OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

Sagen aus dem Hausruckviertel gesammelt von Alois Grausgruber 1. Die Wetterglocke von Unteraffnang Die Filialkirche von Unteraffnang ist dem Wetterheiligen St. Florian geweiht. 1685 bekam sie eine Glocke, die die Affnanger nicht nur zu den seltenen Gottesdiensten herbei rufen, sondern ihnen auch Schadenfeuer und herannahende Unwetter melden sollte. Das Läuten der Glocke besorgten die jeweiligen Besitzer des Sölln-Kramer-Häusls, die auch die Mesnerdienste leisteten. Um 1700 kam einmal ein großes Gewitter aufgezogen, das sich über Unteraffnang auszuschütten begann. Da stürzte der Sölln-Kramer in die Kirche, zog am Glockenseil, und schon nach kurzer Zeit ließ das Unwetter nach. Während er noch läutete, hörte der Mesner durch die Kirchenfenster herein eine fremde Stimme: „Wanns ös dös Wedaglöckl net hätt's, dat ma enk fest scheucha". Bis an sein Lebensende blieb dem Sölln-Kramer diese Stimme in Erinnerung. Als sich das Gewitter auflöste und die letzten taubeneiergroßen Hagelkörner noch überall herumlagen, nahm der Mesner eines davon in die Hand. Im Nu schmolz das Eis, und ein Binkel weißer silbriger Fäden blieb aufseiner Hand zurück. Waren es vielleicht Haare einer Wetterhexe? Jedenfalls war es ein Zeichen dafür, daß das Wetter angehext war. Die Affanger aber wußten nun, daß ihnen kein Wetter mehr was anhaben könne, wenn das Glöckl rechtzeitig geläutet wurde. Heute ist die Glocke längst verschwunden; beim ersten Weltkrieg mußte sie „einrücken" und kam nicht mehr zurück. 2. Das Beutelweibl am Kirchensteig Der Kirchensteig von Unteraffnang nach Altenhof führte vor 120 Jahren noch durch einen Wald. Dort hielt an besonders finsterer Stelle in den Rauhnächten das Beutelweibl Tabaksbeutel feil. „lablsmal"(d. h. zuweilen) wollten junge oder ältere Männer heraus bekommen, was es mit diesem Weibl auf sich hatte. Alle sahen zwar diese Gestalt, aber wenn sie sie ansprachen, schlug sie ihnen einen Bund Tabaksbeutel um die Ohren und war für diese Nacht verschwunden. 3. Die Ahnfrau von der Ziegelroith Auf einer auffallenden Erhöhung zwischen Geboltskirchen und Altenhof liegt die Ziegelroith. Einst soll hier ein Vorwerk der Festung Gröbming bei Hofkirchen gestanden sein. Die Besitzer dieses Schlosses aber waren wild und ausschweifend und vergaßen den Edelmut und die ritterliche Sitte ihrer Vorfahren. Als einst die greise Schloßfrau von Gröb ming den jungen Herren ihr wüstes Leben vorhielt und sie zur Umkehr aufrief, ließ der Schloßherr seine Mutter auf das Vorwerk Ziegelroith bringen und dort den Turm hinab stürzen. Seither lastet ein Fluch über Gröbming und Ziegelroith.Jährlich an ihrem Todestag soll sich die Schloßfrau zeigen und weinend über das unselige Ende ihrer Familie auf dem Vorwerk herumgehen. Die Schulchronik von Atzbach berichtet die Geschichte des Schlosses so: Hinter einem Wäldchen bei Altenhofliegt die Ortschaft Gröbming,wo früher einmal ein Schloß gestanden ist. Auf einer Anhöhe oberhalb dieser Stelle ist der Waldboden deutlich rötlich gefärbt. Wenn man mit dem Stock in der Erde gräbt, kommen Ziegelstücke zum Vorschein, die zweifellos von größeren dunkler gefärbten Ziegeln stammen, als sie heute gebräuchlich sind. Der Wald führt nach diesen Ziegelresten seit alters den Namen „Ziegelroith". Man erzählt: Wenn ein Mai-Sonntagskind um Mitternacht über die Ziegelroith geht, sieht es 44

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