OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

um so mehr, als gleichzeitig auch die Überlieferung von einer großen Schlacht zwischen Christen und Heiden am Heidenstein bekannt ist (s. o.). Wir haben es hier offensichtlich mit der Fortsetzung des Kampfes der Unterlegenen mit anderen Mitteln in Form eines Guerillakrieges um eine als besonders wichtig angesehene Stätte zu tun, um eine zentrale Stätte, die entsprechend der Zeitlage nur eine solche von religiöser Bedeutung gewesen sein kann^^. (s. Abb. 15-21) Ist auch nicht überliefert, welche Eigenschaften des Heidensteins es waren, die die Sakralität der örtlichkeit ursprünglich angeregt und deren kultische Verehrung in so hohem Maße nach sich gezogen haben, daß sie nachgerade das wichtigste Streitobjekt in der Aus einandersetzung der beiden Bekenntnisse wurde, so gehen wir doch kaum fehl, wenn wir als auslösende Anlässe hiezu - abgesehen von der apriori feststehenden Materialheiligkeit des auffallenden Steinmales^® — die phallische und die vulva-ähnliche Gestalt einzelner Felspartien in Betracht ziehen, deren Fruchtbarkeitssymbolik die dem Felsen immanente ewige Zeugungskraft des Göttlichen andeutet, weiters die Schalen mit dem ständig darin stehenden Wasser*',vielleichtauch das oben beschriebene akustische Phänomen und mög licherweise auch noch einen durch die fünfte Sage angedeuteten Sachverhalt: denn wenn durch das Anlegen von Tierattributen erzeugten inneren Verwandlung des Maskenträgers einzugehen, wie dies aus den Quellen über die Träger von Bären- und Wolfshäuten (Berserker, Wolfskrieger-ulfhednar) hin reichend bekannt ist. Darüber haben L. Weiser und O. Höfler in ihren Abhandlungen über das Maskenkriegertum zahlreiche Belege vorgelegt. Wie geschlossen die Tradition nicht nur durch lit. Zeugnisse,sondern auch durch museale Objekte bezeugt ist, ersieht man aus den Prägeplatten der Helme von Wendel und Öland (6.-7. Jhd. n. Chr.), die Krieger mit Eberhelmen oder mit Eberzähnen im Mund darstellen, und aus Torslunda (6.Jhd.?), aufder ein Krieger mit kolossalem Wolfshaupt und in langem Fellkleid, aus dem die mensch lichen Beine heraussehen, dargestellt ist (W. Schultz, Altgerm. Kultur in Wort und Bild. München 1937, Abb. 171, 172; O. Höfler, a. a. O., Abb. 3). Ihnen stehen als beste mittelalterliche Beispiele die großartigen Grabplatten der Herren von Losenstein (Garsten) gegenüber, die bezeugen, daß die Sitte, Schreck- und Ver wandlungshelme auch zur Ritterrüstung zu tragen, noch im 13. bis 15.Jhd. wohl bekannt war. Bessere Zeug nisse als diese früh- und hochmittelalterlichen Dokumente ließen sich zur Illustration der Sage von den mas kierten Kirchenbaumaterial-Verschleppern wohl kaum beibringen. "Mitteilungen über derartige bewaffnete Zusammenstöße zwischen Christen und Heiden sind innerhalb der o.ö. Sagen selten. Wo sie auftreten, verbinden sie sich regelmäßig auch mit anderen Berichten über das Nach wirken des alten Volksglaubens. Bes. deutlich zeigt sich dies in Traunkirchen, dessen Klostergründung be kanntlich zu den frühesten des Salzkammergutes gehört. Hier wird von einem Sieg der Christen in einer Schlacht am Sieggraben und dem darauf folgenden „Sturz" der „Götzenbilder" berichtet. Das Haupt eines solchen „Götzen" soll der römische Kopfsein, der im Johanniskirchlein eingemauert ist. Nach anderer Überlieferung soll er mit den „heidnischen Seeräubern" in Verbindung stehen, die einst das Gestade um Traunkirchen unsicher machten. Die Tatsache vorchristlicher Kulttätigkeit wird bestätigt durch die vor kurzem erfolgte Auffindung von „Paletten", diesen für die Felsbilder der Cal Camonica typischen Motiven, unter den vom Verf. 1943 entdeckten neuzeitlichen Felsinschriften (E. Burgstaller, Die Traunkirchner Felsinschriften. O.Ö. Heimatbl. IV, 1950, 125 ff.). *' Die Verehrung von Steinen und Felsen als Sitz und Träger sakraler „Macht" ist weltweit verbreitet, s. M. Eliade, Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte. Salzburg 1954, 147 ff. Dem entsprechend hat sich auch die Kirche seit dem frühen Mittelalter immer wieder energisch gegen den brauch tümlichen Steinkult gewendet. Bereits der hl. Hieronymus(331^20) tadelt in seinen Homilien die ignorantes creatorem et adorantes lapidum (die den Schöpfer nicht erkennen und Steine anbeten). Ihm folgen die Be schlüsse von Konzilen wie jenen von Arles (452) und Toledo (681), die die venatores lapidum (Anbeter der Felsen) verurteilen. Auch die Synode von Liftinae (743) zählt unter die heidnischen Bräuche in ihrem „Indiculus superstitionum" das Tun jener, qui sive immolant super petras, sive ad fontes, sive ad arbores (die opfern auf Felsen oder an Quellen und Bäumen).Dasistnun insumma alles,wasan charakteristischen Naturraerkmalen auch für den Eibenstein zutrifft, wenn wir das stets in den Schalen stehende Wasser den „fontes" gleichsetzen und auf die Verehrung von heiligen Bäumen verweisen, die sich in der vorchristlichen Kultübung immer wieder findet (s. M.Eliade, Die Religionen und das Heilige, Salzburg 1954,96 ff.; G.Zenker, Germanischer Volksglaube in fränkischen Missionsberichten. Stuttgart 1939, 85 ff.; Chr. Caminada, a. a. O., 1^ f.; Handwb.d.deutschen Aberglaubens VIII(Art.Stein).Zur kelt. Steinverehrung s.Jan de Vries,Kelt.Religion. Stuttgart 1961, 186 ff. "In diesem Zusammenhang ist aufJan de Vries, a. a. O., 186 aufmerksam zu machen, wo erwähnt wird, daß aufder Hebrideninsel Fladdahuan über einen Stein aufdem Altar berichtet wird, der immerfeucht sei. Wenn Fischer wegen Windstille nichtausfahren konnten,gingen siezur Kapelle mitdiesem Stein,schritten in Richtung der Soime um ihn herum und sprengten Wasser aufihn. Man konnte gewiß sein, daß sich ein kräftiger Wind erheben werde (nach Lewis Spence, An introduction to mythology. 1931, 27). De Vries denkt angesichts 87

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