OÖ. Heimatblätter 1968, 22. Jahrgang, Heft 1/2

Die österreichischen Felsbilder in der Diskussion Zur Diskussion über die Einstufung und Bewertung der österreichischen Felsbilder im Rah men der übrigen Vorkommen in Europa ist sowohl ihre geographische Lage als auch ein Vergleich ihrer Motive mitjenen der ausländischen Vorkommen von entscheidender Bedeu tung. Durch die Entdeckung der schweizerischen Felsbilder in der Alpe Carschenna haben sich hiefür neue Anhaltspunkte eröffnet. Als 1952 das Standardwerk über „Die Felsbilder Europas" von Herbert Kühn"^ erschien, stellte der als erste Kapazität auf diesem Gebiet geltende Gelehrte aufGrund der damaligen Sachlage fest, daß der große Raum zwischen den Vorkommen von Felsgravierungen in Skandinavien und Oberitalien (Val Gamonica, Monte Bego) bis dahin fundleer geblieben war. Trotz der zahlreichen Übereinstimmungen in den Bildinhalten der beiden Fundgebiete war bis zur damaligen Zeit kein Anzeichen für eine Kulturbrücke, für die sieh vor allem das österreichische, deutsche und schweizerische Alpengebiet anbot, nachweisbar. Aber schon 1956 wurden von einem Forstbeamten die ersten Beobachtungen über das Vorkommen von Felsbildern in Österreich gemeldet — es handelt sich um das inzwischen international bekannt gewordene Fundgebiet in der Flur „Höll" am Warscheneck im Toten Gebirge" —,diejene systematischen Forschungen auslösten, durch die innerhalb der folgenden zehn Jahre rund dreißig weitere Belegstellen in den österreichischen Alpen festgestellt und inventarisiert werden konnten". Zeichnete sich bereits aus dem Motivschatz dieser öster reichischen Felsbilder ein deutlicher Hinweis auf Kommunikationen in den Zeichnungen in den süd- und nordeuropäischen Vorkommen ab, so erhielt die Annahme eines über Mitteleuropa hinwegführenden Kontaktes durch die neuen Felsbilderfunde in der Schweiz nunmehr eine weitere Stütze. Als im Sommer 1967 ein Förster aus Thusis in Graubünden in der 1300 m hoch gelegenen Alpe Carschenna nach einem geeigneten Standort für ein Triangulierungszeichen suchte und dabei die dicke Moos- und Humusdecke über einem annähernd waagrecht liegenden Felsblock abhob, sah er sich zu seinem Erstaunen plötzlich inmitten einer großen Anzahl von konzentrischen Kreisen und Schalen stehen, die keineswegs den Eindruck machten, als wären sie erst in jüngster Zeit hergestellt und dann wieder sorgfaltig versteckt worden^. Er meldete seinen Fund den zuständigen Ämtern in der Kantons hauptstadt Chur, wo die Beamten des großen Rätischen Museums sogleich die Bedeutung der Gravierungen erkannten und sich mit solchem Eifer der Freilegung weiterer Bestände widmeten, daß die „Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte" am 29. Juni 1968 in einer bestens vorbereiteten Exkursion die Bilder ihren interessierten Mitgliedern und einigen ausländischen Fachleuten zugänglich machen konnte. Dabei hatte auch der Verfasser Gelegenheit, die Bilder einem längeren Studium zu unterziehen, sie zu photographieren und zu zeichnen und sich im weiteren Gedanken über die Gleichartigkeit, bzw. Verschiedenheit der Formen der Motive, der Gravierungstechnik, der Behandlung der ^ Herbert Kühn, Die Felsbilder Europas, Verlag Kohlhammer, Stuttgart 1952. ® Ernst Burgstaller, Felsbilder und -inschriften im Toten Gebirge. Linz, Institut für Landeskunde, 1961. ® Eine Übersicht über die bis 1965 festgestellten Fundorte enthält Ernst Burgstaller und Ludwig Lauth, Felsgravierungen in den österreichischen Alpenländern.Jahrbuch des oö. Musealvereines 105 (1965),316—378. * Erste Berichte über die dort aufgefundenen Felsbilder veröffentlichte Ake Ohlmarks, Das Felsbild. In „Die Tat", Zürich, 28. Oktober 1967, und Christian Zindel, Felszeichnungen auf Carschenna. Ur-Schweiz XXXII, 1 ff.

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