Die Markt-Freyung Von Gustav Brachmann (Neukirchen bei Altmünster) Wesen und Entstehung der Freyungs-Zeichen Aus dem auch in Äußerlichkeiten so bunten Rechts-Brauchtum vergangener Jahrhunderte hat sich fast nichts bis in unsere Tage lebendig erhalten. Zu diesem Wenigen zählen jene Zeichen, die im allgemeinen als „fr ey u n g" oder „fr e i t n^" bezeichnet wurden. Wenn wir von Lebendigerhalten sprechen, so soll damit gesagt sein, daß nicht wenige der unter uns lebenden Ältesten sich ihrer dort und da noch bis zum zweiten Weltkriege geübten Verwendung er innern, ja daß dieser Brauch an einem Orte - wir nehmen vorweg: Schörfling - ohne Unter brechung bis heute am Leben blieb. Anderwärts im Lande ob der Enns war solcher Brauch innerhalb der letzten 160 Jahre da früher, dort später - wir möchten sagen: gleich Kerzen lichtlein an einem Baume - nach und nach erloschen. Das 12./13. Jahrhundert war in den Breiten nördlich der Alpen eine Zeit gewaltiger Gärung. Mehr noch als die Römerzüge waren es gewiß die Kreuzzüge, die breiten Schichten des Volkes Einblicke in ganz andere Welten geboten hatten. Mögen uns die einen wie die anderen aus dem Blickwinkel nüchterner Vernunft widersinnig, ja verderblich erscheinen, dazumal wirkten sie in mancherlei Hinsicht auch aufschließend und befruchtend. Noch war selbst im östlichen Teile des Mittelmeerraumes aus griechischer und römischer Zeit stammendes Städtewesen nicht ganz ertötet, das sich gerade im deutschsprachigen Räume durch die Wirrnisse der Völkerwanderung fast völlig verloren hatte. Man sah, man staunte, man ahmte nach. Die bisher nur ganz lockeren und gelegentlichen Handelsbeziehungen zum nahen Osten verdichteten sich, wenn auch z. T. nur über zweite, meist venedische Hand. Die Zeit der deutschen Städtegründungen hebt an. An die Stelle urtümlichen Warentausches ist Verkauf und Kauf um Münze, ist der Geldverkehr getreten. Nicht jeder Säßige müht sich mehr, über die Nahrung hinausgehende Lebensbedürfnisse womöglich selber zu bedecken, zu zimmern, zu binden, zu töpfern, zu schmieden, zu weben, zu walken, ja auch nur selber noch wie seine Urmütter das Korn mit der Hand zu mahlen: die einzelnen Handwerke beginnen sich als selbständige und bald schon nicht mehr nur auf Bestellung allein arbeitende Berufe zu entwickeln. Warenvorräte aber bedürfen des Absatzes, und sobald der engnach barliche Bedarf gedeckt ist, eines weiteren Käuferkreises, einer Gelegenheit, seine Erzeugnisse 1 Die Bezeichnung „Marktschwert" ist weder urkundlich noch aus dem Volksmunde her belegt, sondern erst im 19./20. Jahrhundert lehrmäßig geprägt worden, darf aber, da sie ja nichts anderes besagt als „das bei einem Markte ausgesteckte Schwert", durchaus bestehen. Anders ist es mit dem in neuester Zeit da und dort auftauchenden Ausdruck „Marktrichter-Schwert", der von Grund aus falsch ist. Denn es handelt sich bei unseren Schwertarmen nicht entferntest um eine marktmäßige Entsprechung zu dem, was gemeinig lich - und auch nicht voll zutreffend - ein „Stadtrichter-Schwert" genannt zu werden pflegt. Das waren mehr oder minder aufwändig ausgeführte, im Gegensatz zu den Richt-Schwertern niemals wirklich gehand habte, sondern nur „ad pompam sive ad oculos" (zu Prunk und Schau) bestimmte Würdezeichen des die Hohe Gerichtsbarkeit ausübenden Stadtrichters, also des mitvmter sogar rechtskundigen Richters in jenen (meist größeren) Städten, die eben den Blut-Bann besaßen. Daß auch diese Benennung nicht ganz zutrifft, erhellt daraus, daß manchmal selbst ein Markt - zumindest dem Namen nach - den Blut-Bann haben konnte, und wenn er wohlhabend genug war, sich ein solches Würdezeichen leistete; wie z. B. das dann später von der Gemeinde verramschte von Mauthausen. Nur da wäre es sinngemäß, von einem „Marktrichter-Schwerte" zu sprechen. Die Freyungs-Schwertarme (= Marktschwerter) hingegen waren nie und nirgends ein Würde zeichen des Marktrichters — dies war vielmehr der Marktrichter-Stab sondern ein ausgesprochenes Signum oder symbolum iustitiae, nämlich der Markt-Gerichtsbarkeit.
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