OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

nicht weniger als 37 Schellen eine andere der Möglichkeiten des Donauschulstils auf ihren Höhepunkt. Weiteren Beispielen des Vogelkopfmotives begegnen wir in der Kirche von Kirchberg im Süden des Bezirkes Braunau, an der Südtür von Wippenham und an der Westtür von Höhnhart. Das zweite große Gebiet gotischer Schmiedekunst neben dem Beschlag ist das Gitterwerk. Die einfachste Form des Gitters ist der „Gatter", wie meist das Rautengitter genannt wurde. Ferner gibt es heute noch Gitter, die zum Teil aus netzförmigen Kantstabdurchstoßungen gefertigt, am Eingang der Friedhöfe liegen. Diese „Beinbrecher" verhinderten als Roste das Eindringen der Schweine und Hunde in den Friedhof. Sie sind heute zum Beispiel noch in Münsteuer oder Magdalenaberg an ihrer ursprünglichen Stelle zu sehen.- Das überragendste Stück des Gitterwerkes in der Schmiedekunst befindet sich am Sakraments häuschen in der Stadtpfarrkirche Steyr. Der Meister dieser Spitzenleistung könnte der Schöpfer der Sakramentshäuschengitter in Maria am Gestade in Wien und im Preßburger Dom, Sigmund Fischer, sein. Das Steyrer Sakramentshäuschengitter mit seiner unendlichen Vielfalt, allein aus dem Vorwurf der Fischblase entwickelt, ist eine der großartigsten Stei gerungen in der Verwendung der „Wandelform",jenes für die späte hohe Gotik so überaus typische Thema. Die sechs Felder lassen sich zumindest doppelt lesen. Außerdem ergeben sich verschiedene Bilder, wenn man sie von links oder rechts liest. Diese sechs verschiedenen Wirbelmusterfelder des Steyrer Türchens sind von goldschmiedhafter Feinheit, die Kom position der Muster zeugt von größtem Einfallsreichtum.Das Gold und Scharlachrot im Peneelwerk des Sakramentshäuschens in Steyr wirft das Problem der Farbigkeit in der Eisenkunst auf. Die Beschläge waren ohne Zweifel größtenteils farbig gehöht, und zwar sowohl aus schmückenden heraldischen als auch aus schützenden Erwägungen heraus. Über dem Bohlengrund der romanischen Türen war eine sattgefarbte (meist rote) Tierhaut genagelt, darüber spannten sich vergoldete Eisenschienen. Die Unterlegung mit Rot oder Kornblumenblau bei den gotischen Sakristeitüren, die Vergoldung der Sakramentshäuschen gitter in Steyr, Altenburg und Pulgarn liefern den Beweis, daß die Farbigkeit mit Unrecht aus der Eisenkunst verbannt wurde! Das Rautenmuster, ein weiteres Kennzeichen der spätgotischen Periode, könnte sinn bildhaft als eine Häufung des Mehrungszeichens verstanden werden. Es ist eines der Motive, das sich zu allen Zeiten behauptet hat; es entwickelt sich zum Leitmotiv der Sakraments häuschengitter. Gotische Grabkreuze sind in Oberösterreich nicht erhalten. Bei aller Traditionstreue in der Weitergabe alter Formen und Techniken, alter uni versaler Lebensschau kann der gotische Zeitraum der Eisenkunst nicht als konservativ bezeichnet werden. Trotz Vorbildern aus der Natur kommt es niemals zum Naturalismus, zu einer Naturnähe. Die Umschmelzung erfolgt in eine abstrakte, meist lineare oder heral dische Sprache; alles Gegenständliche ist noch sinnbildhaft durchdrängt. In der späten Gotik wird das Malerische zunehmend stärker; so bahnen sich im Sprossenwerk - wie an den Krabben der Griffe - schon Ähnlichkeiten mit den Rocailles des Rokoko an. (Beispiele im Schloß-Museum Linz.) Diesen Schluß zu ziehen erlauben Beispiele aus 118 Orten. Nachgotik, Frühfenaissance und Manierismus In der nachgotischen Periode der Eisenkunst läßt sich eine Gruppe von Arbeiten zu sammenstellen, die stilistisch wie geistesgeschichtlich einen interessanten Faktor darstellt. So erhebt sich bei der Betrachtung des Beschlages des Südtores der Stadtpfarrkirche Steyr, der offenkundig eine Darstellung von Yggdrasil ist, die Frage, wie der Schmied um 1500

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