OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

Gründung ist unbekannt, da sich die zwei überlieferten Stiftbriefe als Fälschungen erwiesen haben.J. Oswald hält es für möglich^", daß es eine echte Gründungsurkunde nie gegeben hat. Der mit 1067 datierte Stiftbrief zeigt nach den Feststellungen von Oskar v. Mitis einen Stand „knapp vor 1144" und scheint unter Zuhilfenahme von Traditionsnotizen und späteren Urkunden entstanden zu sein; das darin enthaltene Güterverzeichnis führt den gesamten Besitz an, den man zur Zeit der Herstellung der Urkunde hatte''^. St. Nikola war also im 12.Jahrhundert bestrebt, sich sein Besitztum dadurch rechtlich zu sichern, daß man es vom Gründer herleitete. Tatsächlich aber gehörten viele der aufgenommenen Erwerbungen einer späteren Zeit an. 6. Abschließend noch eines der bekanntesten Beispiele mittelalterlicher Fälschertätigkeit, die berühmt-berüchtigten Lorcher Fälschungen. Gleich nach seiner Ernennung verdiente sich der uns aus dem Nibelungenlied vertraute Passauer BischofPilgrim seine ersten Sporen mit der Missionierung der nach den Niederlagen im Westen (955 in Augsburg) und Osten (970 in Konstantinopel) seßhaft gewordenen Ungarn. Er berichtet selber darüber in einem fingierten Brief an Papst Benedikt VII., und wir haben keinen Grund,ihm in dieser Sache zu mißtrauen. Die Wahl des hl. Stefan als Patron des Domes von Gran und der Taufname des christlich gewordenen Ungarnkönigs Stefan des Heiligen beweisen ja die Zusammenhänge mit Passau ebenso wie der Umstand, daß der hl. Wolfgang von seiner erfolglosen Ungarnmission von Bischof Pilgrim zurückgerufen wurde; dadurch, daß Wolfgang diesem Ruf Folge geleistet hat, hat er die Kompetenz Passaus grundsätzlich anerkannt. Es war nun sehr naheliegend, daß Pilgrim versuchte, seinen Einfluß auf das Missions gebiet zu halten, ja womöglich auszudehnen. Mit seinem schon erwähnten- nie abge schickten - Brief an Benedikt VH. sowie zwei unechten Königs-und fünf Papsturkunden versuchte unser Bischofden Nachweis zu erbringen, daß er der rechtmäßige Nachfolger der Lorcher „Erzbischöfe"sei; Vivilo,der erste Bischofvon Passau,sei zugleich der letzte Lorcher Bischof gewesen; infolge dieser „translatio cathedrae" gebühre ihm, Pilgrim, das Pallium sowie die Metropolitanrechte über ganz Ungarn und Mähren (Pannonien und Mösien). Da es in Bayern seit 798 schon einen Erzbischofgab,den Oberhirten von Salzburg,kam für Passau alles darauf an, noch ältere Rechte zu erweisen; dem diente der Hinweis aufdie Zu sammenhänge mit Lorch. Um die Sache auch praktisch durchführbar zu machen,wurde ein Kompromiß in Erwägung gezogen, nach dem die bayerische Kirchenprovinz in zwei un abhängige Metropolitanverbände aufgeteilt werden sollte. Die Fälschungen verraten eine genaue Kenntnis der ehemaligen Lorcher Verhältnisse und der Vita Severini des Eugippius. Pilgrim weiß z. B., daß es zwei Pannonien gab (superior et inferior) und daß Lorch einmal Bischofssitz war; auch beansprucht er für sich den Titel „pontifex", den der einstige Lorcher Bischof Constantius geführt hatte; schließlich läßt er Papst Benedikt die Anerkennung der Lorcher Metropolitanrechte u.a.deswegen aussprechen, weil dort zur Verfolgungszeit mehrere für ihren Glauben mit verschiedenen Martern hin geschlachtet wurden („illic plures in tempore persecutionis pro fide variis sunt tormentis mulctati"). Gerade der letzterwähnte Hinweis hat sich jüngst durch die Entdeckung und wissenschaftliche Untersuchung der Reliquien der in der Florianilegende erwähnten 40 Märtyrer glänzend bestätigf"^. J. Oswald -H.K. Moritz, Sankt Nikola zu Passau,Passau o.J.,S.9. Mitis, a. a. O.,90-100. Dort auch die Quellenbelege. "W.Neumüller,Sie gaben Zeugnis, Wien-Linz-Passau [1968]. 26

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