OÖ. Heimatblätter 1968, 22. Jahrgang, Heft 3/4

mitteilungen nachdrücklich ergänzt wird. Denn wie sehr auch die verwickelten dynastischen und herrschaftsgeschichtlichen Ereignisse den Rahmen dieser Darstellung bilden, treten doch immer wieder deutlich die Wellenberge und Wellentäler im Leben der einfachen Bürger hervor, die durch religiöse Erschütterungen (man denke an die Fürchterlichkeiten der Auswirkung von Inquisition, Reformation und Gegenreformation), wirtschaftliche Entwicklung und Kriege und Kriegsgefahren hervorgerufen wurden. So wird der „Pritz“ auch zu einem nicht zu unterschätzenden Quellen werk für soziologische, volkskundliche und historische Verhältnisse, das auch heute noch in der landeskundlichen Literatur einen hervorragenden Platz einnimmt. E. B. Karl Ginhart, Die Martinskirche in Linz. Linzer Archäologische Forschungen Bd. 4, herausgegeben vom Stadtmuseum Linz. Linz 1968, 63 Seiten, 41 Abbildungen. Seit bei der großangelegten sogenannten „Dreiländer-Tagung“ für Frühmittelalter-Forschung (25. bis 29. Sept. 1949) Franz Juraschek, der eigentliche Entdecker der Bedeutung dieses einzigartigen Bauwerkes, in seinem umfangreichen Referat „Probleme der Denkmalpflege und der Datierung an der Martinskirche“ einen erlesenen Forscherkreis mit den höchst merkwürdigen Bauformen dieses Gotteshauses bekannt gemacht hat und die Monographie von F. Juraschek und W. Jenny, „Die Martinskirche in Linz, ein hervorragender Bau in seiner Umgestaltung zur Nischenkirche“, Linz 1949, ein erstes Untersuchungsergebnis nach weitläufigen Forschungs- und Restaurierungsarbeiten vorgelegt hat, ist die Martinskirche immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen und Auslegungen geworden. Nun wird durch das neue Buch des bekannten Kunsthistorikers K. Ginhart, der sich bereits 1949 (und weiters in den Jahren 1954 und 1957) zur Baugeschichte dieses Gotteshauses geäußert hat, ein neuer entscheidender Vorstoß zur Erklärung ihrer merkwürdigen Formgeschichte unternommen, bei der der bekannte Gelehrte nach einem Zug um Zug durchgeführten Vergleich mit Parallelvorkommen zu folgendem Ergebnis gelangt: Auf dem Areal der heutigen Kirche bestand bereits zur Römerzeit eine „Militärstation“, vermutlich mit einem Beobachtungsstand und, wie es üblich war, einem kleinen Heiligtum. Als nach dem Fall von Lorch um 700 sich die Baiern westwärts bis an die Traun zurückziehen mußten, dürften sie auch das Gelände um die Martinskirche unter Verwendung der römischen Baureste neu befestigt haben. Dabei errichteten sie „nach dem Muster der um 700 von dem hl. Rupert auf der Hohensalzburg erbauten Martinskirche“ auch auf dem Römerberg eine wahrscheinlich hölzerne Kapelle zu Ehren des von den Merowingern besonders verehrten heiligen Martin. Die entscheidende Bauphase erfolgte während des Feldzuges des Kaisers Karl d. Gr. 790 gegen die Awaren. Während der Abwesenheit des Monarchen ließ Bischof Waltrich von Passau, dem Karl die Verwaltung der Burg und der Kapelle übertragen hatte, im Bereich der durch neue Anlagen kampftüchtig gemachten Burg, „so gut es seine im Mauerbau nicht sehr erfahrenen Werkleute konnten, eine Art Triumphpforte“ nach dem Muster der 774 errichteten Torhalle von Lorsch für den aus dem Krieg heimgekehrten Kaiser erbauen. Das ist „die bisher rätselhaft gebliebenen Pfeilerbogenhalle“, deren Vorbild in Lorsch der Bischof kennengelernt hatte, als Karl dort die Huldigung des hohen Klerus entgegennahm. „Die Lorscher Triumph halle war ihm daher bekannt, und er wollte in der Linzer Burg eine ebensolche errichten, um damit den siegreich heimkehrenden König in besonderer Weise zu ehren, wie es der Abt von Lorsch vor 17 Jahren getan hatte.“ Nach Ginhart ist anzunehmen, daß die Kapelle zum hl. Martin, die Burg und die Torhalle während der Ungarnstürme (10. Jhd.) beschädigt wurden, doch wurde die Kirche jedenfalls bald wieder hergestellt. „Als man bei wachsender Bedeutung des Marktes im 11. Jhd. die bescheidene Holzkirche durch eine solche aus Stein zu ersetzen beabsichtigte“, — und das ist nun die entscheidende neue Theorie Ginharts — , „verwendete man als struktives Gerüst die noch stehende karolingische Torhalle“, dabei wurden die 6 Torbogen durch Wände mit Innennischen, „die damals modern waren“, verschlossen und „man führte im Osten eine Apsis- und im Westen eine (neue) Abschluß wand auf.“ Diese Adaption der Torhalle erfolgte allem Anschein nach im 11. Jahrhundert. „Die Linzer Martinskirche ist daher eine Nischenkirche des 11. Jhd.s, etwa aus der Zeit um 1070, die in eine karolingische Torhalle eingebaut wurde.“ E. B. Manfred Brandl, Regotisierung der Steyrer Stadtpfarrkirche - ein Beispiel für die Gesinnung ihrer Zeit. 85. Jahresbericht Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Steyr 1967-1968. Seite 5-35. Der ehemalige Absolvent des Bundesrealgymnasiums Steyr und jetzige Universitätsassistent Dr. Manfred Brandl veröffentlichte im Jahresbericht seiner Schule seine dritte kunstgeschichtliche Arbeit zu dem Thema der Steyrer Kirchen1. Mit dieser Arbeit legt er eine interessante Studie zu dem umstrittenen Thema der Regotisierung der Steyrer Stadtpfarrkirche vor. Er bemüht sich darin, die uns heute fremde Einstellung des 19. Jahrhunderts zur Kunst der vergangenen Epoche, zum Barock, zu verdeutlichen, ohne jedoch die mit dieser Regotisierung verbundenen Verluste großer Kunstwerke zu verniedlichen oder gar zu vergessen. Als Ursachen für die damalige Strömung, ein neues Kunstschaffen durch den Blick ins Mittelalter, durch Nachahmung der gotischen Stilelemente in den Dienst der kirchlichen Erneuerung zu stellen, führt er die Wandelbarkeit der Akzentuierungen persönlicher Frömmigkeit, religiöser Ausdrucksformen und der in der sakral gebundenen Kunst objektivierten Vorstellungen sowie den raschen Wechsel der Verhaltensweise des Menschen zur nichttechnischen UmweltsWirklichkeit an. Die nicht unbedeutenden Architekten und Künstler dieser Zeit übersahen die Gefahr einer Aufhebung alter Gotik durch neugotische Überarbeitung; für die breite Öffentlichkeit war zweifelsohne das neugotische Schaffen Kunstwert und tatsächliche Weiterführung vielleicht sogar Vollendung der gotischen Kunstwerke. Die Steyrer Stadtpfarrkirche wurde als erste oberösterreichische Kirche gründlich regotisiert, ausgehend von der Meinung, die auch Adalbert Stifter vollauf teilte, daß der schwarze, vergoldete barocke Hochaltar, die barocken Seitenaltäre und Türen den schönen gotischen Bau verunstalteten. Mit 1857 begann die Regotisierung, die erst in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts durch den neuen Geist der Denk59

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