OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

einen Kammgarnanzug machen lassen und im Winter darüber einen grünen Hubertusmantel, schon selten den alten gewalkten „Lodenen" anhaben. Sehr viele jüngere Männer tragen den neuen grünen „Oberösterreicher". Die kurze Lederhose sieht man sehr selten, häufiger die lederne schwarze Kniehose. Bei den Frauen und Mädchen ist die Tracht viel seltener. Das Festtagsdirndl und das Windischgarstenerdirndl erfreut sich aber zunehmender Beliebt heit. An strahlenden Sommertagen ziehen sich junge Bäuerinnen gern festlich heimatlich an. Bei besonders festlichen Anlässen wird noch das gebundene Kopftuch und die Goldhaube getragen. Bei der letzten Primiz im Jahre 1965 konnte man etwa dreißig Bäuerinnen im schwarzen Flügeltuch bewundern und ebenso viele oder mehr in der Goldhaube. Von diesen Trachtenträgerinnen waren wohl die meisten Bürgersfrauen, aber es gibt auch keine Bäuerin, die bei einer solchen Gelegenheit nicht sofort das Kopftuch mit einer Goldhaube vertauschen würde - wenn sie eine hätte. Handfertigkeit: Wir haben nun so oft von Arbeiten und Fähigkeiten zu berichten gehabt, die verlorengegangen sind, daß wir um die Geschicklichkeit unseres Landvolkes in der Zukunft besorgt werden könnten. Wenn den Bauern heute auch nicht mehr die Autarkie zwingt, so viel als möglich selbst für sich zu erzeugen, so gibt es doch andere zwingende Gründe, dies zu tun: Vor allem der hohe Stundenlohn der Handwerker. Wenn ein Bauer die Fähigkeit dazu hat,dann wird er selber sein eigener Zimmerer, Maurer,Tischler,Schwei ßer usw. Es gibt nicht wenige, die in ihrer „Schnegerlabn" eine Bandsäge, Kreissäge, Hobel maschine und Bohrmaschine stehen haben. Sie erneuern damit ihre Stuben, richten Frem denzimmer ein,schweißen ihre Karosserien usw.Es ist daher dafür gesorgt, daß die Geschick lichkeit der Hand weiterlebt und weitergegeben wird an die Jungen. Zusammenfassend kann gesagt werden: In den jungen und älteren Bauern entsteht ein neues Persönlichkeitsgefühl, das den Bauern mehr an sich selbst und weniger an den Hof denken läßt. Im Umgang mit technischen Dingen entwickeln sich aus den körperlichen und geistigen Bedürfnissen heraus ähnliche Lebensformen wie in der Stadt. Bäuerliches und städtisches Leben haben sich genähert. Ländliches Wohnen und ländliche Tracht sind nicht mehr ein Merkmal des Bauernhauses allein, sondern sind in die Stadt gewandert, und umgekehrt richtet auch mancher Bauer sein Haus städtisch ein. Bauer und Bäuerin werden nichts von den Fertigkeiten der Hand verlieren, weil diese auf anderen Gebieten sich wieder einstellen. Wohl aber werden gewisse Fähigkeiten des inneren Menschen ver kümmern. Die zunehmende Rationalisierung wird bewirken, daß man z. B. glaubt, auf den „Anbraucher" verzichten zu können. Es gibt unter den alten Bauern nur mehr ganz wenige, die diese Fähigkeit besitzen. Die Jungen haben kein Interesse mehr, diese Kunst zu übernehmen, und so stirbt sie mit den letzten Könnern auf diesem Gebiet aus. Dieselbe Rationalisierung erzeugt aber neue geistige Bedürfnisse. Unser Bauer, der immer etwas konnte, will heute auch etwas wissen, mehr wissen, als der Großvater und Vater gewußt haben. Er will durch Reisen und Vorträge auch andere Gegenden kennenlernen, um Ver gleiche anstellen zu können und daraus Nutzen zu ziehen. Er gewinnt ein bei ihm völlig unerwartetes Interesse an der Geschichte seines Hofes und an Geschichte überhaupt. Auf seinem Bücherbord stehen neben Fachbüchern auch schöngeistige Werke. So wird er wie der Städter in Zukunft nach einer geistigen Nahrung verlangen, die noch sein Vater ent behren konnte.

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