OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

Pfeilers sind vier Relieffiguren. Drei davon zeigen in drastischer Weise die üblen Folgen übermäßigen Weintrinkens -Trunksucht: Weinkrug in der Rechten, Geste mit der Linken, Körperhaltung und Gesichtsausdruck (Abb. 6); Darm- und Bauchschmerzen: die Rechte am Gesäß, die Linke am Bauch,Gesichtsausdruck;Blasen-und Herzbeschwerden:dieRechte an der Blase, die Linke am Herzen, Gesichtsausdruck (Abb. 7)-,während die vierte Relief figur einen Mann darstellt, der ohne Beschwerden sich anschickt, aus der hohlen Rechten Wasser zu trinken, und der in der Linken vor die Scham Fruchtbarkeitszweige hält. Über diesen Relieffiguren befinden sich vier wasserspeiende Fratzenköpfe, dazwischen wieder die oben erwähnten Wappen. Aus den zwischen vier geschweiften Spitzbogen mit gebogenen Kreuzblumen sich verschlingenden Ästen erhebt sich ein achteckiges Prisma mit zierlich geschnittenen Flachornamenten, die sich aus Blütenkelchen und Blütenbüscheln, ArmleuchterteUen, Kugeln u. a. zusammensetzen. Den Abschluß bildet eine Statue, die den hl. Wolfgang mit dem Stab in der einen und mit der Kirche in der anderen Hand darstellt. Lienhart Rannacher wurde um 1460in Passau geboren. 1482 goß erim Auftrage des Passauer Stadtzeugmeisters Büchsen. Später wurde er Stadtbüchsenmeister. Da er für ehe malige, zu Klöstern gehörige Kirchen Glocken goß (1508 Kirchberg bei Kremsmünster, 1509 St. Marienkirchen a. P., 1524 Waldkirchen bei Engelszell), er sich also auch als Glocken gießer betätigte, wird wahrscheinlich auch unsere im Jahre 1514 von Abt Wolfgang in Auf trag gegebene Glocke, deren Gießer aufihr nicht genannt ist, von ihm gegossen worden sein. Ob Lienhart Rannacher außer unserem Brunnen auch noch andere derartige Werke schuf, läßt sich nicht mit Sicherheit nachweisen, obwohl ihn die Literatur vereinzelt auch als Brunnenmeister bezeichnet. Der aus Nürnberg stammende Peter Mülieh war aller Wahrscheinlichkeit nach als Geselle bei Rannacher an der Herstellung des Brunnengusses mittätig; vielleicht stammen von ihm die im Renaissancestil gehaltenen Partien. Die jüngere Literatur' überschätzt wohl seinen Anteil am Brunnen, wenn sie in ihm trotz Rannachers zweimaliger Meisterinschrift den eigentlichen Schöpfer dieses anmutigen Brunnenwerkes sieht. Über den Brunnen wölbt sich ein barockisierter Frührenaissance-Rundbogenbau. Vier schlanke, mit leichtgeschwellten Schäften und einfachen Kapitälen versehene Säulen, die auf sechseckigen Postamenten ruhen, tragen Korbbogen, von denen aus sich eine flache Kuppel wölbt. Zwei einander gegenüberliegende Säulen tragen an den Kapitälen auf Schildern das verschlungene Monogramm des Abtes Wolfgang und die Jahreszahl 1518. Brunnen und Schutzbau befanden sich um die Jahrhundertwende in ziemlich verwahr lostem Zustande. Sie wurden im Jahre 1902 in der Fachschule zu Ebensee von Schmutz kruste und Wasserstein gereinigt, die großen Löcher in der Brunnenschale und im Brunnen fuße wurden mit Metallstückchen ausgefüllt, die Kirche in der Hand der St.-WolfgangsStatue wurde teilweise erneuert. Der Schutzbau wurde genau in der Form seines demolierten Vorgängers unter Verwendung der alten Steinsäulen, der Deckplatten und des Dach knaufes hergestellt. Der gleiche baukünstlerische Takt, den so viele alte Brunnen, Tore und Türme in Auf bau, Gliederung und Schmuck zeigen, tritt uns auch bei diesem Brunnen entgegen. Er ist weder armselig noch überladen;kein Glied ist trotz allerFreiheitder Komposition bedeutungs los oder willkürlich; gut abgewogen erscheint das Verhältnis des plastischen Schmuckes 'Ortner E., Alpenluftkurort, Gebirgsseebad und Wintersportplatz St. Wolfgang am Wolfgangsee. Innsbruck 1931; s. auch Rieder, a. a. O. 34

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2