OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

es waren lauter Unbekannte. Viele darunter trugen altertümliche Kleider. Auch der Geist liche am Altar, als Katechet ihr sonst wohl bekannt, war diesmal ein ganz anderer. Das Kind wunderte sich zwar über all diese Seltsamkeiten, betete aber fleißig. Als die Rorate sich dem Ende näherte, trat eine alte Frau zum Mädchen, das bescheiden im Mittelgange stehen geblieben war, und sagte leise: „Du bist in der Messe der Toten, an der kein Lebender teilnehmen darf. Weil du aber ein unschuldiges Kind bist, so darf ich als deine Urahne dich retten. Geh sofort, das Gesicht immer zum Altar gewendet, betend und dich bekreuzigend, rückwärts schreitend aus der Kirche; tust du so, dann wird dir nichts geschehen, ansonsten werden dich die Toten zerreißen. Zitternd folgte das Mädchen dem Rate. Die Totenschädel fletschten freilich wütend die Zähne und die Knochenarme reckten sich drohend; das Kind aber kam glücklich heim. 14 Der Goidinger Micherl Der Goidinger Micherl war einst im „Weingarten", wie die Gegend um die Kapuzinerkirche in Linz damals genannt wurde, eine bekannte Gestalt. Er starb, bevor er noch dem Seiden zeug-Fabrikanten Franz Xaver Hofer in der Kapuzinerstraße eine größere Schuld begleichen konnte. Die Eheleute Hofer hörten nun nach Goidingers Tode mehrere Tage hintereinander, wie zu mitternächtlicher Stunde die Haustür aufgesperrt und wieder sorgsam geschlossen wurde. Dann stapften schwere Tritte die Holzstiege hinauf in den ersten Stock und hinein in die neben dem Schlafgemach gelegene Schreibstube Hofers. Dort vernahm man,wie das Schuldbuch aufgeschlagen, durchblättert und wieder zugeklappt wurde. Dann stapften die Schritte die Stiege wieder hinunter, das Haustor wurde aufge sperrt, geöffnet, geschlossen und wieder sorgsam zugesperrt. Als sich dies nun zum dritten Male wiederholte, rief Hofer vom Bett aus ins Nebenzimmer hinüber: „Goidinger Micherl, wenn du es bist, so kannst du ruhig schlafen; bist mir nichts mehr schuldig!" Daraufhin gab es einen starken Knall, und von diesem Augenblick an blieb es ruhig im nächtlichen Hoferhaus. 14 Schwarzer Hund in der Ludl Die Ludl war ein Donauarm, der einst gleich unterhalb der heutigen Nibelungenbrücke am rechten Donauufer abzweigte, ungefähr längs der heutigen Lederergasse verlief und im Gebiet des Werfthafens wieder in die Donau mündete. Da die Linzer Lederer in diesem Wasserlaufihre keineswegs wohlduftenden noch auch klaren Abwässer und Abfalle leiteten, so fanden nur hungrige Hunde an den Ufern der Ludl Gefallen. Kein Wunder daher, daß dort des Nachts mitunter ein riesiger schwarzer Hund auftauchte mit gewaltigen rotglühenden Augen. Wer ihn sah, der schlug ein Kreuz, denn er war sich klar, daß es nur der Teufel in einer seiner vielen Tiergestalten sein konnte. 41 Angehexte Läuse Der Kremsmünsterer Bote hatte im Kremsmünsterer Haus der Linzer Altstadt sein Absteig quartier. Als er dort einmal seinen Schnappsack öffnete, um das ihm anvertraute Päckchen zu übergeben, wimmelte es im Innern des Lederbeutels von roten Läusen. Die hatte ihm jemand angehext. Der Bote aber besaß allerlei Wissenschaft und verstand sich zu helfen. Er vergrub den Sack unter dem Mist und hatte fortan wieder Ruhe vor dem Ungeziefer. 19, 204/274 Der Teufel und der Ignatiusdom Der Teufel fürchtete die Jesuiten als seine erbittertsten Gegner. Als die Gesellschaft Jesu nun in den Jahren 1669-1676 die Ignatiuskirche erbaute, kannte seine Wut und Bosheit

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