. Richard Kutschera gebührt Verdienst und Dank, die Begegnung mit einem menschlichen Schicksal, wie dem Ernst Werndls, herbeigeführt zu haben, einem Schicksal, erschütternd durch die versprühte Urkraft der Genialität dieses Mannes und durch die Verlassenheit, die dem Träger dieses Schicksals widerfuhr. Die zahlreich eingeschobenen wörtlichen Zitierungen aus den Tagebüchern lassen dies umso deutlicher und lebendiger erscheinen. Heidelinde Klug Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1968. Heraus gegeben im Verlag Anton Schroll & Co, WienMünchen. 84 Seiten, 112 Abbildungen im Text. Dieser abermals reich ausgestattete Band des Kunst jahrbuches der Stadt Linz hat den I. Teil einer Ge samtschau über die Kunst des 19. Jahrhunderts zum Thema. Zwei interessante Arbeiten füllen das um fangreiche Werk, sie gewähren aufschlußreiche As pekte in die Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt im weitesten Sinn. Das Kunstjahrbuch stellt sich wieder als drucktechnisch hervorragendes Werk vor, das schon in seiner Gestaltung seinem Namen voll Rechnung trägt. Theophil Melichar bearbeitet in übersicht licher Form die städtebauliche Entwicklung von Linz im 19.Jahrhundert, die durch zahlreiche Wiedergabe von Plänen sowie alten Aufnahmen der Stadt und ihrer 54

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