OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

noch vor den beiden anderen Karten, die den Brauch des Umfallens des Erntewagens und jenen von Gumpse und Stadelhenne, der sich zum Bei spiel im Mühlviertel noch in die ersten Jahre des Maschinendrusches hinübergerettet hat, zum Inhalt haben, aufmerksam beachtet werden, da es sich bei beiden um noch gegenwärtige Brauch tümer handelt. Burgstaller weist nach, daß das bäuerliche Brauchtum im Lande nicht immer den jüngsten Sohn als Erben bevorzugt. So geht eine Linie, die sich ganz streng vom Bayerischen Wald über Ried i. I., Vöcklabruck, Attersee zum Hallstätter See hinzieht, durch das Land, die wiederum Ost und West trennt; im Westen fällt der Bauern hof in überwiegender Mehrheit dem ältesten Sohn zu, gegen Osten (und Norden) dem jüng sten, also im Mühl-, Traun- und Hausruckviertel. Alternativen zwischen beiden Erbfolgen bestehen vereinzelt, im Räume Eferding hat sogar die älteste Tochter ein Erbrecht auf den Hof. Das Totenbrauchtum, wie es auf dem letzten Blatt erscheint, wird durch Burgstaller sehr differen ziert dargeboten, so daß sich diese kartographi sche Darstellung, die höchste Einfachheit der Zeichnung mit voller Ausschöpfung des Stoffes vereinigt, sowohl in historischer wie gegenwärti ger Schau als Musterbeispiel für textierte Zeich nungen erstellt. Es ist ja das schwierigste, die Fülle höchst einfach zu gestalten und sie auf solche Weise nicht nur dem Fachmann, sondern auch dem Laien an die Hand zu geben. Am Schlüsse sei noch betont, daß bei diesen Blättern eine Irreführung wie etwa bei „frisierten" Statistiken, die deswegen nicht falsch sein müssen, aber oft doch große Rätsel aufgeben, ausgeschal tet ist. Hier gibt es keine hypothetischen An nahmen oder Stichtage, um ein möglichst günsti ges Schau- oder Zahlenbild aufzubauen, hier spre chen Fakten aus Vergangenheit und Gegenwart. Sozusagen hebt sich von den Karten die „Hand schrift" des Herausgebers, des Leiters, klar ab. Das ist wichtig für einen Atlas wie diesen; denn er soll kein bloßes Sammelsurium sein, sondern unserem Land gerecht werden durch klare metho dische Erfassung seiner Eigenart, ohne daß Zu fälligkeiten mangels geistiger Übersicht in den Vordergrund gespielt werden. Dies zeichnet sich aber gerade in dieser dritten Lieferung ab. Carl Hans Watzinger Georg Wagner, Barockzeitlidier Passionskult in Westfalen. Forschungen zur Volkskunde, be gründet von Georg Schreiber, Heft 42/43. Verlag Regensberg, Münster 1967. 338 Seiten, 229 Ab bildungen. Selbst nach dem grundlegenden Werk von L. Veit, „Kirche und Volksfrömmigkeit im Zeit alter des Barocks" (2. Aufl., Freiburg 1956), und zahlreichen monographischen Untersuchungen zur Geschichte der verschiedenen Themen der Kreuz verehrung, zum Heiligen Grab und zur Passions darstellung überrascht es auch den volkskundlich Versierten, daß G. Wagner in seinem großange legten Werk aus einer einzigen Landschaft eine so umfangreiche Dokumentation über ein einziges, allerdings das zentrale Motiv religiöser Brauch übung vorlegen konnte. Freilich, das Thema ist dem gelehrten Verfasser geläufig wie keinem anderen, hat er doch mit dem ersten Teil seiner Monographie über den Passionskult („Volks fromme Kreuzverehrung in Westfalen von den Anfängen bis zum Bruch der Glaubenseinheit", Münster 1960) den Titel eines Dr. phil. (in Volks kunde) erworben, während ihm die vorliegende Fortsetzung in die neuzeitlichen Verhältnisse als Dissertation zur Erlangung des theologischen Doktorates diente. Mit Recht stellt G. Wagner an den Anfang seines Werkes die Frage, wieso es möglich sei, daß gerade in dem so sinnenfreudigen,auf höchste Prachtentfaltung und Ich-Erhöhung angelegten Barock auch der von der Einsicht in die Sünd haftigkeit und in die Hinfälligkeit alles Irdischen geprägte Passionskult eine derartige Ausbreitung und Intensität erfahren konnte, wie sie der Ver fasser nachzuweisen vermag. Er beantwortet diese Frage am Schluß seiner Darlegung nicht nur aus den sicher den Hauptanstoß gebenden Auswir kungen der Beschlüsse des Tridentinischen Kon zils, sondern vor allem auch aus psychologischen Gründen, indem dem barocken Menschen zu weilen in erschreckender Eindringlichkeit die ganze Problematik seines Lebensweges, dem als drohenden Abschluß Heimsuchungen und Tod bevorstehen, bewußt geworden seien und er des halb nach Vorbildern suchte, in denen ein ganz Großer in gleicher Todesangst trotz aller Erbärm lichkeit seiner äußeren Situation sich tapfer und mannhaft hält und sogar noch in dieser Lage Würde und Achtung ausstrahlt und dadurch sein Leben in seiner Todesstunde zu einem trium phalen Ende führt. Erscheint uns auch diese Auslegung etwas ein seitig (übrigens: für welches Zeitalter trifft die Erkenntnis der dräuenden Todesangst nicht zu?) — sie müßte zumindest um eine entsprechende Wür digung des bekannten, für das Barock geradezu charakteristischen Verlangens nach Gestaltung und dramatischem Miterleben spannungsgeladener Schauspiele, die die Gesamtheit der irdischen Lebenswege mit ihren transzendenten Überschat tungen und Überhöhungen sinnfällig zum Aus druck bringen, ergänzt werden — so steht doch außer Zweifel, daß die Entschließungen des Tridentinums über die Herstellung und Verwendung sakraler Bilder und über den Reliquienkult, vor allem den Kult der Kreuzpartikel, nur deshalb von so gewaltiger Resonanz waren, weil dazu die geistig-psychischen Voraussetzungen im Volk bestanden und diese durch die Jesuiten auf der Priester-, und die von ihnen klug gelenkten Bruderchaften auf der Laienseite richtig in Be tracht gezogen wurden. In einer in ihrer Anlage glänzenden Über schau über „Menschenbild, Gesellschaft, Staat, Religion, Volksfrömmigkeit und Kunst im Zeit alter des Barocks" wird der Boden vorbereitet für die Darstellung der Verehrung des alle Lebensbereiche durchdringenden Sinnbildes des Kreuzes, das selbst die Künstler so sehr erfaßt, daß, nach G. Wagner, ihre Werke vielfach als gestaltgewordene Predigten zu verstehen sind. Hier behandelt der Verfasser zunächst die Dar stellung des Gekreuzigten auf dem Altar, auf der Kanzel, auf diversen kirchlichen Geräten und schließlich auch auf Epitaphien (welch letzteren er übrigens in allen weiteren Abschnitten dan kenswerterweise ein besonderes Augenmerk zu123

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