OÖ. Heimatblätter 1966, 20. Jahrgang, Heft 1/2

des deutschen Sprachraumes begünstigt durch die kirchlicher ausgerichteten Bestimmungen des Schwaben-Spiegels, auf unterschiedlichste Tatbestände mit Unterstellung eines Mein eides ausdehnte. Freilich, es konnte dabei nicht bleiben und leuchtet unschwer ein, daß jene auf Gewalttat geharnischter Strauchdiebe, der „ysenchnappen" zugeschnittene Bestimmung der Gottes- und der Landfrieden nicht mit den verhältnismäßig harmlosen Bedürfnissen eines Jahrmarktschutzes, räuberischen Auflauern bewaffneter Banden auf marktziehende Kaufleute nicht mit Prügelei besoffener Bauernburschen zwischen den Marktständen oder irgendeiner Wirtshauskeilerei während ausgesteckter „freyung" zu reimen war; daß mithin der Verlust der Hand als Strafe des Fried-Bruches nur noch eine leertönende Drohung bleiben, die Ablösung solcher verstümmelnder Leibes-Strafe aber die fast selbstverständliche Regel werden mußte. In den deutsch-österreichischen Landen war solche Ablösung mit Geld in der Höhe von 5 Pfd. die Regel, minder häufig war der Satz zu 10 Pfd. oder zu 32 Pfd. Der Sachsen-Spiegel (Land-R., I., 65, 2) hatte einst betont, „sve lief oder hant ledeget... is rechtlos", und das sollte selbst dann gelten, wenn der zu solcher Leibes-Strafe Verurteilte sie mit Geld ablösen konnte. Erst recht ein in der Folgezeit unhalt barer Gedanke! Obgleich also die auf Verlust der Hand lautende Straf-Drohung bzw. die entrechtende Ablösung späterhin kein lebendes Recht mehr sein konnte, so deutet doch viel daraufhin, daß es einstmals Ernst gewesen und die „poena manus" höchstwahrscheinlich von den mit dem landesfürstlichen Markt-Frieden begabten Gemeinwesen mitunter wirklich vollzogen worden war, auch wo diesen eine echte Blut-Gerichtsbarkeit sonst nicht zustand. Wohl schon im 16. Jahrhundert mag in unseren Gebieten diese Zuständigkeit nicht mehr geübt, aber selbst von der Hoch-Gerichtsbarkeit auf solchen Tatbestand kaum je noch angewandt worden sein. Zumindest gelang es uns nicht, auch nur eine einzige archivale Bekundung eines wegen solchen Fried-Bruches verhängten, auf Handverlust lautenden eine Geld-Buße von 40 Mark Silbers an den Betroffenen oder dessen Sippe und ein ebenso hohes Friedensgeld an den König unbeschadet einer nach der Lage des Einzelfalles verwirkten zusätzlichen Ahndung. Das Markt recht von Allensbach (1075) sagt: „. . . ut quicumque . . . monetam et mercatum infringere vel condemnare presumpserit vel aliquem illuc venientem molestaverit. . . imperiale bannum persolvat" (das waren 60 Sch. Buße). Das von Gerhardsbergen (Grammont) in Flandern (11. Jh.) setzt auf Tätlichkeit während der Markt zeit auch nur eine Geld-Buße, nämlich doppelt so hoch als auf Tätlichkeit an einem anderen Tage. Die Wandlung durch die sogen. „Gottesfrieden" (paces dei, treuge, treuwe), der nachfolgenden Landfrieden und des diesen nacheifernden Sachsen-Spiegels (Land-R., II., 66) ist aber z. B. auch schon aus dem Marktrecht von Bodenwerder (1287, XXVII) ersichtlich: auf Friedbruch während der Marktzeit steht Lebens-Strafe. Es liegt auf der Hand, daß die häufigen damaligen Gewaltverbrechen mit dem - keineswegs etwa auf den Adel allein beschränkten — Fehdewesen, dieses wieder gutteils mit der Blutrache zusammenhingen. Freilich wäre es kulturgeschichtlich durchaus versehen, wollte man die Fehde aus dem heutigen Blickwinkel von öffentlicher Ordnung und Sicherheit betrachten. Staat, Gesamtheit waren noch keine durchbildeten Begriffe, auf die der einzelne vor allem hätte Rücksicht nehmen müssen. Das Recht der Persönlichkeit (auch nur das vermeintliche) stand im Vordergrunde. Die Mittel, es durchzusetzen, xmterlagen weit geringerer Beschrän kung als heute. Daß solche Anschauung bei der allgemeinen Veranlagung des Menschengeschlechtes häufig zu Auswüchsen krassen Eigennutzes, zügelloser Gewalt ausarten konnte, liegt auf der Hand. Das nahm in dem Maße zu, als es an höheren Ordnungsmächten mangelte, immer weiter Unfrieden gebärende vmd sich auslebende Willkür gedeihen konnte. Versuche der königlichen Macht, diesen Zuständen zu steuern, wie es in fränkischer Zeit ja schon einigermaßen gelungen war, mühten sich zumindest einmal gewisse, man möchte beinahe sagen sportliche Spielregeln für die Blutrache durchzusetzen (Festlegung des dazu noch berechtigten Verwandtenkreises, vorangehende Ansage, Begrenzung der zur Fehde berechtigenden Voraus setzungen, fehdefreie Tage u. v. dgl. m.). Als dann nicht einmal das mehr half, gar nicht mehr beachtet wurde, versuchte es im späten 11. Jh. die Kirche mit den besagten Gottesfrieden, wobei insbesondere auf Befriedung gewisser Örtlichkeiten und Zeiten Gewicht gelegt, Verstoß, also Bruch derartiger Friede mit harten, ja grausamen Leibes- und Lebens-Strafen bedroht wurde, deren Vollzug der weltliche Arm besorgen sollte. Diese Maßnahmen setzten sich dann in den weltlichen, teils für das Gesamtreich, teils für einzelne Landschaften erlassenen Landfrieden ebensowenig zimperlich fort. Im letzten Landfrieden (Worms 1495) tvurde auch keine „gerechte" Fehde mehr anerkannt vielmehr auch sie mit der Acht bedroht.

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