OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

Die Felsgruppe ist, nordsüdlich ausgerichtet, etwa 30 m lang und 20 m breit. Was sie aber auf den ersten Blick aus der großen Anzahl ähnlicher Gebilde zwischen Mühl und Kamp heraushebt und den Betrachter maßlos in Erstaunen versetzt, sind die vielen ausgie bigen Behauungen und künstlichen Abtreppungen der einzelnen Felsblöcke. Kein Wunder, daß das Volk,gestützt aufalte Sagen, die seltsame Felsenburg für den Rest einer heidnischen Kultstätte ansah. Für die Beurteilung des HohenSteines bei Eibenstein scheint entscheidend wichtig die heute kaum noch geleugnete Annahme, daß das Mühlviertel nicht nur in den donau nahen Randgebieten und Beckenlandschaften seit der Vorzeit besiedelt war, sondern auch in den vielen Talweiten und auf einzelnen freien Höhen, die übrigens zum Teil fruchtbarer waren und klimatisch günstiger lagen als manche der anerkannt besiedelten Gegenden Böhmens. Bemerkenswert ist dafür ein Hinweis des Geographen Claudius Ptolemäus um 150 n. Chr., wonach schon damals östlich von Bojodurmn (Passau) zwei große Handels plätze bekannt waren, nämlich Usbion (nach anderer Version „Vebion") und Abilunon. Das erstere wird am linken Donauufer bei Linz vermutet®. Abilunon aber vermutetTh.Steche in der Aistsenke', G. Mahlis sogar an der Stelle des heutigen Freistadt. Die Gewohnheit, die Frühgeschichte unserer Heimat aus dem Gesichtswinkel der römischen Eroberer zu betrachten, ließ oberhalb des Limes und der Donaugrenze durch wegs nur halbwilde Zustände oder, wie beim Mühlviertel, einen undurchdringlichen „Nord wald" gelten. Neuere Überbewertung des römischen Kolonialismus diesseits der Donau hatte eben eine Unterbewertung der freien transdanubischen Gebiete zur Folge, und das führte bis heute zu dauernder Vernachlässigung unserer für die geschichtliche Entwicklung des österreichischen Gemeinwesens entscheidend wichtigen Nordgebiete. Eine Reihe keltischer Siedlungen, welche die Römer nach der Besetzung der raetischen und norischen Länder zu Militärstandorten ausbauten, wie etwa im Anschluß an Castra Batava (Passau) die befestigten Plätze Lentia (Linz) und Lauriacum (Enns),läßt den Schluß zu, daß die neuen Herren zwischen zwei bisher politisch und handelsmäßig verbundenen Landstrichen bewußt eine Trennungslinie ziehen wollten. Ein Blick aufdie Karte des Mühl viertels zwingt uns sofort zwei von Natur gegebene Handelswege auf, die von Lentia und Lauriaciun über die Donau nordwärts verliefen: einen Weg längs der Aistsenke über die Talweite von Freistadt, einen anderen durch den Haselgraben über Leonfelden zur Moldau bei Hohenfurth und Rosenberg. Zwischen den Paßhöhen dieser Handels- und Völkerwege schiebt sich der Höhenrücken von Eibenstein in die Weite von Oberhaid, Reichenthal und Summerau hinan. Damit sind die geographischen Voraussetzungen gegeben, die es ver ständlich erscheinen lassen könnten, daß sich in diesem Gebiet einst eine Art handelswirt schaftlicher Mittelpunkt entwickelt hat. Da, wie heute noch beobachtet werden kann, sich dort, wo viele Menschen aus merkantilem Anlaß zusammenkommen,in der Regel auch ein religiöser Mittelpunkt in der Art eines vielbesuchten Wallfahrtsortes bildet, liegt es nahe, auch für den Raum um den Eibenstein auf ein sehr früh benütztes Gebiet menschlicher Begegnungen zu religiösen, wirtschaftlichen und vielleicht auch politischen Zwecken zu schließen. Denn alles, was mit dem Eibenstein überlieferungsmäßig im Zusammenhang steht, deutet, wie dies Univ.-Dozent Dr. E. Burgstaller wiederholt betont hat, auf eine Anlage von besonderem Rang hin. Gemessen an dem erstaunlichen Arbeitsaufwand und konstruk- 'C. Mahlis,Die Städte und Verkehrswege bei Ptolemaeus im Südosten der Germania Megale. Arch.f. Anthro pologie XIX, 1923. 'Th. Steche, Altgermanien im Erdkundebuch des Ptolemaeus. Leipzig 1937. 104

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