OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

Der Teufel soll nun alle auseinanderklauben und wieder in die richtigen Säcke füllen. Der Unheimliche aber übergibt dem Müller ein dickes Buch, aus dem soll er von hinten nach vorn und jedes Wort verkehrt mit brüllend lauter Stimme vorlesen. Der Müller schwitzt bei seiner rmgewohnten Aufgabe gehörig, und die Teufel treiben sich hurtig umher, um so rasch wie möglich alle Körner wieder in die richtigen Säcke zu füllen. Da gelingt es dem Müller gerade noch mit lauter Stimme das letzte Wort zu lesen, ehe der Teufel die letzte Handvoll Körner zu sortieren beginnt. Zornig fluchend und mit wüsten Verwünschungen zieht der Satan ab. Der Müller aber ist gerettet. 55. Der Feuerbeschwörer Als der Markt Wolfsegg einmal abbrannte, näherte sich das Feuer schonderKirche und drohte auch diese zu einem Raub der Flammen werden zu lassen. In höchster Not riefen die Wolfsegger nach dem „Ottnanger Feuerbanner". Dieser schrieb mit geweihter Kreide ein paar Worte oder Buchstaben auf einen rußigen Teller und warf diesen ins Feuer. Sogleich soll das Feuer aufgehört haben, weiter um sich zu greifen. 56. Der Bandlkramer am Atzberg Bei den „Sieben Wegen" saß um Mitternacht ein Bandlkramer mit einem großen Knäuel Bänder, die er mit einer Elle maß. Die Bänder wollten gar kein Ende nehmen. Schon war der ganze Platz rundum voll lauter Bänder. Da gingen die Leute hin, um das Wunder zu bestaunen. Aufeinmal aber saß statt dem Bandlkramer der Teufel aufderselben Stelle und rupfte eine schwarze Henne. Und diegerade erst noch herumliegenden bunten Bänder waren jetzt lauter schwarze Hühnerfedern. 57. Das Schloßfräulein von Wolfsegg Im Seeschloß Ort lebte ein Graf, der eine Tochter hatte, die die Freude seines Herzens war. Als er einstin den Krieg ziehen mußte,übergab er das Mädchen seinem treuen Vasallen, dem Burgvogt von Wolfsegg. Dieser sollte es wie seinen Augapfel hüten. Schnell verbreitete sich die Nachricht, daß im Schloß Wolfsegg das schöne Mädchen war,und alsbald suchten viele adelige Jünglinge die Burg auf, um ihre Liebe zu gewinnen. Der Burgvogt nahm seine Aufgabe ernst und bewachte seinen Schützling vor den zudringlichen Freiern. Trotzdem gelang es dem jungen Wartenburgcr, dem Mädchen seine Liebe zu bekunden. Bald wurde diese Liebe erwidert. Der Vogt erfuhr aber von der gegenseitigen Liebe und schloß die Jung frau in einem Gelaß der Veste Wolfsegg ein. Der Wartenburger belagerte daraufhin das Schloß. Die Burg wurde erobert, aber das Mädchen konnte nicht gefunden werden. Der unglückliche Wartenburger wurde als Landfriedensbrecher angesehen und für vogelfrei erklärt. Lange Zeit bleib er verschollen. Dann tauchte er plötzlich am Traunsee auf. Er hatte in Erfahrung gebracht, daß das Mädchen von Wolfsegg in das Nonnenkloster Traunkirchen gebracht worden war. Es gelang ihm sogar, sich mit ihm zu verständigen. Senkte sich die Nacht über den See, leuchtete im Kloster an einer verabredeten Stelle ein Lichtlein auf. Beherzt sprang der Ritter in die kalten Fluten, durchschwamm den See und hielt bald darauf an einer verborgenen Ecke des Klosters die Geliebte in seinen Armen. Ein Frühling und ein halber Sommer soll den Liebenden solcherart beschieden gewesen sein. Eines Nachts aber war der Himmel bedeckt und ein Sturm peitschte über den See. Als der kühne Schwimmer die Mitte des Gewässers erreicht hatte, erlosch plötzlich das Licht am Kloster. Bald verlor er die Richtung, immer mehr ermatteten seine Arme, ehe er in den kalten Fluten versank. Am Ufer wartete die Jungfrau vergebens auf den Geliebten. Inbrünstig betete sie, er möge in dieser Nacht nicht über den See schwimmen. Ihr Gebet wurde nicht erhört. Am 59

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