OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

in Offenhausen, Scharten, Lorch-Enns ganz übersehen würde. Statt abzuspalten, läßt man im Osten des Landes die abgabelnden Äste nur scheinbar herauswachsen, indem man sie unter das eigentliche Band schiebt. Eggeisberg mit den Beschlägen an der Nord-, Süd- und Sakristeitüre mag als Beispiel für den Braunauer Bezirk gelten. Das Schlüsselfeld der Nordtüre zeigt den Bauhüttenschlüssel der Burghausener Vorhütte. Die Lebendigkeit des die Türfelder überziehenden, für das Innviertel besonders typischen Liliendekors, zu dem sich auch Schellen (Braunau, Egger ding), Weintrauben (St. Florian a.I.), Lindenblätter (Eitzing)und Sonnenmotive(BraunauSpitalskirche, Höhnhart) gesellen, findet östlich des Hausrucks keine Entsprechung. Sicher lich seit dem 13. Jahrhundert ist auch in der Eisenkunst die Ilge-Lilie sehr beliebt, ja sie wurde geradezu die Leitform unzähliger Türbeschlagmuster. Der Stand des hohen künst lerischen wie technischen Könnens zwingt zu glauben, daß den Schmieden die Lilie als Lebenssproß wie als Bild der Feuerflamme besonders nahegestanden haben muß. Im Pflanzendekor liegt das Wesen dieser Gotik. Bei diesem Pflanzendekor handelt es sich jedoch nicht um naturalistische Darstellungen, sondern es geht hier vielmehr um Sinnbildhaftes, wodurch sich das Problem der volksnahen Tradition vordrängt. Die lebendige Stärke der Überlieferungswelt innerhalb der sich kaum merklich wandelnden jeweiligen kunsthistorisch geläufigen Formensprache läßt gerade die Eisenkunst als einen fruchtbaren Acker volkskundlicher Forschung erkennen. Nicht immer wird das Beschlagsband zum Ausgangspunkt der Ornamentik, auch die Rautengittermuster treten auf. Bei ihnen sind die Felder zwischen dem Beschlag mit schlan ken, etwas dürren Lilien, wie zum Beispiel in St. Georgen am Fillmannsbach oder in Aurolzmünster, belebt. In Münsteuer, Eggerding, Haigermoos, Andorf sprossen dreigabelige Äste aus Lilien. Ein Beispiel dafür, wie reich und verschieden die einzelnen Türen bei gleichem Grund typ sein können, liefert das kleine Kirchlein St. Florian a.I. Bei beiden Türen St. Florians liegt eine lyraähnliche Aufgabelung der Türbänder vor. An der Haupttüre sind drei ver schiedene „Lilienblüten" duftig über das Feld gesponnen. An der mit Eisenblech überzo genen Sakristeitürejedoch sind die Felder zwischen den Bändern dicht mit Blättern, Eicheln, Weintrauben, einzelnen Lilien und Feigenblättern gefüllt. Verglichen mit den lockeren, heiter grüßenden, harmonisch abgewogenen der Eggelsberger Art oder mit dem Duft des Beschlages in St. Florian a. I., mit dem starren Beschlag der an die Holztüren niedergena gelten Rautenstäbe, sprechen die bewegten späten Innviertier Beispiele in ihrer Überstei gerung für die Endgotik in einer der Donauschule entsprechenden, den Beispielen im Osten des Landes völlig verschiedenen Sprache. Die Stengel der Lilien winden sich wie Schlangen, sie scheinen sich zu überkreuzen. Die von den (meist drei Türbändern abspros senden Abgabelungen biegen sich auf wie Vogelköpfe und entlassen aus ihren abermals zurückgeworfenen Schnäbelchen Gewürm, das in Dreierbündeln losbricht. Diese „Lilien" bringen etwas so Erregendes zum Ausdruck, daß man meint, Kräften zu begegnen, die eben im Überdruck zerbersten. Der Innviertier „Vogelkopf-Beschlag" bedeutet in der österrei chischen Eisenkunst nicht nur für diese Zeit die höchste Steigerung. Mit diesem Hilfsaus druck-abgeleitet aus der Form - bezeichnet der Verfasser unter den vielen Lilienbeschlägen jenen Typ, der an Vitalität und explosiver Dynamik unübertroffen den Donauschultyp der Eisenkunst schlechthin bedeutet. Er ist am häufigsten im Braunauer Bezirk, doch auch im Rieder und Schärdinger Bezirk vertreten und erreichtseinen Höhepunktin der St.-LeonhardsKirche in Geiersberg. Die innere Sakristeitüre der Stephanskirche in Braunau führt mit

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2