OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 3/4

anheimfiel, dessen Ideen aber für die Lösung der Probleme der heutigen Kirche große Aktualität be sitzen und Beachtung verdienen. Heidelinde Klug Michael Mitterauer, Zollfreiheit und Markt bereich. Studien zur mittelalterlichen Wirt schaftsverfassung am Beispiel einer nieder österreichischen Altsiedellandschaft, Forschun gen zur Landeskunde von Niederösterreich. Herausgegeben vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Geleitet von Karl Lechner. Band XIX (1969). 377 Seiten, 8 Karten in Beilage. Die ursprünglich nur als kurze Studie geplante Untersuchung der Zollvorrechte der freien Leute der Grafschaft Weitenegg in Niederösterreich entwickelte sich durch die Schwierigkeit und weite Verzweigtheit des Problems zu einer grundlegenden Studie der all gemeinen Grundsätze der rechtlichen und räumhchen Ordnung des mittelalterlichen Wirtschafts lebens. Gleichzeitig bildet sie einen homogenen An schluß an Mitterauers vielbeachteten Aufsatz über die verfassungstopographischen Fragen des Marktund Zollwesens in der ausgehenden Karolingerzeitt. Die zeltliche Begrenzung dieser Arbeit reicht mangels entsprechender Nachrichten von der Raffelstetter Zollordnung bis in den durch starke Ver änderungen in den wirtschaftUch-gebietsrechtlichen Zuordnungen gekennzeichneten Umschichtungsprozeß des 16. Jahrhunderts. Die räumliche Grenzziehung erfolgte auf den Bereich der mittleren der drei Graf schaften der Raffelstetter ZoUordnung, auf den Raum zwischen Enns und Dunkelsteiner Wald, entspricht doch gerade dieses Gebiet einer verhältnismäßig geschlossenen Altsiedellandschaft. Die historische Raumgliederung bedingte ein Übergreifen auf das heutige Oberösterreich, wodurch die Behandlung dieses Themenkomplexes neben seinen allgemein gültigen Aussagen und Feststellungen in besonderem Maße für den oberösterreichischen Lokalhistoriker an Bedeutung gewinnt. Gerade dieser Raum gewähr leistete auf Grund von nebeneinander bestehenden Rechtsformen einen besonders günstigen Einblick in die Vielfalt wirtschaftlicher Phänomene, was wiederum das Aufzeigen und die Aufstellung einer nieht unbedeutenden Zahl allgemeiner Probleme gestattete. Die Burg als Mittelpunkt der Herrschaft war der zentrale Ort der mittelalterlichen Raumordnung, der herrschafthche Rahmen. Die Tatsache, daß das Wirt schaftsleben sich vorgegebene Mittelpunkte sucht, der Handel der Kaufleute und mit ihm die Zoll stätten den Burgen und befestigten Plätzen folgten, läßt den Schluß zu, daß gerade in den Burgmärkten, in den Großburgen mit den ihnen zugeordneten ausgedehnten Siedlungsräumen die Wurzel der städtischen Entwicklung liegt und somit außer wirtschaftliche Faktoren die Gestaltung wirtschaft licher Einrichtungen imd den Standort von Handels plätzen maßgeblich bestimmt haben. Der Umfang des einem Burgmittelpunkt zugeo dneten Bereiches stellte zugleich Niederlags- imd Zollbezirk dar, somit fielen Zollstätte und Nieder lagsort, also Marktort,topographisch zusammen.Diese enge Verknüpfung und Bindung des Handels an die herrschaftliche Struktur eines Raumes hat ihren ursächUchen Grund in den Herrenrechten über das Marktwesen. Die jeweiligen Herrschaftsmittelpunkte, die königlichen Zentralorte, besaßen von sich aus' ohne eigene Privilegierung, volles oder eingeschränktes Marktrecht. Adelige oder geistliche Herren benötigten zur Abhaltung eines vollberechtigten Marktes auf ihrem Grund eine königliche Genehmigimg. Die Herrschaftszentren bestimmten somit die Marktmittelpunkte, und aus dem von der Herrschaft erfaßten Gebiet entstand der jeweilige Marktbereich, der keineswegs einen variablen Einzugsbereich des jeweiligen Marktbesuches verkörperte, sondern einen räumlich festgelegten, gleichbleibenden Rechtsbezirk, gekennzeichnet durch einheitliches Maß und Gewicht bzw. Markt- und Transitabgaben, die, anfangs noch nicht getrennt, einen einheitlichen Zoll darstellten. Der Marktbereich war somit als Niederlagsbereich zugleich auch Zolldistrikt. Damit beginnt die Unter suchung des zweiten zentralen Problems der Arbeit, die Zollfreiheit, jenes Recht, das Mitterauer in der geplanten Studie über die freien Leute der Grafschaft Weitenegg, die am Ende des 13.Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit das Recht des abgabenfreien Einkaufs genossen, als einen deutlichen Hinweis auf einen Zusammenhang dieser Sonderrechte mit einem alten Hoheitsbezirk einschätzt. Mitterauer weist nun nacA» daß gerade die Rechte auf Zollfreiheit am weitesten zurückführen, stellten sie doch das Entgelt für be stimmte Leistungen,für den Burgwerksdienst,dar, was wiederum auf einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen Markt und Burg schließen läßt. Es besteht also eine grundsätzliche Korrespondenz zwischen den ZoUstätten und den Zentralorten. Die Beschränkung der Zollfreiheiten auf bestimmte Personengruppen beinhaltet einen wichtigen Hinweis auf die ausge sprochen ständische Wurzel der Zollfreiheiten. Die Zollfreiheit war nur jenen freien Leuten gewährt, die gewisse Leistungen, vor allem militärischer Natur, erbringen konnten. All diese Untersuchungsergebnisse lassen Mitter auer zu dem Schluß kommen, daß sehr frühe räum liche, aber auch ständische Ordnungen jene zoll rechtlichen, erst seit dem 13. Jahrhundert quellen mäßig belegten Verhältnisse bestimmten. Übersichtliche Gliederung,ein fundiertes Literatur verzeichnis, ein detaillierter wissenschaftlicher Apparat und ein Ortsregister zeichnen diese überaus interessante Studie aus, klar formulierte Karten veranschaulichen die bearbeiteten Fragenkomplexe. Heidelinde Klug 'Michael Mitterauer, Wirtschaft und Verfassung in der Zollordnung von RafFelstetten. In: Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 8 (1964), S. 344 ff. Ferdinand Tremel, Wirtschafts- und Sozialgeschichte Österreichs. Von den Anfängen bis 1955. Mit 11 Karten und Diagrammen im Text und sieben Karten im Anbang. Franz Deuticke, Wien 1969,486 Seiten. Während in anderen Staaten schon seit einiger Zeit teils ausgezeichnete Wirtschafts- und Sozial geschichten vorliegen,fehlte in Österreich bis heute ein solches Handbuch. Gerade in einem Land, das durch Karl Theodor Inama von Sternegg und Alfons Dopsch auf eine große Tradition zurückblicken kann, waren mit Ausnahme der Wirtschaftsgeschichte Oberöster reichs keine größeren Zusammenfassungen der For schungsergebnisse erschienen. Ferdinand Tremel hat nun als erster versucht, der 53

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