OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

liehen Geschichte durch die genannten Germanisten gestattete, die Wirksamkeit einer derartigen Organisation am Heidenstein während der Christianisierungszeit zu erschließen, in der sie den bairischen und fränkischen Neusiedlern gegenüber ein vielleicht letztes Mal entscheidend in Aktion getreten ist. Aber wie einleuchtend die Übereinstimmungen auch sind, die zwischen den Ereignissen an der Donau um 480 n. Chr. und den Auseinandersetzungen am Nordrand des Nordwaldes zu Beginn der mittelalterlichen Kolonisation gewesen sind, daß dazwischen ein Zeitraum von 500 Jahren liegt, ist nicht zu übersehen. Es gibt bisher keine Belege, die diese für das nördliche Mühlviertel so geschichtsdunklen Jahrhunderte erhellen könnten. Man kann aber darauf hinweisen, daß sich insbesondere in religions- und brauchkundlichen Einrich tungen unseres Volkstums eine Kontinuitätskraft beobachten läßt, die lokale Traditionen, besonders in etwas abgelegenen Gebieten, mitunter über sehr lange Zeiträume hinweg zu bewahren imstande ist. Und mit solchen Verhältnissen ist, wie bereits mehrfach betont, auch im gegebenen Fall zu rechnen. An welcher Stelle am Südufer der Donau der Überfall der scamarae von Norden her erfolgt ist, ist aus der Textierung des Eugippius nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Jeden falls aber ist es recht gut möglich, daß diese germanische Bevölkerung dorthin von Norden her gelangte, da der allgemeinen Ansicht nach um diese Zeit noch große Teile des nördlichen Donauufers waldbedeckt, unpassierbar und für den Vormarsch entlang des Stromes gegen Osten zu ungeeignet waren. Es standen aber die Kommunikationen durch die tiefen Tal furchen nach Norden zu offen, wo seit Marbot immer neue germanische Völkerschaften auftauchten,so daß auch anzunehmen ist, daß bei der Bevölkerung am Eibenstein allmählich eine starke germanischeDominanz bestand,dieannähernd gleiche soziologische Einrichtungen kannte wie ihre Stammesgenossen südlich des Nordwaldes, und weiters, daß die Neuange kommenen auch die heiligen Stätten der eingesessenen Bevölkerung übernahmen, sie in ihre Kultübung miteinbezogen und auch Jahrhunderte später noch leidenschaftlich ver teidigten. Aufschlüsse über die Zeitstellung,in der die ersten Begegnungen zwischen dem Christen tum und den Bekennern alten Glaubens stattfanden, stehen uns nicht zur Verfügung. Doch läßt sich ein Einblick in den Zeitraum,in der die lokale Abwehr des Kirchenbaues am Eiben stein mit Erfolg versucht wurde, allem Anschein nach aus den umfangreichen Steinmetz arbeiten gewinnen, die am Heidenstein vorgenommen wurden. Ihre systematische Unter suchung durch Herrn Amtsrat Ing. W. Obergottsberger hat ergeben, daß es sich dabei neben einer kleinen Anzahl von außerordentlich stark abgewitterten Stufen, deren Beobach tung Herrn Oberamtmann Karl Wagner zu danken ist, vor allem um massenhafte, äußerst gewissenhaft ausgeführte treppenartige Ausmeißelungen handelt,die nur geringe Abnützungs erscheinungen aufweisen und daher bedeutend jünger als die von Karl Wagner entdeckten früheren Bearbeitungen sein müssen. Die Vermessung durch Herrn Ing. W. Obergotts berger ergab, daß die Treppungen nach einem einheitlichen Grundplan ausgeführt wurden. Sie sind durchwegs nach der Wiener Elle gearbeitet und weisen außer der erforderlichen Breite stets ganz bestimmte Rezesse auf, die nur als Widerlager für (errechnete) 2,50 bis 3,00 Meter starke Steinmauern, deren Abgleiten verhindert werden mußte, verständlich sind. Die Bearbeitungen finden sich aber auch an heute nicht mehr begehbaren Steilflächen, über gähnenden Abgründen oder führen überhaupt ins Leere,so daß sie nur als Fundamentierung eines großartig geplanten, aber plötzlich abgebrochenen Bauwerkes gedient haben können. Vergleiche, die Herr Amtsrat W. Obergottsberger auf Grund seiner Erfahrungen 89

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