OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

Daß sich als„Fuchtelmänner"Irrlichter, die das Volk als Erscheinungsformen der armen Seelen ansieht®^, im Bereich sumpfiger Stellen,wiesie um Eibenstein vorkommen,1,2,ab und zu sehen lassen, wird niemanden wundern, ebensowenig, daß man sich die Entstehung gewaltiger, mauerartig sich auftürmender oder durch irgendwelche Naturkatastrophen in Trümmerfelder zerstürzter Felsmassen als Bezeugungen für Bauwerke von Riesen ausdeutet, wie dies auch anderwärtig erzählt wird''. Nummer 3 bis 5 aber gehören dem Kreis jener lokalhistorischen Sagen an, für die sich meist ein geschichtlicher Kern als Anregung und Ausgangspunkt der jeweiligen Erzählung nachweisen oder wahrscheinlich machen läßt. Nur wenige Ereignisse haben die Geschichte der Bevölkerung ganzer Landschaften so einschneidend und dauernd beeinflußt wie die Bekehrung zum Christentum. Wer die Geschichte kennt, weiß, daß sie auch in Europa nicht immer reibungslos verlaufen ist. Verschiedentliche Sagentypen, die in diesem Zusammenhang entstanden sind, halten diese Auseinandersetzungen fest und vermitteln die Kenntnis manchen Geschehens, das in der amtlichen Geschichtsschreibung unberücksichtigt geblieben ist. Hierher gehören insbe sondere die Sagen vom verschleppten Kirchenbaumaterial, in denen sich das zähe Ringen um die Beibehaltung oder Zerstörung und Umwandlung alter vorchristlicher Verehrungs stätten spiegelt, und die wenigen Erzählungen über heftige kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Bekennern des alten und des neuen Glaubens. In Oberösterreich kennt man aus zahlreichen Orten die Sage, daß man bestimmte Bauplätze zur Errichtung von Kirchen ausgewählt habe, das tagsüber herbeigebrachte Baumaterial aber durch einige Zeit hindurch während der Nacht auf geheimnisvolle Weise an einen unter Umständen weit entfernten Ort verbracht wurde. Die Bauleute sahen schließ lich darin eine Weisung Gottes oder bestimmter Heiliger und errichteten deshalb das neue Gotteshaus an der solcher Art bezeichneten Stelle. Die „Weisung" geschah entweder dadurch, daß ein Vogel die durch einen Arbeitsunfall blutig gewordenen Späne vertrug, oder das Balkenwerk und die Steinladungen durch „Engel" oder andere himmlische Wesen verbracht wurde'^.Ein einziges Malvermeint die Ortstradition, daß bei diesem geheimnisvollen Trans port auch der Teufel seine Hand im Spiel gehabt hätte". Während aber in allen übrigen bisher bekannt gewordenen Sagen dieser Art nur von geisterhaften Wesen die Rede ist, kennt man in Eibenstein - und das ist das ganz Außer gewöhnliche an dieser Sagenfassung - die Verhinderer des Kirchenbaues als sichtbare Realitäten, als Wesen mit menschlichen Armen und Beinen, aber mit Tierhäuptern, kurz, als eine Gruppe von Menschen, die unter Einsatz von Terror und Schreckmasken dem Vor haben des Kirchenbaues auf einem ihnen nichtgenehmen Baugrund begegneten. Die Beschreibung läßt kaum einen Zweifel darüber, daß wir es hier mit der Existenz eines institutionellen Kultbundes von der Art zu tun haben, wie sie u. a. mit entsprechenden germanischen und indogermanischen Parallelen in beträchtlicher Anzahl (nach den voraus- "s. A. Depiny, a. a. O.94;Handwörterbuch d. deutschen Aberglaubens II, 1406 f. "s. A.Depiny, a. a. O.27 f. A. Depiny, a. a. O. 321 ff.; Caminada, a. a. O. 100; daß das Baumaterial von „Engeln" vertragen wurde, wird u. a. berichtet von den Kirchenbauten in St. Pantaleon, Bez. Braunau, Seewalchen und Ottnang (dazu s. A. Grausgruber, Sagen aus dem Hausruckviertel. O.Ö. Heimatbl. 1969, 1./2. H., Nr. 23). "Grünau (Depiny, a. a. O. 321). Eine im Zusammenhang mit dem Eibenstein interessante Variante berichtet der Volksmund aus Pfarrkirchen:„Aufeinem gewaltigen Felsen, der Teufelskirche heißt, wollten die bekehrten Einwohner eine Kirche bauen. Immer wieder zerstörte der Teufel (!) das. Werk und Engel trugen das Bau material an die Stelle, wo jetzt die Pfarrkirche steht. Nun baute man dort das Gotteshaus. Acht Engel, die das Gewölbe tragen, erinnern noch an die wunderbare Begebenheit" (Depiny 323). 85

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2