OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

Vom Bandiwerk zum Rokoko Alte Tradition und das neue Bedürfnis nach Repräsentation verbinden sich zu einem neuen Stil. Zum Laubwerk kommt in rasch zunehmendem Maße das Bandiwerk. Am Beginn der Treppenanlagen des in der Barockzeit überaus wichtigen Stiegenhauses, wo sich der schöpferische Geist der Künstler am freiesten ausleben kann, erhält das Gitter die neue Aufgabe, in hoher Prachtentfaltung dem Eintretenden zu künden, wer hier wohnt und wie groß seine Macht ist. In dem 1728 entstandenen Gitter in Kremsmünster schloß sich der Stiftsschmied Valentin Hofmann jedoch nicht dieser Richtung an. Mit diesem durch das erstmalige Verschwinden des horizontalen Renaissancerahmens gekennzeichneten Gitter übernimmt abermals Kremsmünster die Führung in der Eisenkunst, die es schon unter Walz besessen und bis zum Einbruch des Bandlwerkstils gehalten hatte. Kremsmünster liefert damit zugleich aber auch seinen letzten großen Beitrag zur Eisenkunst Oberösterreichs. Die Einbrüche reifer „Bandlwerkkunst" sind trotz der Fruchtbarkeit dieser Jahre in Oberösterreich an den Fingern abzuzählen.Die schönsten unter ihnen sind die beiden Pracht gitter im Stiegenhaus zu St. Florian von Peigine 1730. Die an Größe mächtig zugenommenen Kelchblumen geben nun die Möglichkeit der Prachtentfaltung und überglänzen mit ihrem Gold das Gitter. Auch das Hofmanngitter im Linzer Bischofshof gehört hieher. Die Formelemente des Rokokos kamen von Bayern nach Oberösterreich. Auf Linzer Boden (Minoriten-, Pöstlingbergkirche, Wilhering) findet die große Begegnung zwischen dem aus dem Westen kommenden Rokoko und dem von Osten auslaufenden Reichsstil statt. Es läßtsich feststellen, daß das asymmetrische Rokoko über den altbairischen Siedlungs raum nicht wesentlich hinausgeht. Gewisse französische Rokokoformen seit dem Regence verbinden sich durch Betonung der Symmetrie leichter mit dem Wiener Barock. Die kultu relle Nahtlage Oberösterreichs bringt es mit sich, daß die Inn- und Donauklöster das Bild besonders mitbestimmen, die Zusammenstellung der Vorkommen ergibtjedoch nicht einmal 70 Punkte dieses Stiles in unserem Lande. Sie bleibt demnach zahlenmäßig hinter allen anderen großen Kulturperioden zurück. Die Auszier der Feldmittelpunkte durch „Blätschen" oder Rosetten und nicht zuletzt die Wölbung des Gitters geben jenes zauberhaft heitere Musikalische, das diesen neuen Stil begleitet. Als neue,immer mehr bestimmende Form im Ornamentschatz kommt als Haupt merkmal der rokokobeherrschten Endphase des Barocks die Rocaille auf, die dem Stil den Namen gab. In der Regel goldig gehöht sind diese flimmernden Blechgetriebe häufig an Oberlichten, mehr noch an Wirtshausschildern und Grabkreuzen, sowohl in ländlich primitiver alsauch intechnisch vollendeter Hochkunstform,zusehen.Sie bilden vielfach durch ihre Verschleppung bis in die Biedermeierzeit herauf eine glückliche Überbrückung der klassizistischen Nüchternheit. Der Zähigkeit der Rocaille ist es zu verdanken, wenn die Eisenkunst später verdorrt als andere Zweige des Handwerks. Zeitlich bilden sich um 1745 und um 1770 Schwerpunkte, wie die Gattringer-Gitter in St. Florian (1747), das Abschluß gitter in Engelszell (1748), das farbige Prachtgitter in Wilhering und die Gitter in Pfarr kirchen sowie in Linz, Maria-Thal (1746) - ein Gitter, das wohl auch von Ludwig Gattringer stammt.Das bedeutendste Türgitter in der reifen Rokokozeit ist das Wilheringer Gitter um 1745. Es zeigt sowohl die muschehgen Rocailles des Rokokos wie die Palmetten muschel und den schmalgewordenen, schilfahnlichen Akanthus der Regencezeit. Von gröberer bayrischer Art sind die beiden Tore von 1765 im Stift Reichersberg a. I., deren Meister,ebenso wie der von Wilhering, nicht bekannt ist. Ein weiteres allgemeines Charakte15

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