OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

Das Jüngste Gericht St.Michaels-Darstellungen auf Hinterglasbildern Von Fritz Fahringer „Die uralte und im Wissen desjenseitsdenkenden Volkes nie verlorene Idee vom Seelen gericht auf der Schicksalswaage spricht durch die Jahrtausende sich selber als kraftvoller Bildgedanke aus". So Leopold Kretzenbacher in seinem Werke „Die Seelenwaage"^. Dazu bringt der Autor nur die Abbildung eines Hinterglasbildes aus dem Volkskundemuseum in Graz (allerdings nicht im Original, sondern gezeichnet). Da in den „Fahringer-Heimathaus"-Sammlungen in Pürgg im Ennstal sich eine Anzahl von Hinterglasbildern befindet, welche das Thema der Seelenwaage zum Vorwurf haben, glaubt der Verfasser im Sinne Kretzenbachers, bisher unbekannte und unveröffentlichte Hinterglasbilder zeigen zu können. Mit Ausnahme eines seltenen rumänischen Stückes handelt es sich bei sämtlichen Darstel lungen um „Sandlbilder". Die Bilder sind farbenprächtig und stets mit schlichten schwarz gestrichenen Holzleisten gerahmt. Legende zu den Abbildungen (Die Angabe der Bildgröße bezieht sich stets nur auf die reine Bildgröße ohne Rahmen) Abb. 1: „Das Jüngste Gericht", 390x300 mm. Eine reizende Primitivdarstellung unseres Motivs mit „Gehet hin ihr Verdammten in das ewige Feuer" — „Kommet her ihr Frommen in den Himmel" als Bildinschriften. St. Michael hält in der Linken das Flammen schwert, in der Rechten die Schicksalswaage. Im Gegensatz zu Gottvater und den beiden posaunenden Engeln, welche auf Wolken schweben, die durch einen Regenbogen verbunden sind, steht Michael aufder Erde, um sein Amt als unparteiischer Schiedsrichter auszuführen. Der Teufel fehlt, ebenso sind die beiden Waagschalen unbesetzt. Über Michael ist Gott vater zu sehen, der gleichfalls ein Flammenschwert in der Linken führt. In der Rechten hält er als Zeichen seiner Weltherrschaft ein Zepter. Gottvater scheint anzuordnen, wohin die Armen Seelen zu gehen haben. Über den frommen Seelen erkennt man St. Petrus, der gerade mit ernster Miene das Himmelstor aufschließt. Abb. 2:Jüngstes Gericht. 390 X280 mm.Im Bild wiederum das ürteil Gottes: „Gehet hin, ihr Sünder,in das ewige Feuer" — „kommet her ihr Frommen des Vaters" — „Steht auf zum" (Jüngsten Gericht). Die Beschriftung ist kaum mehr zu entziffern. Dieses zum Teil abgeblätterte Bild ist wesentlich eindrucksvoller als das vorige, wenn auch sonst diesem sehr ähnlich. Michael hat aber diesmal offensichtlich Schwierigkeiten mit einem kleinen Teufel, denn dieser versucht, die Waagschale der Sünden schwerer zu machen. Er hat nicht nur einen Mühlstein auf diese Schale gelegt, sondern versucht auch, mit aller Macht diese zur Hölle hinabzuziehen. Die Arme Seele in der anderen Schale- hier nur durch einen Kopfdargestellt - schaut ganz verängstigt zum Teufel hinüber,aber ihre Schale wiegt mehr, der Himmel ist ihr sicher. St. Michael wacht über die gerechte Wägung. Notfalls ist er bereit, auch mit seinem merkwürdig kurzen Flammenschwert gegen die Tücken des Teufels zu kämpfen. In der Darstellung des hl. Petrus bemerkt man, daß er den Schlüssel noch in der linken Hand hängen hat. Petrus weiß noch nicht, wie die Seelenwägung ausgehen wird. Kritisch blickt er-das Ergebnis abwartend zur Erde nieder(Abb.3,4,Details aus Abb.2). Abb. 5: „Das Jüngste Gericht". 300x410 mm. Die Darstellung hält sich - wie die 'Kretzenbacher Leopold: Die Seelenwaage. Zur religiösen Idee vom Jenseitsgericht auf der Schicksalswaage in Hochreligion, Bildkunst und Volksglaube. Klagenfurt 1958. 117

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