OÖ. Heimatblätter 1969, 23. Jahrgang, Heft 1/2

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Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde von Oberösterreidi Sdiriftleiter: Universitätsdozent OR.Dr.Ernst Burgstaller Jahrgang 23 Heft 1/2 Jänner —Juni 1969 INHALT Zur Dokumentation der Elsenkunst im Lande ob der Enns von Otfried Kastner 3 Zur Geschichte des Steyrer Südhandels in der Mitte des 16. Jahrhunderts von Ferdinand T r e m e 1 18 Zum Verständnis der mittelalterlichen Urkundenfälschungen (Mit Beispielen aus dem bayerisch-österreichischen Raum) von Rudolf Zinnhobler 21 Der Pilgerbrunnen zu St. Wolfgang im Salzkammergut von Friedrich Barth 32 Ein oberösterreichisches Notburga-Spiel von Hans Commenda 36 Das Reisellied von Hans Commenda 41 Sagen aus dem Hausruckviertel gesammelt von Alois Grausgruber, mit Nachwort und Anmerkungen von Karl H a i d i n g 44 Sagen aus der Umgebung von Ampflwang gesammelt von Hermann Stockinger 68 Das Felsbildergebiet in der Höll am Warscheneck und seine nächeiszeitliche geologische Geschichte von Edith Ebers 72 A. P. Okladnikow beim Symposion für Felsbilderforschung in Linz von Carl H. Watzinger 75 Der Eibenstein und seine Probleme Der „Heidenstein" bei Eibenstein und seine volks- und siedlungskundlichen Probleme von Ernst Burgstaller 78 Der Eibenstein. Vermessungsarbeiten 1968 von Wladimir Obergottsberger 91 Ein Versuch zur Aufhellung der Funktion des „Heidensteins" in Eibenstein von Karl A. Wagner 102 Bausteine zur Heimatkunde Zwei interessante Messer aus St. Agätha bei Bad Goisern von Friedrich M o r t o n + 116 Das Jüngste Gericht. St.-Michaels-Darstellungen auf Hinterglasbildern von Fritz Fahringer 117 Spreißelkreuze, Miniaturarbeiten der Zimmermannskunst von Hermann Haiböck + 119 Schrifttum Anhang: Register zu „Dokumentation der Eisenkunst im Lande ob der Enns" von Otfried K a s t n e r 128

Zuschriften an die Schriftleitung: Universitätsdozent OR.Dr. Ernst Burgstaller 4020 Linz a. d. D.,Landstraße 24/III,Ruf 26426 Zuschriften an den Verlag: Institut für Landeskunde von Oberösterreich, Linz a. d. D.,Landstraße 24/III,Ruf 26426 Druck: Oberösterreichischer Landesverlag, Linz a. d. D.

Zur Dokumentation der Eisenkunst im Lande ob der Enns Von Otfried Kastner Die Eisenbearbeitung umfaßt in Oberösterreich in organischer Entwicklung einen Zeitraum von 3000 Jahren. Die Bedeutung Oberösterreichs als uraltes Eisenland wirkt sich freilich mehr auf das Wirtschaftsleben des Landes als auf die künstlerische Gestaltung aus. Aber schon allein dieses wirtschaftliche Schwergewicht kam insofern der künstlerischen Bearbeitung zugute, als eine große Zahl von Eisenkundigen stets im Lande wirkte. Das technische Können aus jahrhundertelanger Erfahrung war nicht nur für eine Unzahl von Eisengeschmeide und Handwerkswaren bestimmend, sondern war auch in höchstem Maße für die Eisenkunst von ungeheurem Vorteil. Wissen und technisches Können sind umso mehr Voraussetzungen, als die Eisenkunst nichts anderes ist und sein will als dienendes Handwerk. Ihre Schönheit und ihr Wesen ist dadurch gekennzeichnet, daß sie von einem Ineinandergreifen verschiedener Techniken bestimmt, wird und daß sich in ihren Werk formen Handfertigkeit und künstlerischer Sinn glücklich verbinden. Nicht nur die Zeiten, auch die Landschaften bilden recht verschiedene Schwerpunkte. Deutlich genug erweisen sich die Klöster über Jahrhunderte hinweg als Förderer der Eisen kunst. Sie spielen eine führende Rolle vor den wenigen kleinen Städten, die sich kaum einmal zu einem bedeutenden Zentrum entwickelten. Die Datierung der Eisenkunst stößt, abgesehen vom Erhaltungszustand, aus verschie denen Gründen auf Schwierigkeiten. So macht sich vor allem der Mangel an Vergleichs literatur aus den Nachbarländern bemerkbar, andererseits besteht zwischen den Spitzen leistungen von europäischem Rang und den einfachen Arbeiten eine überaus weite Spannung. Aber gerade die letzteren bieten die Möglichkeit, auf das Wesen des Volkes Rückschlüsse zu ziehen. Zwar erlauben die ornamentalen Formen eine Einreihung in die Stilgruppen, doch sind Stilverschleppungen, wie sie bei den datierten Gittern erwiesen sind, keine Sel tenheit. Der Brauch, die Datierung anzugeben, wird gern als typisches Merkmal der Volks kunst angesehen, aber auch die bedeutendsten Klostergitter tragen vielfach, wenn auch oft sehr versteckt, das Entstehungsjahr. Romanik Die Eisenkunst in der Romanik findet ihr Hauptanwendungsgebiet in der Ausgestaltung der Beschläge, die nicht nur den Schutz der ursprünglich mit farbigen Tierhäuten über zogenen Bohlentüren bilden, sondern auch die Konstruktionsteile zusammenhalten. Ein schmückendes Elementzeichnet die Beschläge an Türen und Toren,an Truhen und Schildern aus. Von diesen breiten Bändern wird in Weiterentwicklung des Schrotens ein Spiraldekor abgespalten und diese Lappen eingerollt. Die Spiralen wurden zum Leitmotiv der romani schen Beschlagskunst. Daneben finden sich auch Heilszeichen, Swastika und Dreischenkel sowie pfeilspitzenartige Zeichen, die den Schutz und die Sicherheit amulettartig aktivieren sollen. Nicht nur der Feind und der Bedroher der leiblichen Sicherheit, auch die Dämonen werden an der Schwelle gebannt, während den Eintretenden das Heil begrüßt. So verdich tete sich an den Türen der Schmuck, dem ein tiefer Sinn zugrunde liegt. In Oberösterreich läßt sich ein Zeuge romanischer Eisenkunst in dem nicht mehr ganz ursprünglichen Beschlag der Südtür in der Pfarrkirche in Waldneukirchen nachweisen. Übergangsbeispiele, wenn auch in spätgotischen Formen, bieten die Nordtore in Hart oder die Welser Burg. Deutlich sehen wir die „Bannknoten" in den Doppelschlingen. Ein

sakraler Charakter wird den Türen beigelegt, und dem Eisen, als dem jüngsten der alten Metalle, schrieb man eine besonders bannende Kraft zu. Zum Beschlag gehört auch das Schlüsselfeld, das in der Romanik noch ganz bescheiden gehalten ist, wogegen den Tür klopfern, die zugleich noch Zugringe sind, größere Bedeutung zukommt. Spätgotik Die Verzierung von Tor und Tür ist auch das Hauptanliegen der Gotik. Dies gilt sowohl für den Beschlag als auch für das neu hinzukommende Gitterwerk. Für das älteste gotische Stück hielt man die frühe Sakristeitüre im ehemaligen Augustiner Chorherrenstift Ranshofen. Ihr geschwungenes Schloßfeld entwickelte den Schlüsselfanger zu einem zarten Rosengeranke, wie es etwa von der Manessischen Handschrift her bekannt ist. Dem entspricht der Ziehgriff, der noch keinen Fischblasendekor aufweist. Alles ist Ausdruck der lyrisch-zarten, höfischen Periode der Hochgotik. Heute bezweifelt man diese Zuweisung und datiert die Tür eher in die Zeit der Jahrhundertwende (um 1500). In Oberösterreich finden sich (innerhalb Österreichs) die meisten Beispiele aus der spätgotischen Periode. Die Möglichkeit der formalen Auszier ist stark gewachsen. Mannig faltig sind die breiten Kirchentore, die meist besonders stark ausgeschmückten Sakristeitüren unserer gotischen Landkirchen, reichlich die Beispiele der Schlösser an Toren in Adels-, Bürger- und Bauernhäusern. AlleTüren haben eine gemeinsame Wurzel und lassen sich in drei Grundtypen einordnen. Am häufigsten ist jener vertreten, der die reich beschlagenen, ursprünglich mit farbiggehöhtem Leder oder auch mit Pergament überzogenen romanischen Holztüren in Form von gotischen Beschlägen im weitesten Sinne ablöst. Ein zweiter Typ überzieht die Holztüren völlig mit Eisenblech undführtzudem dritten,dem ausschließlich aus schweren Eisenplatten gebildeten Massivtüren. Dabei wurde stets in den mannigfaltigsten Formen, oft bloß durch die Nietnägel eine ornamentale Gestaltung erreicht. Besonders zu erwähnen sind Beispiele wie die „geharnischte Tür" aus geglätteten, niedergenagelten Brustpanzern aus einem Freistädter Bürgerhaus oder die mächtigen, durch breite gekröpfte und geflochtene Bandeisen charakterisierten Kirchentüren von Mondsee, Abtsdorf und St. Wolfgang, deren Sakristeien gleichzeitig Schatzkammern waren. Die Massivtüren finden sich in den Burgen wie Wels oder Pragstein; weitere Beispiele sind die Engelszeller Sakristei türen, eine Tür in der St. Florianer Krypta, Türen in Neydharting-Schloß und Wilhering, die Türe des Heimathauses Schärding und zwei Türen in der Steyrer Stadtpfarrkirche. Sowohl diesen Massiv- als auch den beschlagenen Holztüren können die Wappentüren angehören, die durch ihre erhöhte Schmuckmöglichkeit einen besonderen Ruf erlangt haben. Das oberösterreichische Glanzstück ist die Sakristeitüre der Steyrer Stadtpfarrkircheein Hinweis auf die Handelsbeziehungen der Eisenstadt mit Nürnberg — zeigen doch die in Eisenblech getriebenen Wappenfelder neben dem Steyrer Panther den Nürnberger Adler. Gotische Türbeschläge finden sich in mehr als 70 Orten Oberösterreichs. Sie liegen in ihrer überwiegenden Mehrheit im südlichen Braunauer Bezirk, jener Acker-, Wald- und Moorlandschaft, die auch noch schöne Beispiele bäuerlicher Holzkultur bewahrt hat. Da in vielen dieser Kirchen bis zu vier Türen (in Braunau acht!) mit reichem gotischen Beschlag versehen sind,lassen sich einige hundertspätgotische Beispiele vom Ende des 15.Jahrhunderts bis zum beginnenden 16. Jahrhundert aufzählen. Aus ihnen ist unschwer zu ersehen, daß der Dichte wie dem Werte nach ein deutliches West-Ost-Gefalle vorliegt. Im Osten läßt sich ein Versiegen der Spalttechnik (wie wir sie in der Taufkirchner Sakristeitüre und Hai germoos sehen) und eine künstlerische Verarmung verfolgen, so daß man Beschläge wie 4

in Offenhausen, Scharten, Lorch-Enns ganz übersehen würde. Statt abzuspalten, läßt man im Osten des Landes die abgabelnden Äste nur scheinbar herauswachsen, indem man sie unter das eigentliche Band schiebt. Eggeisberg mit den Beschlägen an der Nord-, Süd- und Sakristeitüre mag als Beispiel für den Braunauer Bezirk gelten. Das Schlüsselfeld der Nordtüre zeigt den Bauhüttenschlüssel der Burghausener Vorhütte. Die Lebendigkeit des die Türfelder überziehenden, für das Innviertel besonders typischen Liliendekors, zu dem sich auch Schellen (Braunau, Egger ding), Weintrauben (St. Florian a.I.), Lindenblätter (Eitzing)und Sonnenmotive(BraunauSpitalskirche, Höhnhart) gesellen, findet östlich des Hausrucks keine Entsprechung. Sicher lich seit dem 13. Jahrhundert ist auch in der Eisenkunst die Ilge-Lilie sehr beliebt, ja sie wurde geradezu die Leitform unzähliger Türbeschlagmuster. Der Stand des hohen künst lerischen wie technischen Könnens zwingt zu glauben, daß den Schmieden die Lilie als Lebenssproß wie als Bild der Feuerflamme besonders nahegestanden haben muß. Im Pflanzendekor liegt das Wesen dieser Gotik. Bei diesem Pflanzendekor handelt es sich jedoch nicht um naturalistische Darstellungen, sondern es geht hier vielmehr um Sinnbildhaftes, wodurch sich das Problem der volksnahen Tradition vordrängt. Die lebendige Stärke der Überlieferungswelt innerhalb der sich kaum merklich wandelnden jeweiligen kunsthistorisch geläufigen Formensprache läßt gerade die Eisenkunst als einen fruchtbaren Acker volkskundlicher Forschung erkennen. Nicht immer wird das Beschlagsband zum Ausgangspunkt der Ornamentik, auch die Rautengittermuster treten auf. Bei ihnen sind die Felder zwischen dem Beschlag mit schlan ken, etwas dürren Lilien, wie zum Beispiel in St. Georgen am Fillmannsbach oder in Aurolzmünster, belebt. In Münsteuer, Eggerding, Haigermoos, Andorf sprossen dreigabelige Äste aus Lilien. Ein Beispiel dafür, wie reich und verschieden die einzelnen Türen bei gleichem Grund typ sein können, liefert das kleine Kirchlein St. Florian a.I. Bei beiden Türen St. Florians liegt eine lyraähnliche Aufgabelung der Türbänder vor. An der Haupttüre sind drei ver schiedene „Lilienblüten" duftig über das Feld gesponnen. An der mit Eisenblech überzo genen Sakristeitürejedoch sind die Felder zwischen den Bändern dicht mit Blättern, Eicheln, Weintrauben, einzelnen Lilien und Feigenblättern gefüllt. Verglichen mit den lockeren, heiter grüßenden, harmonisch abgewogenen der Eggelsberger Art oder mit dem Duft des Beschlages in St. Florian a. I., mit dem starren Beschlag der an die Holztüren niedergena gelten Rautenstäbe, sprechen die bewegten späten Innviertier Beispiele in ihrer Überstei gerung für die Endgotik in einer der Donauschule entsprechenden, den Beispielen im Osten des Landes völlig verschiedenen Sprache. Die Stengel der Lilien winden sich wie Schlangen, sie scheinen sich zu überkreuzen. Die von den (meist drei Türbändern abspros senden Abgabelungen biegen sich auf wie Vogelköpfe und entlassen aus ihren abermals zurückgeworfenen Schnäbelchen Gewürm, das in Dreierbündeln losbricht. Diese „Lilien" bringen etwas so Erregendes zum Ausdruck, daß man meint, Kräften zu begegnen, die eben im Überdruck zerbersten. Der Innviertier „Vogelkopf-Beschlag" bedeutet in der österrei chischen Eisenkunst nicht nur für diese Zeit die höchste Steigerung. Mit diesem Hilfsaus druck-abgeleitet aus der Form - bezeichnet der Verfasser unter den vielen Lilienbeschlägen jenen Typ, der an Vitalität und explosiver Dynamik unübertroffen den Donauschultyp der Eisenkunst schlechthin bedeutet. Er ist am häufigsten im Braunauer Bezirk, doch auch im Rieder und Schärdinger Bezirk vertreten und erreichtseinen Höhepunktin der St.-LeonhardsKirche in Geiersberg. Die innere Sakristeitüre der Stephanskirche in Braunau führt mit

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nicht weniger als 37 Schellen eine andere der Möglichkeiten des Donauschulstils auf ihren Höhepunkt. Weiteren Beispielen des Vogelkopfmotives begegnen wir in der Kirche von Kirchberg im Süden des Bezirkes Braunau, an der Südtür von Wippenham und an der Westtür von Höhnhart. Das zweite große Gebiet gotischer Schmiedekunst neben dem Beschlag ist das Gitterwerk. Die einfachste Form des Gitters ist der „Gatter", wie meist das Rautengitter genannt wurde. Ferner gibt es heute noch Gitter, die zum Teil aus netzförmigen Kantstabdurchstoßungen gefertigt, am Eingang der Friedhöfe liegen. Diese „Beinbrecher" verhinderten als Roste das Eindringen der Schweine und Hunde in den Friedhof. Sie sind heute zum Beispiel noch in Münsteuer oder Magdalenaberg an ihrer ursprünglichen Stelle zu sehen.- Das überragendste Stück des Gitterwerkes in der Schmiedekunst befindet sich am Sakraments häuschen in der Stadtpfarrkirche Steyr. Der Meister dieser Spitzenleistung könnte der Schöpfer der Sakramentshäuschengitter in Maria am Gestade in Wien und im Preßburger Dom, Sigmund Fischer, sein. Das Steyrer Sakramentshäuschengitter mit seiner unendlichen Vielfalt, allein aus dem Vorwurf der Fischblase entwickelt, ist eine der großartigsten Stei gerungen in der Verwendung der „Wandelform",jenes für die späte hohe Gotik so überaus typische Thema. Die sechs Felder lassen sich zumindest doppelt lesen. Außerdem ergeben sich verschiedene Bilder, wenn man sie von links oder rechts liest. Diese sechs verschiedenen Wirbelmusterfelder des Steyrer Türchens sind von goldschmiedhafter Feinheit, die Kom position der Muster zeugt von größtem Einfallsreichtum.Das Gold und Scharlachrot im Peneelwerk des Sakramentshäuschens in Steyr wirft das Problem der Farbigkeit in der Eisenkunst auf. Die Beschläge waren ohne Zweifel größtenteils farbig gehöht, und zwar sowohl aus schmückenden heraldischen als auch aus schützenden Erwägungen heraus. Über dem Bohlengrund der romanischen Türen war eine sattgefarbte (meist rote) Tierhaut genagelt, darüber spannten sich vergoldete Eisenschienen. Die Unterlegung mit Rot oder Kornblumenblau bei den gotischen Sakristeitüren, die Vergoldung der Sakramentshäuschen gitter in Steyr, Altenburg und Pulgarn liefern den Beweis, daß die Farbigkeit mit Unrecht aus der Eisenkunst verbannt wurde! Das Rautenmuster, ein weiteres Kennzeichen der spätgotischen Periode, könnte sinn bildhaft als eine Häufung des Mehrungszeichens verstanden werden. Es ist eines der Motive, das sich zu allen Zeiten behauptet hat; es entwickelt sich zum Leitmotiv der Sakraments häuschengitter. Gotische Grabkreuze sind in Oberösterreich nicht erhalten. Bei aller Traditionstreue in der Weitergabe alter Formen und Techniken, alter uni versaler Lebensschau kann der gotische Zeitraum der Eisenkunst nicht als konservativ bezeichnet werden. Trotz Vorbildern aus der Natur kommt es niemals zum Naturalismus, zu einer Naturnähe. Die Umschmelzung erfolgt in eine abstrakte, meist lineare oder heral dische Sprache; alles Gegenständliche ist noch sinnbildhaft durchdrängt. In der späten Gotik wird das Malerische zunehmend stärker; so bahnen sich im Sprossenwerk - wie an den Krabben der Griffe - schon Ähnlichkeiten mit den Rocailles des Rokoko an. (Beispiele im Schloß-Museum Linz.) Diesen Schluß zu ziehen erlauben Beispiele aus 118 Orten. Nachgotik, Frühfenaissance und Manierismus In der nachgotischen Periode der Eisenkunst läßt sich eine Gruppe von Arbeiten zu sammenstellen, die stilistisch wie geistesgeschichtlich einen interessanten Faktor darstellt. So erhebt sich bei der Betrachtung des Beschlages des Südtores der Stadtpfarrkirche Steyr, der offenkundig eine Darstellung von Yggdrasil ist, die Frage, wie der Schmied um 1500

zu diesem Vorbild gelangte.Esistschwerzu entscheiden,ob man hierin Steyr von Anregungen der Humanisten, deren Beschäftigung sich ja auch über die Renaissancethemen erstreckte, sprechen muß oder ob es sich um wiederauflebendes oder noch vorhandenes Formgut handelt. Ahnliche Fragen tauchen auch bei dem verflochtenen Drachen des Sakristeitürgriffes in Lorch auf, bei den Bannknoten an den Fensterkörben der Welser Burg,bei dem Widderkopf vor der Sonnenrosette in Neunkirchen beiLambach usw.Lebtnichtindem Zuggriffder Mondseer Sakristeitüre von 1487 der Schmuckstil der Völkerwanderungszeit wieder auf? All diese Beispiele wie auch das schier unfaßbare Weiterlaufen alter Zusammenhänge in der Sonnen spirale an der Nordtür von Hart lassen diese Äußerungen der Volkskunst als zeitlos erscheinen. Wenn man einmal beginnen wird,sich mitdiesen„Renaissanceströmungen"zu beschäftigen, wird der Eisenkunst gerade in diesem Abschnitt der Kulturgeschichte eine bedeutende Rolle zufallen. Andere Eisenkunstvorkommen aus dieser ersten Zeit des beginnenden Überganges sind formal interessant, etwa die Zellenmusterung am Gitter des Sakramentshäuschens in Altenburg, der romanisch wirkende Zugring an der Nordtüre der Kirche in Arbing, die seltsamen Zugringe in Fränking und Heiligenleithen. Einmalig für unser Gebiet ist das dichte, reizvolle Ziermuster an der Blumentüre von Dörnbach bei Linz. Die reiche Kunstentfaltung der Spätgotik bricht im dritten Jahrzehnt des 16. Jahr hunderts ziemlich jäh ab. Humanismus und Renaissance, Glaubenswirren, Bauernkriege und Türkengefahr leiten die Neuzeit ein. Die Eisenkunst als Kunst des Handwerks ist für einen solchen Zeitumschwung besonders empfindlich. Stark mit dem Volke verwurzelt, muß sie zunächst mit dem Bruch der Tradition verarmen. In den folgenden vierzig Jahren lassen sich nur wenige Eisenarbeiten in Oberösterreich feststellen, die im Verhältnis zu denen der Spätgotik plump und im Ausdruck tastend sind. Die Eisenkunst der Neuzeit wird von einer Grundform, der Spirale, beherrscht, die sich in drei Generationen zu einem Charakteristikum des 17. Jahrhunderts entwickelt hat. Ihre Vorform sind die drei Motive der Eisenkunst: 1. der Aststab mit der Einrollung des Stengels, der noch bis in das 17. Jahrhundert sein Eigenleben behält (Linz, Steyr, Gmunden); 2. die ab 1515 immer mehr verdorrende Schlüsselführung, von der gleichsam nur mehr die Stengel der einstigen reichen Blechschnittblätter stehen bleiben, die sich ebenfalls einrollen (Beschlag am Südtor von Altenburg, Beschlag an einem Sakristeischrank in Ranshofen); 3. die Abspaltungen an den Mittelringen der Fensterfüllungen,den„C-Schnörkeln" der gleichzeitigen Kalligraphen vergleichbar (Gitter am Landhausturm in Linz). An der Schwelle der neuen Stilentwicklung steht als Gebrauchsgegenstand die Laterne im Sterbezimmer des Kaisers Maximilian in der Burg zu Wels: ein seltenes Stück des Über ganges, nicht ohne die Romantik der Maximilianischen Zeit; ein buntbemaltes Blechschnitt gehäuse mit massiven Löwen, hörnernen Laternenfenstern und drei Kerzenhaltern, in dem gleichfalls das neue Spiralthema in seinen frühesten Anfangen zu betrachten ist. In diesen Jahrzehnten bleiben in den Städten die mächtigen Dome unvollendet, am Lande werden keine Kirchen mehr gebaut. Dafür errichtet der Adel seine Schlösser, schmükken die Bürger ihre Häuser. Mit der neuen Türform taucht nun die Oberlichte auf(Gmunden, Waizenkirchen). Neben dem Fenstergitter beginnt sich der Fensterkorb zu entwickeln (Seeschloß Ort). Hingegen zeigen die mit 1568 datierten Fenstergitter im Turm des Land hauses in Linz mißverstandene Fischblasen mit aus ihren Enden sprießenden Blättern und damit die Beharrungstendenz im Schmiedehandwerk, die noch offensichtlicher wird bei einem Vergleich mit der gleichzeitig entstandenen venetianischen Marmorfassade desselben 8

Gebäudes. Wohl in diesen Jahren entstand auch im Schloßhof von Tollet die großartige Folge der 36 Geländerfelder sowie der 18 einfachen und vier über Eck gestellten Geländer streben mit ihrer reichen Musterfolge. Von den Großgittern dieser Zeit sind wahrscheinlich die von St. Wolfgang diejüngsten und wirken doch am ältesten. Dieser Eindruck erklärt sich aus dem konservativen Beharren beim gotischen Rautenmuster aus Vierkantstäben. Die Datierung MDXCIX und die Beschriftung mit IGAIM weist auf eine Bestellung des Ab schlußgitters zwischen Mönchs- und Wallfahrerkirche durch Ignaz Culpa, Abt in Mondsee, hin. Vielleicht wurde bei diesem Gitter im Sinne der Gegenreformation, die in diesen Jahren einsetzt, absichtlich in einer Neugotik auf die vertrauten altbekannten Formen der katho lischen gotischen Zeit zurückgegriffen. Eine weitere Datierung bietet die Zierplatte eines Schloßkastens aus dem Schloß Eferding (derzeit im oö. Landesmuseum) mit Groteskformen, im Geranke einen bogenschießenden Kentauren mit Vögeln und einer nackten Hexe, die (in einer neuen Art der Wandelform) aufeiner Ranke wie aufeinem Besen zu reiten scheint. Menschen, Pflanzen und Tiere gehen, den Alraunen ähnlich, ineinander über. So lebt in der Eisenkunst die Spukwelt des ausgehenden Mittelalters weiter. Seltsam kontrastiert daneben der ornamental angebrachte Spruch: ANNO DON 1593 SPES MEUS EST CHS. Diesem kleinen, aber geistesgeschichtlich so bedeutsamen Eferdinger Stück reiht sich ein Dokument an, dessen Entstehungszeit wir leider nicht genau kennen: die einmaligen Ab schlußgitter der Begräbniskapelle der Herren von Meggau in der Kirche zu Kreuzen. Sie sind durch ihre figürliche Symbolik - die Darstellung der Maria erfolgt halb versteckt im untersten Feld - erstrangige Dokumente der heimischen Religionsgeschichte. Gegenüber dem zurückhaltenden Wolfganger Gitter kommt in den beiden Kreuzener Gittern ein ganz anderer, strenger und herrischer Geist zu Wort. Nicht an alte Formenüberheferung wird hier angeknüpft, die Formensprache dieser Gitter gehört vielmehr der neuen Kunstsprache der Gegenreformation an, dem Manierismus. Diese vier Meter hohen Gitter fallen wegen der reichen Verwendung von Relief-Figuren in Eisenblech getrieben, als Kompositionsmittelpunkte der Felder aus dem heimatlichen Rahmen heraus. Die besonders dichte Verwendung von katholischen Sinnbildern ist ein typischer Niederschlag für die Geisteshaltung der Gegenreformation. Es gibt kein zweites Gitter in Oberösterreich, ja in ganz Österreich, mit einem so reichen religiösen Programm.Dieser plötzlich auftauchenden Anhäufung von Glaubenssymbolen - neben denen die bescheidenen in St. Wolfgang un bedeutend erscheinen - muß ein gewaltiger Imperativ und mystischer Eifer zugrunde liegen. Naturnähe und -ferne zugleich, stilistisch mit manieristischen Zügen behandelt, bedeuten diese Gitter für die Geistesgeschichte der Gegenreformation den wichtigsten Beitrag der Eisenkunst in unserem Lande. Aus dem Ende des 16. Jahrhunderts besitzen wir die ersten Grabkreuze. Fensterkörbe finden sich in Enns, Aschach, Schloß Marsbach, der Kurzmühle in Gmunden oder in den Tavernen des Ennstales. Zusammenfassend möge diese Periode in der Weise charakterisiert werden, daß das zweite Drittel des 16. Jahrhunderts als eine wenig erhellte Übergangszeit zu erkennen ist. In ihr entwickelt sich aus drei verschiedenen Ansätzen der Aststab und die Spirale, die über dieses Jahrhundert in das 17. Jahrhundert hineinwächst. Die künstlerischen Leistungen spannen sich vom urtümlichen, aber mißverstandenen Alten und noch kaum gefundenen Neuen bis zu wirklichen Großleistungen des späten 16. Jahrhunderts,dessen Errungen schaften das folgende Jahrhundert verpflichtet ist. Nach der Leere mit dem Ende der Spätund Nachgotik erreicht die Eisenkunst wieder einen neuen Hochstand.

Von der Renaissance bis zum Beginn des Hochbarock Als im 16. Jahrhundert die Klöster darniederlagen, übernahm der Adel, der seine Burgen zu Schlössern modernisierte, die Führung. Daneben entwickelten sich die Städte zu neuen Auftraggebern. Ihre Bautätigkeit zieht sich auch ins 17.Jahrhundert hinüber,und den Städten verdankt man eine Unzahl von Fensterkörben, Türschlössern, Schlüsseln und Be schlägen, Oberlichten und Türklopfern, Wasserspeiern usw. Vor allem stellt das Bürgertum auch das Kreuz seiner Sippe in den Friedhöfen auf, die sich schon von den Kirchen los zulösen beginnen. Die eigentlichen Großleistungen in der Eisenkunst setzen jedoch mit dem Beginn der Barockisierung der Klöster ein. Die Führung lag unbestritten bei Kremsmünster. Die Um- und Neubauten des Klosters im Sinne der religiösen Erneuerung beginnen schon um 1601, in jenem Jahr, in dem der bedeutendste Schmied des Landes, Hanns Walz, als „Bürger und Hofschlossermeister" im Markte Kremsmünster auftauchte. Die Kammerrechnungen des Stiftes zählen in ge treulicher Niederschrift seine Werke auf. Die Wasserspeier der Südfront, die Oberlicht füllung der Tür in den kleinen Hof,die Stiegengeländer des Prälatentraktes im Stift, Arbeiten am Klosterneuburger Hofin Wien und am neuen Hofin Stein wie in Linz liegen im ersten Jahrzehnt. In das zweite fallt sein Kremsmünsterer Hauptwerk: das große, 3157 Pfund schwere Abschlußgitter, das in der Zeit von 1616 bis 1618 entstand. Es trennt die Schiffe der Klosterkirche von den erhöhten Apsiden. Das Mittelstück kam 1728 nach Heiligenkreuz, einer Wallfahrtskirche unweit des Klosters und befindet sich jetzt in Schauersberg bei Wels. Mit der 1625 erfolgten Berufung seines Gönners, des Abtes Anton Wolfradt, auf den Bischofssitz und als kaiserlicher Kammerpräsident nach Wien, begann Walz seine Arbeiten am Wiener Bischofshof, am ehemaligen Jörgerhaus, das der Kaiser nach der Enteignung dem Stifte geschenkt hatte, am Schottenstift und zweifellos auch am Stephansdom. 1633 vollendete er sein Riesengitter für St. Florian. Reste seiner Arbeiten finden sich noch im Stiegenhaus des Osttraktes wie in den Gitterfeldern der Marien kapelle von 1696.Im Jahre 1634 folgte das Gitter im Stift Schlägl, das eine besondere Zierde der Stiftskirche darstellt. Zu seinen Schöpfungen sind noch die Oberlichten der Sakristei türen in Kremsmünster, das in Oberösterreich einzige Stück einer diesem Stift gehörigen Triangel, die bei der österlichen Feuerweihe verwendet wird und durch das Osterlamm im Blechschnitt charakterisiert ist, ein Gitterchen im Fußboden der „Moschee" und ein Wirts hausschild „Zur Sonne" im Markt Kremsmünster zu zählen. Das überragende Können von Walz machtihn zu einer schulbildenden Persönlichkeit. Sein Einfluß aufden aus Scharnstein stammenden Peter Seyerl, mit dem er gemeinsam die Wasserspeier der übrigen Stifts trakte schuf, wirkt noch bis 1670 nach. Das überlegene Können des Meisters Walz wird am besten im Vergleich mit dem Abschlußgitter des Böhmerwaldklosters Hohenfurt klar, das einer seiner Zeitgenossen, der Gallneukirchner Tobias Trautwein,geschaffen hat. Walzens Formen zeigen gewachsene und harmonische Verhältnisse; auch sein Verhältnis zur Groteske und Maureske zeigt sein in sich ruhendes Wesen. Er nimmt dem Grotesken alles Unheimliche und gibt ihm Humoristisches. Walz ist ein ausgesprochener Künder der Linie. Bei ihm findet sich die Spirale nicht nur in den Aufsätzen, sondern auch in den Feldern als Um spielung der vielen Stabgeflechte. Es dürfen wohl in den Gitterführungen in dieser Zeit in schöner Entsprechung landschaftsbedingte Formen gesehen werden. Meister Walz ent spricht der Vierkanter mit seiner vollen Geschlossenheit unter einem Dach;dem Innvierder Vierseithof jedoch, der an allen vier Ecken durch die mächtigen Tore die Sonne herein scheinen läßt, gleichen ideell die Innviertier Gitterformen. Die Friedhofsgitter oder das Ab10

Schlußgitter in der Friedhofskapelle in Sarleinsbach beweisen, daß Trautwein mit seinen Arbeiten für das Mühlviertel typisch ist. Für den Hausruck mag das Emporengitter in Neumarkt sprechen. Für die Zwischenzeit bis zum Beginn des Hochbarocks mögen noch folgende bemerkenswerte Beispiele der Eisenkunst angeführt werden: Der Apostelleuchter von Neukirchen bei Lambach, der in seiner bunten Fassung eine weithin einmalige Zierde der Kirche darstellt, der älteste Opferkerzenträger der Kirche in St. Wolfgang (dat. 1621), eine Spende Kaiser Ferdinands II., der als Dokumentation der wiederauflebenden Wallfahrt in das altverehrte Heiligtum Erwähnung verdient und der eiserne Chorzaun der Orgel empore in Heiligenkreuz bei Kremsmünster, der später in Spital a. P. in einer Arbeit des Andreas Ferdinand Lindemayr, dat. 1728-1734, eine Nachahmung fand. Bei den Fensterkörben bedient man sich weiterhin der Rautenmusterung. Die Gitter erhalten jedoch anfangs in ihren Feldern Additionsmuster, die sehr dicht sein können. Als Beispiel möge das Eiselsberger Emporengitter aus der Mitte des 17. Jahrhunderts in der Pfarrkirche in Hallstatt genannt werden. In der Weiterentwicklung der Gittermusterung hat die Spirale in den Aufsätzen, aber auch in Wandarmen und Grabkreuzen noch eine do minierende Stellung. Die Fülle des Materials aus über 100 Orten liefert den besten Beweis, wie sehr man der abstrakten Spirale die Treue hielt. So entwickelte das große, von Sigmund Maister geschaffene Chorgitter der St.-Ägydius-Kirche in Vöcklabruck noch 1696 die Abstrahierung zur reinen Liniensprache weiter. Das obere Mittelfeld des Brunnens in St. Florian stellt eine Weiterführung der Eisen kunst zu barocken Elementen dar. Hier findet sich zum ersten Male ein schmalbrüstig gehaltenes Wabenmuster, das sich als das bis heute unverwüstliche Lieblingsmotiv der Fensterkörbe im Lande erweist. Diese frühesten Wabenmuster lösen - wenn auch nicht abrupt- die beliebten Spiral- und Stabmuster mit ihren Verflechtungen ab. Mit der Gegen reformation kommen aus dem Süden diese Additionsmuster, die durch den Gleichklang ihrer Wiederholung bestechen.Das früheste Sprossengitter war ehemalsim Linzer Landhaus turm, auch das Mondseer Speisgittertürchen übersetzt es in unsere Art. Das Sprossengitter wurde als fremd empfunden, wie so manches sonst, das mit der Gegenreformation aus dem Süden kam. Man wußte sich dadurch zu helfen, daß man die Eintönigkeit der sich wieder holenden Form durch reiche Farbigkeit auflockerte. Die Farbigkeit ist besonders für dieses Jahrhundert von besonderer Wichtigkeit. Beispiele dafür sind das vorzüglich bunt bemalte (inzwischen verkaufte) Abschlußgitter der Kirche von Pfaffing (dat. 1631). Die Addition löst sich hier in der Buntheit der Bilder auf. In den Aufsätzen selbst wurdejedoch nicht auf die Spirale verzichtet.Das Hauptfeld des Pfaffinger GittershatseineWiederholungim Stiegen haus des Schlosses Mondsee. Werke dieser Art erweisen sich als Salzburger Import. Das in Blau-Gold gehaltene Chorgitter (dat. 1631) in der Wallfahrtskirche von Hart dagegen stellt eine Burghausener Arbeit dar. Daß die Blechschnitte schon früher bunt bemalt waren, bezeugen Beispiele in St. Wolfgang (1599), die Krönungen des Lambachers Abschluß gitters von 1662 oder das Orgelemporengitter in der Frauenkirche von Freistadt. Auch für das Abschlußgitter derSebaldus-KapelleinHeiligenstein bei Gaflenz gibt die vorliegende Rechnung des Weyrer Schmiedes Philipp Schwäll von 1692 einen Hinweis darauf. Es ist ohne Zweifel, daß viele Gitter, die sich heute in einheitlich schwarzer oder weißer Gestalt zeigen, früher bunt waren. Wahrscheinlich müßte man dies auch für die Mohrenköpfe der Gang- und Stiegengitter im Schloß Weinberg (dat. 1622) annehmen. Ebenso wahrscheinlich auch ist die bunte Ausfertigung bei Grabkreuzen, bei Brunnen und Prangerfahnen. Die spätesten, dem Barock am nächsten kommenden Additionsmuster sind die Waben11

gitter mit den eingelegten C-Schnörkeln, eine vornehme Art,die durch das Lichterspiel sehr reizvoll wirkt. Das frühe, ehemals im Turm des Landhauses in Linz befindliche Türgitter kombinierte die Wabenmuster mit blattfernen Sprossenstäben, wobei die Waben aus ein fachem, wellenförmigem Eisen gebildet und durch Bügel zusammengehalten wurden. Der Weyrer Schmied Schwall benützt 1692 in seinem schönen Gitter vor der Schlafhöhle des heiligen Sebald am Heiligenstein bei Gaflenz die C-Muster in den Waben der Flügel,während im Aufsatz die Spiralen weiter vorherrschen. Ähnlich wie in der Spätgotik laufen auch in diesem Abschnitt mehrere Kunstströmungen nebeneinander her. In der weiteren Umgebung des an Straßenkapellen so überreichen Gmundner Raumes finden sich Gitter, die den abstrakten Renaissancecharakter lange beibehalten. Ungelöst bleibt daher die Frage, ob dieses Beharren nur aus ländlich bedingter Schwerfälligkeit entspringt oder aber, ob diese abstrakten Spiralen und die Stabdurchstoßungen in besonderer Weise dem heimischen Geschmack entsprachen. Der Knorpelwerk- (Ohrmuschel-, Erbsenschoten-) Stil ist in der Eisenkunst nicht so differenziert wie die gleichzeitigen Arbeiten in Holz. Aber die Knorpelwerk-Beispiele sind doch zahlreich genug,um an ihnen den seit derJahrhundertmitte beschrittenen Entwicklungs weg zum Hochbarock zu verfolgen. Im Gegensatz zu den gleichbleibenden Rundstäben der lange nachklingenden Spätrenaissancezeit, wie sie besonders Meister Walz verkörpert, beginnt um die Mitte des 17. Jahrhunderts an den Abspaltungen und Treffpunkten eine Anschwellung um eine augartige Bildung. Man könnte dies als den ersten Anfang des eigent lichen Hoehbarocks ansprechen. Diese Verdickungen und Schwellungen führen schließlich an den Spiralenden zu den „Knoppern", meist Keulenschwung genannt. Den Höhepunkt des Übergangs zum Knorpelwerk bildet das Gitter von Kefermarkt (1675) von Martin Albrecht. Es nehmen besonders die Binnenzeichnungen auf den Schwellungspunkten immer mehr an Plastizität zu, wie am Türchen des Stiegengitters der Sakristei in Schlägt. Es bedarf nur mehr eines kleinen Schrittes, bis die Knopper zum Blatt auswächst und damit organisch in die Formen des hochbarocken Stils übergeht. Die Gegend um Lambach und Vöcklabruck, das Salzkammergut und die westlichen Teile des Mühlviertels machen diese Strömung nicht so früh mit. Auch Kremsmünster nicht, das eine Sonderform der glatten Rundstäbe entwickelt. Aus der Fülle der Beispiele dieser Zeit ist das Abschlußgitter der Marienkapelle (dat. 1696) in St. Florian besonders hervorzuheben. Der Großteil des Gitters ist ohne Zweifel nichts anderes als der Restbestand des verloren geglaubten großen Gitters von Meister Walz von 1631-1633. Der Preylinger Sebastian Zierlewang brachte das Gitter neu zur Auf stellung und gestaltete die weitgespannte Aufsatzzone sowie zwei Felder der Gittertore durch die für die Knorpelwerkzeit charakteristischen Belebungen der Oberfläche durch Keulenschwungendungen. Als weitere Beispiele für diese Stilströmung mögen noch das Schutzgitter um den Kanzelfuß in Baumgartenberg, die Stiegenhaus-,Friedhofskapellenund Oberlichtengitter in Reichersberg angeführt werden. Kremsmünster bleibt noch 1702 mit seinem Abschlußgitter bei dem Knotenwerk. Der Sohn Georg Preisingers, Melchior,fand in ihm die seinem ererbten Wesen entsprechende Ausdrucksform. Er hat nie eine gerade Linie geschmiedet, bei ihm findet sich weder Blatt noch Tiergroteske als Schmuck. So gehört er ohne Zweifel zu den eindrucksvollsten hei mischen Kündern unserer Liniensprache. Das Knotenwerk ist reines Linienmotiv, dem Leonardo und Dürer in ihren berühmten Knoten die bekannteste Prägung gaben. Das Knotenwerk war also schon in der deutschen Frührenaissance bekannt, die Eisenkunst hat 12

es jedoch erst in seiner Spätform aufgenommen. Schon in seiner Erstlingsarbeit von 1683, im Stiegenbrüstungsgitter des Pfarrhofes in Weißkirchen, tritt uns Melchior Preisinger in seiner Eigenart entgegen, weiters im Balkongitter des Kremsmünstererhausesin Linz und im Pfarrhofin Thalheim. Aber von diesen Stücken abgesehen,ist sein Lebenswerk aufKrems münster allein beschränkt. Sein Hauptwerk, das Abschlußgitter unter der Orgelempore, gibt einen für diese Zeit überraschenden Beweis für die Kremsmünster eigentümliche, noch immer nicht abreißende Linienfreudigkeit. Darin unterscheidet sich Kremsmünster immer mehr von St. Florian mit dessen Entwicklung zur reichen plastischen Gestaltung. Ohne eine Spur von Prachtentfaltung, die nun in der hochbarocken Zeit überall auftritt, gelingt es Preisinger in einer für diese Zeit einmaligen Weise, alles Schwere und Stoffliche vergessen zu machen. Frei und duftig drehen sich die überaus zarten Rundstäbe zwischen den durch die Architektur vorbestimmten Feldern hin. Durch seine völlig abstrakte Linienführung ver körpert Preisingerjene heimischen Kräfte, die zu dem im Hochbarock herrschenden Reichs stil am Wiener Hof keine innere Einstellung gewinnen können. Hochbarock In den nur fünf Dezennien zwischen 1690 und 1740 vermag der österreichische Barock dem Lande ob der Enns seinen Stempel aufzudrücken. Keine Periode hat je eine so hohe Streuung an Eisenkunstwerken erreicht. In 180 Orten lassen sich barocke Kunstwerke nicht nur in Klöstern, sondern auch in Kirchen, Landkapellen und vor allem in den Städten an Rathäusern und Bürgerhäusern nachweisen. Das Friedhofsgitter (Atzbach, Kefermarkt),der Balkon (St. Florian, Linz, Freistadt), das Brunnengitter (Fallsbach, Aurolzmünster), das Schutzgitter um die Mariensäule (Wolfsegg, Niederwaldkirchen) und die Nepomukstatuen (Linz, Wels-Flößerkapelle), die Flurkreuze (Micheldorf, Stroheim), erste Ganggitter (St. Florian, Reichersberg), gegen Ende dieser Periode auch Ampeln (Steyr),steheningroßer Blüte und weiter Verbreitung. Das Durchdringen der Hochbarockformen, gekennzeichnet in seiner Üppigkeit durch die Freude und den Stolz des Siegers und das Bewußtsein neu gefestigter Macht, ist in unserem Lande anfangs nur zögernd. Noch die Garstener Gitter vor den Seitenkapellen zeigen uns, wie man sich, erst nur in Blechschnitten, in fast plumpen Blumenformen dem neuen Stilempfinden nähert. Die Gruppe der Emporengitter mit ihren großen „Marienkrüglein" (Garsten, Ghristkindl, Steyr-Dominikanerkirche) sind hier zu nennen. Doch endlich greift das Blatt frei in den Raum und beginnt an der noch immer beliebten Spirale wie Blumen, Früchte und Engelsbüsten - schwellend und vollplastischaufzublühen. Drei Großgitter - fast im gleichen Jahr entstanden - stammen aus dieser stolzen Zeit. Diese Künder des Hochbarocks in der obderennsischen Eisenkunst sind ohne Nach folge geblieben. Ein Gitterpaar schließt in Ranshofen die Marienkapelle ab, ein Gitter in Brunnenthal den Hochaltar der Wallfahrtskirche und eines im Stift St. Florian das Lang haus der Kirche unter der Orgelempore. Zwei Meister, stilistisch aufs engste verwandt, beginnen knapp vor 1700 unter Verwendung aller technischen Mittel, Carlonestuck-Kränze in die Sprache des Eisens zu übersetzen. Josef Schwingeisen in Schärding arbeitet für Brunnenthal und Ranshofen, Hans Messner aus Passau ist der Schöpfer des Abschluß gitters in St. Florian, des mächtigsten dieser drei hochbarocken Riesengitter.In St. Florian begann unter Carlone der Umbau und die Barockisierung. Das Abschlußgitter spannt sich in einer Breite von 12,5 m und einer durchschnittlichen Höhe von 5-6 m zwischen Eingangshalle und Kirchenraum. Das völlig Neue ist die Vollplastik, das Verlassen der 13

bisher gepflogenen Abstrahierung auf die Linie allein, das üppig Schwellende, die Nach ahmung der Naturformen. 1708 übernahm in St. Florian Jakob Prandtauer die Bauführung. Die Heranziehung ausländischer Meister wie des Nikolaus Peigine und des schon bespro chenen Passauer Meisters Messner bedingt ein volles Hinwenden zum Reichsstil, der unter Peigine durch die eingezogenen waag- und senkrechten Bügel (Hakenschnörkel)zum Bandlwerkstil führt. Der bedeutendste Eisenkünstler des Landes ob der Enns dieser und der folgenden Zeiten war der Stiftsschmied von Spital a. Pyhrn,wo man nicht mit den Palästen der Kaiser stadt wie in St. Florian wetteiferte. Beim Umbau des Klosters zog man den heimischen Hofschmied, Andreas Ferdinand Lindemayr (geb. 25. 11. 1686, Spital), heran. Lindemayr greift auf die alte Feldeinteilung und Spirale zurück und verzichtet noch 1728-1734 auf den Modeimport des Bandlwerkes. Die Wirkung seiner Persönlichkeit ergoß sich über das ganze Steyr- und Ennstal. Berühmtheit erlangte er durch seine zahlreichen Grabkreuze. Es gibt über Oberösterreich hinaus kaum Kreuze, die den Werken Lindemayrs an klassi scher Vollendung und Ausgewogenheit der Komposition und an Klarheit der Ausschmie dung an die Seite gestellt werden können. Lindemayrs Zeitgenosse in Kremsmünster ist der bedeutende Nachfolger Preisingers, Valentin Hofmann. Neben den kräftigen Äußerungen des Meisters Walz, neben der Ur sprünglichkeit Preisingers erscheint Hofmann vornehm, ja höflsch. Doch auch er bleibt dem nun immer stärker zur Herrschaft kommenden Ideal der Massenschwere fern. Seine angeborene Grazilität kann sich hier auf diesem Herrschaftsgebiet der Abstraktion besonders glücklich entfalten. Sein interessantestes Gitter (1728) gehört jedoch dem Stil nach schon ins Frührokoko. Gitter mit Additionsmuster sind eine andere Möglichkeit, dem Bandlwerk auszuweichen (Aschau, Losenstein, Ottensheim, Rohrbach, Maria Neustift), Puchenau bringt das einzige Perspektivgitter des Landes (das Werk befindet sich heute im Schloß). In der Gestaltung der Grabkreuze ist ein grundlegender Unterschied zwischen dem Osten imd Westen des Landes festzustellen. Die kleinen Namenstafeln des Innviertels in ihrer bunt bemalten Gestalt stehen in stärkstem Kontrast zu den Kreuzen des Bezirkes Kirchdorf, die, wie schon erwähnt, den absoluten Höhepunkt darstellen und auch außerhalb Österreichs kaum überboten werden können. Für diese hochbarocke Zeit wird die Verwendung von Vorlagebüchern bezeichnend. Der Sohn des berühmten Lindemayr verwendet noch 1756 einen Riß nach J. C. Weigels Ornamentenfolge von 1710-1725 (Nürnberg); auch andere Rißbücher sind in Verwendung gewesen, wie uns ein Grabkreuz in Steyr zeigt. Dieses Beispiel macht uns zugleich klar, wie schwer eine Grenzziehung zum Rokoko wird, das die Zeit Maria Theresias beherrscht. Durch diese Überfremdung beginnt sich eine Mehrgeleisigkeit zu entwickeln. Es wird mehr und mehr deutlich, daß sich neben der höfischen Hochkunst eine eigene Volkskunst weiter erhält, die den Wünschen bescheidener Bestellerschichten entgegenkommt. Man denke z. B. an die im Traunviertel heimischen „Vogerlleuchter", die auch in Skandinavien ihre Entsprechung haben. „Schnureisen" wird auch bei anderen Gebrauchsgegenständen in Verwendung genommen, etwa bei „Rasteln", die man daraus flicht. Gerade diese Dinge sind für das Erkennen unserer volklichen Anschauungen oft äußerst aufschlußreich. Die Vogerlleuchter - oft auch Radleuchter genannt — tragen Vorstellungen weiter, die in der sinnbildhaften Darstellung von Sonne, Mond, Vogel und Blume in mythische Überlie ferungen zurückreichen. 14

Vom Bandiwerk zum Rokoko Alte Tradition und das neue Bedürfnis nach Repräsentation verbinden sich zu einem neuen Stil. Zum Laubwerk kommt in rasch zunehmendem Maße das Bandiwerk. Am Beginn der Treppenanlagen des in der Barockzeit überaus wichtigen Stiegenhauses, wo sich der schöpferische Geist der Künstler am freiesten ausleben kann, erhält das Gitter die neue Aufgabe, in hoher Prachtentfaltung dem Eintretenden zu künden, wer hier wohnt und wie groß seine Macht ist. In dem 1728 entstandenen Gitter in Kremsmünster schloß sich der Stiftsschmied Valentin Hofmann jedoch nicht dieser Richtung an. Mit diesem durch das erstmalige Verschwinden des horizontalen Renaissancerahmens gekennzeichneten Gitter übernimmt abermals Kremsmünster die Führung in der Eisenkunst, die es schon unter Walz besessen und bis zum Einbruch des Bandlwerkstils gehalten hatte. Kremsmünster liefert damit zugleich aber auch seinen letzten großen Beitrag zur Eisenkunst Oberösterreichs. Die Einbrüche reifer „Bandlwerkkunst" sind trotz der Fruchtbarkeit dieser Jahre in Oberösterreich an den Fingern abzuzählen.Die schönsten unter ihnen sind die beiden Pracht gitter im Stiegenhaus zu St. Florian von Peigine 1730. Die an Größe mächtig zugenommenen Kelchblumen geben nun die Möglichkeit der Prachtentfaltung und überglänzen mit ihrem Gold das Gitter. Auch das Hofmanngitter im Linzer Bischofshof gehört hieher. Die Formelemente des Rokokos kamen von Bayern nach Oberösterreich. Auf Linzer Boden (Minoriten-, Pöstlingbergkirche, Wilhering) findet die große Begegnung zwischen dem aus dem Westen kommenden Rokoko und dem von Osten auslaufenden Reichsstil statt. Es läßtsich feststellen, daß das asymmetrische Rokoko über den altbairischen Siedlungs raum nicht wesentlich hinausgeht. Gewisse französische Rokokoformen seit dem Regence verbinden sich durch Betonung der Symmetrie leichter mit dem Wiener Barock. Die kultu relle Nahtlage Oberösterreichs bringt es mit sich, daß die Inn- und Donauklöster das Bild besonders mitbestimmen, die Zusammenstellung der Vorkommen ergibtjedoch nicht einmal 70 Punkte dieses Stiles in unserem Lande. Sie bleibt demnach zahlenmäßig hinter allen anderen großen Kulturperioden zurück. Die Auszier der Feldmittelpunkte durch „Blätschen" oder Rosetten und nicht zuletzt die Wölbung des Gitters geben jenes zauberhaft heitere Musikalische, das diesen neuen Stil begleitet. Als neue,immer mehr bestimmende Form im Ornamentschatz kommt als Haupt merkmal der rokokobeherrschten Endphase des Barocks die Rocaille auf, die dem Stil den Namen gab. In der Regel goldig gehöht sind diese flimmernden Blechgetriebe häufig an Oberlichten, mehr noch an Wirtshausschildern und Grabkreuzen, sowohl in ländlich primitiver alsauch intechnisch vollendeter Hochkunstform,zusehen.Sie bilden vielfach durch ihre Verschleppung bis in die Biedermeierzeit herauf eine glückliche Überbrückung der klassizistischen Nüchternheit. Der Zähigkeit der Rocaille ist es zu verdanken, wenn die Eisenkunst später verdorrt als andere Zweige des Handwerks. Zeitlich bilden sich um 1745 und um 1770 Schwerpunkte, wie die Gattringer-Gitter in St. Florian (1747), das Abschluß gitter in Engelszell (1748), das farbige Prachtgitter in Wilhering und die Gitter in Pfarr kirchen sowie in Linz, Maria-Thal (1746) - ein Gitter, das wohl auch von Ludwig Gattringer stammt.Das bedeutendste Türgitter in der reifen Rokokozeit ist das Wilheringer Gitter um 1745. Es zeigt sowohl die muschehgen Rocailles des Rokokos wie die Palmetten muschel und den schmalgewordenen, schilfahnlichen Akanthus der Regencezeit. Von gröberer bayrischer Art sind die beiden Tore von 1765 im Stift Reichersberg a. I., deren Meister,ebenso wie der von Wilhering, nicht bekannt ist. Ein weiteres allgemeines Charakte15

ristikum für diesen Zeitstil ist seine Bevorzugung der Asymmetrie. An vielen Oberlichten in Schlössern, Pfarrhöfen und Bürgerhäusern, auch an Fenstergittern, die in die Architektur eingebaut sind (Linz, z. B. bei den Elisabethinen), an einigen Gartentürin und an Stiegen geländern,in Kirchen- oder Kapellengittern (z. B.St. Georgen im Attergau)oder an Glocken zügen (z. B. Ohlsdorf) ist dieses Stilelement zu sehen. Das Gitter von Vormoos, dat. 1768, zeigt noch den Übergangsstil um 1740. Auch das Gitter an einer Kapelle in Oberneukirchen aus demselben Jahre ist noch konservativ. Als drittes folgt das Friedhofsgitter in Viechtwang. Eine Reihe von Linzer Abschlußgittern (z. B. Ursulinen, Minoriten; in der Pfarrkirche die Johanniskapelle) wird zunehmend grazil. Weiters sind Suben und Wilhering mit ihren Speisgitterchen hier zu nennen. Für die siebziger Jahre dieses Jahrhunderts kennzeichnend sind die Werke des Unterweißenbacher Meisters Karl Kaufmann. Sein Einflußbereich erstreckt sich über das östliche Mühlviertel, in dem viele seiner Kreuze und Kerzenträger zu finden sind. Für den Süden bildet der überragende Friedhofsgitteraufsatz in St. Pankraz den Höhepunkt, die oberösterreichische Mitte repräsentiert das Taufbeckengitter in Hart heim, den Westen die beiden 1765 entstandenen Abschlußgitter in Reichersberg. Linz, Steyr und St. Florian zeigen noch einmal die ganze Pracht und Musikalität, die den Stilformen des späten Rokokos innewohnt. Den Anlaß zu jenem Linzer Gitter von 1769, das einen krönenden Höhepunkt darstellt, bildete der Besuch der Kaiserin Maria Theresia. Dieses Prunktor wurde damals vor dem Landhaus an der Brücke über den Graben der Stadtbefestigung auf der Promenade errichtet. Jetzt steht es vor dem Eingang zum oö. Landesmuseum. Das Florianer spätrokokozeitliche Ganggitter, in dem das Chorherrenstift nun seinerseits zum letzten Male seine Kunstliebe im Eisen kundtut, ist 1773 entstanden. Die Überspinnung mit den auf das verschiedenste geformten Rocaillen, die hier, wie sonst nirgends in Oberösterreich, auch Ringe bilden, ist für dieses Gitter typiseh. Sind auch diese späten Großgitter selten, so treten dafür nun in lockerer, fast duftiger Art die Emporengitter stark hervor. Wohl die schönste Lösung bringt die Dominikanerkirche in Steyr. Das Gitter von Ach ist eines der besten Beispiele dieser dem Malerischen zuneigenden Zeit. Farbige Fassungen waren beliebt und sind wiederholt feststellbar, z. B. im Aufsatz von Scharten (1769), in den beiden Abschlußgittern in Kirchberg bei Kremsmünster, in Wilhering und Reichersberg. Starke Goldhöhungen auf den Rocaillen zeigen Christkindl, Hartkirchen und die Fensterkörbe am Rathaus in Steyr. Das Stiegengitter in Zell a. d. Pram weist französische Stilformen auf. Auch die Rokokogartentür im Petzenschlößl in Steyr verdient es, zumindest kurz erwähnt zu werden. Oberlichten (wie in Pfaffing, Linz: Hofstätter-Apotheke, Freistadt usw.), Wirtshausschilder (wie Ebelsberg, Freistadt, Gmunden, Steyr, Wels usw.), Gang gitter in Pfarrhöfen(Ach)oder in Bürgerhäusern(Kremsmünster,Linz,Eferding) und endlich Turmkreuze (Pfarrkirchen b. Kremsmünster) runden das Bild ab. Klassizismus In den letzten zwei Jahrzehnten des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahr hunderts wurden die als unerträglich empfundenen Äußerungen des barocken Reich tums abgelehnt. Die Vielfalt wird radikal abgebaut; man versueht, eine einfachere Haltung zu gewinnen. Dabei gelangt man zu scheinklassizistischen Formen. Die neuge wonnene Klassik hat freilich mit der antiken kaum etwas zu tun. Was erreicht wird, ist die Verbannung des Unheimlichen und Hintergründigen. In etwa 130 Orten sind Eisenkunstwerke aus dem Zeitraum von 1780 bis etwa 1850 festzustellen. Würde man eine volle Inventaraufnahme machen mit Einbeziehung der 16

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