OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

Sagen in und um Linz Hans Commenda VORWORT Das volkstümliche Erzählgut aus dem Bereiche der oberösterreichischen Landeshauptstadt fand bisher nicht die verdiente Beachtung. So stellt denn die folgende Arbeit den ersten Versuch dar, eine möglichst vollständige Darstellung der Sagen, Legenden, Märchen und Fabeln aus dem Bereiche in und um Linz zu bieten. Der Verfasser kann dabei an seine eigenen einschlägigen Vorarbeiten anknüpfen"-, stützt sich aber daneben noch auf weitere Belege, welche sich seither in gedruckten Quellen und Handschriften, aus der eigenen Feld forschung und Familienüberlieferung ergaben. Der so gewonnene Bestand dürfte sich in Zukunft gewiß noch mehren lassen, vermag aber schon heute ein ebenso reiches wie buntes Bild des Linzer Erzählgutes zu zeichnen. Auch in Linz quillt am ergiebigsten die Quelle der weltlichen Sage und ihrer frommen Schwester, der Legende. Beide Gattungen der Erzählung, ursprünglich nur mündlich überliefert, gehen aus von einem bestimmten, ungewöhnlichen Ereignis oder einer auffalligen, ortsgebundenen Tatsache. Der unbekannte und ungenannte Urheber solcher Geschichten nimmt für seinen Bericht volle Glaubwürdigkeit in Anspruch, erhöht diese gelegentlich noch durch den Hinweis auf Gewährsleute, obwohl er nicht selten Ungewöhnliches,ja Wunder bares zu erzählen weiß. Die Sage trachtet also nach dem Anschein der Lebenswahrheit. Heute ist das Linzer Sagengut keineswegs mehr Gemeinbesitz, sondern in letzten Resten höchstens persönliches Wissen einzelner Personen. Seitdem die Träger und Vermittler der einschlägigen Überlieferung, die Großeltern, Tanten, Kinder- und Hausmädchen, aus der Familiengemeinschaft verschwanden, führt die Sage, wie alle Volkserzählung, meist nur mehr ein papierenes Dasein in gedruckten Sammlungen und Schullesebüchern, sie wird nur mehr ausnahmsweise in alter Art mündlich weitergegeben. Die Sagen-, Legenden- und Mythenbildung aber hat im Volke noch keineswegs aufgehört. So gibt das nie völlig geklärte Ende des Kronprinzen Rudolfimmer wieder Anlaß zu sagen haften Vermutungen. Auch das geheimnisvolle Schicksal des verschollenen Erzherzogs Johann Orth, der in Linz als Divisionär stadtbekannt war, führte neben manch anderen Deutungen auch zur Annahme, der Verschwundene sei in Japan als Erzieher der dortigen Armee tätig gewesen und habe damit den Grund zum Siege des Sonnenbanners über die Russen gelegt. Fliegende Untertassen werden und wurden auch in Linz immer wieder beobachtet und als Sendboten der Venus oder überirdische Richter aufgefaßt. Um den Pöstlingberg gar rankt sich ein ganzer Kranz von Legenden, die bis herauf in unsere Tage reichen. Märchen wurden aufdem Linzer Boden recht spärlich aufgezeichnet. Man sollte aber daraus nicht schließen, daß es hier keine gegeben hätte. Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich aus der eigenen Kinderzeit — leider nur mehr sehr unbestimmt —, daß ihm eine aus dem oberen Mühlviertel stammende Magd eine Fülle von Märchen,Sagen und Legenden erzählt hat. Es mangelte also keineswegs am Stoff, wohl aber an seinem rechtzeitigen Erfassen. Märchen sind mündlich im Volke überlieferte, von den Bedingungen der Wirklichkeit unabhängige Erzählungen. Sie spielen häufig in einer Wunder- und Zauberwelt, erheben * Schrifttum 15; 16; 17; 18.

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