OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

das Stift einen päpstlichen Schutzbrieferhalten; dieser verlor in dem Augenblick seinen Wert, als Passau ältere Rechte nachweisen konnte. Da es Kremsmünster nicht gelang, seine in Wahrheit noch älteren Ansprüche zu dokumentieren, mußte es sich mit der erwähnten Neufassung der Urkunde von 1249 abfinden. Wollte man also tatsächlich vorhandene Rechts titel erfolgreich verteidigen, brauchte man mögliehst alte Urkunden. Waren solche nicht vorhanden,so sah man sich gezwungen,sie selbst herzustellen®" oder späteren Güterzuwachs in ältere Dokumente hineinzuinterpolieren. 8. In den geschilderten Fällen ging es darum,tatsächliche oder vermeintliche subjektive Rechtsansprüche urkundlich zu erweisen. Die mittelalterliche Fälschertätigkeit war also eine Art Selbsthilfe, die in vielen Fällen durch die Umstände erzwungen wurde, wollte man nicht auf sein „gutes altes Recht" verzichten. So gesehen scheint mir der Abstand von der „geheimen Schadloshaltung", die — unter bestimmten Bedingungen — auch heute noch von den Moralhandbüchern als erlaubt hingestellt wird®", nicht besonders groß zu sein. Dieser Gedanke gewinnt noch an Bedeutung, wenn man bedenkt, daß während des ganzen Mittelalters das Fehdewesen üblich war, bei dem auch ein einzelner die Verteidigung seiner Rechte selbst in die Hand nahm. Was für den einen das Sehwert, war für den anderen die Feder! Wir haben versucht, einem Verständnis der mittelalterliehen Fälschertätigkeit von der damaligen Situation her näher zu kommen. Die Ausführungen wollen nicht als eine Art „Generalabsolution" verstanden sein. Es gab auch im Mittelalter den skrupellosen Fälscher, dem es darum ging, sich durch seine Erzeugnisse unrecht Hab und Gut anzueignen. Aber diese zahlenmäßig wohl geringere Gruppe ist leicht beurteilt und bedarf daher in unserem Zusammenhang keiner ausführlichen Erörterung. Von den anderen Falsifikaten aber darf wohl in vielen Fällen die „bona fides" der Her steller angenommen werden. Ein starker Einwand dagegen scheint die mittelalterliche Gesetz gebungzusein,die wie Peter Herde erst unlängstin einem lesenswerten Aufsatz dargetan hat®*, dem Fälscherdelikt mit scharfen Strafen begegnete. Aber - und auch das geht aus den Aus führungen Herders hervor - Prozesse waren nicht besonders häufig. Das geistliche Recht war zudem stets um einige Grade milder als das weltliche; die Mehrzahl der Fälscher aber waren Kleriker, und eine Auslieferung an den weltlichen Arm kam nur selten vor. Schließlich gingen die Hersteller von Fälschungen, durch die niemand geschädigt wurde, in der Regel straffrei aus. Gerade dieser Umstand unterstreicht die Auffassung Horst Fuhrmanns, der davon spricht, daß der redliche „Fälscher" stets „vor der Schwelle des Deliktes" blieb, weshalb ihn die „Strafrechtsbestimmungen nicht schrecken" konnten,„weil sie ihn gar nicht erreichten®®". ®" Vgl. Kern, a. a. O.,35f. ®» Vgl. dazu LThK 9(«1964) 360f. '* Vgl. Anm. 40. ®® Fuhrmann, Schlußwort, a. a. O.,592. 31

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