Besonderer Vorliebe erfreuen sich dabei auch historische Landschafts- und Ortsansichten, an deren Dar stellungen man, die „gute alte Zeit" verklärend, sich nicht nur ästhetisch erfreut, sondern auch ab zulesen sucht, wie unsere Vorfahren gebaut und gelebt haben und was sich von ihrem Werk im Laufe der mehr oder weniger organischen Entwicklung noch sichtbarhch erhalten hat. In Österreich sind seit den fünfziger Jahren mehrere Veröffentlichungen dieser Art, vor allem über die großen Städte Wien, Linz, Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt erschienen, neben einem zusammen fassenden Überblick, den M.David in ihrem schönen Buch „Österreich in alten Ansichten", Innsbruck 1965, gibt, die gewissermaßen das Feld für so große Publikationen wie A. Marks,„Oberösterreich in alten Ansichten", vorbereiteten. Nicht weniger als 5000 Originalbilder von alten Kloster-, Dorf-, Markt-, Schloß- imd Stadtansichten hat der Herausgeber in bewundernswertem Bienen fleiß durchmustert und für die getroffene Auswahl eine historische Einführung geschrieben, die ihn als profunden Kenner der Materie zeigt und an biblio graphischer und bibliophiler Akribie nichts zu wünschen übrig läßt. In fünf Abschnitten erläutert A. Marks die Hauptstationen der künstlerischen und kunsttechnischen Geschichte der Ortsansichten, deren Spuren er bis in das Mittelalter verfolgen kann, indem er dasfarbenprächtige Stifterbild von Otto und Jeuta von Machland mit dem Modell der von ihnen gegründeten Kirche zu Baumgartenberg seiner Bilder serie voranstellt. Noch denkt um diese Zeit niemand daran, das dargestellte Gebäude auch in die es um gebende Landschaft einzubeziehen, bis Wolf Huber, einer der Hauptmeister der sogenannten „Donau schule", seine großartigen Skizzen der Landschaften um Linz, Mondsee und Sarmingstein schafft, ohne daß sich freilich die so gewonnene Freiheit der Landschafts betrachtung und -darstellung in der Kunstrichtung der folgenden Generation zu festigen vermocht hätte. Hier tritt, neben dem dynastischen, das aufRepräsen tation drängt, ein wissenschaftlich-geographisches In teresse in den Vordergrund, das zu den berühmten Topographien führt, die serienweise die Schlösser, Burgen, Stifte, Märkte und Städte eines bestimmten Herrschaftsbereiches oder Landes erfassen, wie die des Großproduzenten Matthäus Merian (Basel), dessen „Topographie provinciarum Austriacarum" auch zahlreiche Stiche von oberösterreichichen Orts bildern enthält, oder die des hoch angesehenen, in Wenns in Tirol geborenen, aber zunächst als Benefiziat in Andrichsfurt, nachher als Pfarrer in Leonstein in Oberösterreich ansässig gewordenen G. M. Vischer und nicht zuletzt die den heutigen Betrachtern in ein verschwundenes Märchen versetzende „Topographia Windhagiana", die, 1656 von Graf Joachim Enzmilner von Windhaag in Auftrag gegeben, die großartige Pracht seiner Bauten (lange vor ihrem in seinen Ausmaßen unbegreiflichen Verfall) festhält. Mögen diese unzähligen Bilder wegen der dem Topo graphen gestellten Aufgabe, womöglich sämtliche zu dem aufzunehmenden Großobjekt gehörige Bauten darzustellen und deshalb statt des wirklichen Hintereinanders ein anschaulicheres Nebeneinander zu bieten, manchmal als „unrichtig" und unkünstlerisch erscheinen: für die Forschung stellen sie eine un schätzbare Quelle dar, durch die wir unmittelbaren Einblick in das Raumgefüge frühneuzeitlicher Sied lungen erhalten. Erst dem 19. Jahrhundert gelingt der Schritt zur freien Naturdarstellung wieder, den vierhundert Jahre früher bereits WolfHuber getan hat. Mit einem Schlag bricht mit der Romantik die Begeisterung für die „pittoreske", von der städtischen Kultur noch unberührte Landschaft auf, wie sie sich in Ober österreich vor allem im Salzkammergut darbot,dessen Lieblichkeit und Großartigkeit sich in den Werken Waldmüllers und seiner Zeitgenossen in beglückender Farbigkeit spiegeln. Wie diese Freude an der Dar stellung der freien Natur oder des dörflichen ein fachen Lebens allmählich auch auf die Wiedergabe anderer Teile des Landes übergreift und schließlich in den postkartenartigen Ortswerbungen mit Einzel bild oder Sammelansichten ausklingt, weiß der Verf. recht einprägsam zu zeigen. Natürlich versäumt A. Marks auch nicht, den Be trachter seines großen Bildwerkes über den jeweiligen Wechsel des Interesses der Auftraggeber und der Bearbeitungsgrundsätze aufzuklären und ihn ins besondere mit der spröden Geschichte der Reproduktionsmittel,vom Kupferstich bis zur Lithographie, vertraut zu machen. Für den Heimatforscher enthält die Einführung des Verf. vor allem eine Art Leitfaden für die Ausfindigmachung von Bildern zur Orts geschichte, der manchem sehr willkommen sein wird. Darüber hinaus mag der Benützer des in seiner Aus sageergiebigkeit geradezu unerschöpflichen Bildbandes auch zu einer Fülle von Erkenntnissen angeregt und geführt werden, die sich für den Volksforscher Blatt um Blatt ergeben. Denn nicht nur, daß ihm hier ein außerordentlicher Reichtum an Belegen zu den Formen des ländlichen und bürgerlichen Hausbaues in seinen regionalen Besonderheiten, aber auch in seiner verfolgbaren Beharrsamkeit durch die Jahr hunderte hindurch angeboten wird,wirdihm geradezu ein ganzes Album zur Trachtenkunde mit ins Haus geliefert, aus dem es ihm nicht allzu schwer fallen wird, die für die einzelnen Zeiten und Landschaften charakteristischen Trachten und Moden nachzu prüfen, in denen sich die als Staffagen abgebildeten Personen allenthalben präsentieren. Nicht weniger ergiebig sind Beobachtungen über Darstellimgen des Brauchtums — mehrere Male wird das Aufstellen eines Festbaumes wiedergegeben - oder der Volksbelustigungen, darunter des berühmten Irmviertler Pferderennens und Schlittenfahrens, oder für die Sammlung von Materialien zur Geschichte der Geräte bei der landwirtschaftlichen Arbeit, der Geräte des Flößers, Fischers, Schiffers, der Fuhrleute usw., die oftmals anzutreffen sind, aber auch der verschie denen Fahrzeuge zu Wasser und zu Land. Auch der Erforscher des Volksglaubens wird für seine gründliche Durchmusterung der „Alten Ansichten" belohnt, die zahlreiche Votivtafeln, die bei Unfällen und Pest gestiftet wurden, oder Bilder mit Darstellung des weit verbreiteten Motivs vom verschleppten Kirchen baumaterial enthalten (wie auf der Tafel mit der Gründungslegende von St. Pantaleon, auf der die Englein mit den Balken,die man zum Kirchenbau be nötigt, durch die Lüfte fliegen). Mit Freude wird sich auch der Volkskunstforscher dem Bildband zu wenden, wenn er unter den Darstellungen von Gmunden ein Erinnerungsbild an den zu Zeiten völlig zugefrorenen Traunsee wiederfindet, über
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2