die die Wunder der Nacht miteinander besprechen, ja selbst der „Roßknecht" im Dreikönigstroß und viele andere: sie alle haben ihren angestammten, traditionellen Platz im Gelände der Krippe und ent sprechen häufig Motiven in den zahlreichen Krippenund Hirtenliedern, die im Salzkammergut auch heute noch vielfach vor den Krippen gesungen werden. Diese, vom Verfasser in reicher Beispielfülle ange führten Liedertexte ermöglichen es ihm auch, die volkstümliche Bedeutung vieler dieser kleinen Plastiken zu erläutern und die beglückende Wechselbeziehung aufzuzeigen, die zwischen den Schnitzarbeiten der Salzkammergütler und ihren Liedern besteht und die dortigen Krippen als wahrhaftige Gesamtkunstwerke erkennen läßt. Rings um die Geburtsstätte des göttlichen Kindes breitet sich die heimatliche Landschaft aus, in der sich das Tagewerk des arbeitenden Volkes vollzieht: hier treiben die Hirten ihre Herden auf die Weide, ziehen die Jäger „im Gamsgebirge" dem Hochwild nach, fährt der Fischer über einen glasklaren See, pflügen, eggen, ernten und dreschen die Bauern, sind die Zimmerleute, Müller, Bäcker und Bergknappen an der Arbeit, steht der Imker am Bienenstand und läßt die bäuerliche Mutter ihre glückseligen Augen auf einem Kindlein in der Wiege ruhen, das sie allem Anschein nach so wie in dem vom Verfasser beschrie benen Ritus im geistlichen „Kindleinwiegen" in den Schlaf singt. Aber wie sehr auch dieses geschäftige Leben letzthin durchdrungen ist von dem Atem des Heiligen und Wunderbaren, das sich zur selben Stimde erfüllt, wird an der häufig zu beobachtenden „Teller saat", einem aus echten Getreidepflänzchen beste henden Feld ersichtlich, das wie weiland die „Adonisgärtchen" eigens für die Krippe gezogen wird, und nicht weniger auch in den von manchen Krippen besitzern sorgsam gepflegten Veilchen oder Erdbeeren, die hier mitten im Winter in glückverheißender Nacht erblühen. Fast alle diese Figuren, darunter auch viele der in ihrer gegenwärtigen Erscheimmg recht profan wir kenden, stehen, wenn wir den Ausführungen des Verfassers folgen, nicht zufällig in der Krippe, sondern zeigen eine lange Geschichte an, die sie in irgend welcher Weise mit den mythischen Vorstellungen um die Zeit der Jalireswende verknüpft. Zahlreich fallen von hier aus Seitenblicke auf andere Bräuche und Vorstelltmgen der Julzeit wie auf das „Goldne Rössel", auf „Mettenheu", „Mettenstroh", „Metten stock", auf den Christbaum, der nach merkwürdigen Überlieferungen umtanzt wird, auf Orakelbräuche und typische Kultspeisen wie die Butter- und Honig gerichte, Kletzen- tmd Störibrot usw., wodurch auch von dieser Seite her das Werk O. Kastners zu einer bedeutenden Bereicherung der Literatur der Volkskunde wird, in dem sich viele neue Belege und neue Ausdeutungen finden. Die umklammernde Zusammenfassung der so zahl reichen Einzelvmtersuchungen und -ergebnisse bildet der Nachweis der Kontinuität der künstlerischen Darstellung der wichtigsten Krippenmotive von der Antike bis in unsere Tage: des göttlichen Kin des zwischen den Tieren, der Gottesmutter, der Sze ne des ersten Bades, der Ankunft der Hirten mit ihren Lämmern, wobei auf die Gestalt des „Guten Hirten" besonders eingegangen wird, der persischen Magier, die eine späte Auslegvmg zu Königen werden ließ. In einem vom Verlag glänzend ausgestatteten Illu strationsteil werden die schönsten Krippen des Landes, die wichtigsten Zeugnisse der barocken Altarkunst mit dem Weihnachtswunder, wie Beispiele aus der goti schen und romanischen Reliefkunst, Tafel-, Freskenund Buchmalerei und schließlich aufschlußreiche antike Belege vorgeführt, aus denen die engen Ver flechtungen der christlichen Motive mit Elementen des Mittelmeerraumes und Vorderasiens ersichtlich werden. Da für diesen Bilderteil die erlesensten, viel fach bisher nirgends wiedergegebenen einschlägigen Kimstwerke zur Darstellung des Weihnachtsgesche hens ausgewählt wurden, bildet somit das große ober österreichische Krippenwerk Otfried Kastners über seine inhaltliche Bedeutung hinaus auch einen kost baren Bilderatlas, der für sich allein schon dem Buch bleibenden Wert verleiht. Niemand wird erwarten, daß ein mit so vielen Vor zügen ausgestattetes Werk auch ganz ohne Mängel sei. Organisatorisch besteht ein solcher in dem be dauerlichen Fehlen eines Registers, das bei einem so differenzierten Problemkreis zur weiteren Verfolgung der wissenschaftlichen Bearbeitung der Themen sehr dienlich gewesen wäre; inhaltlich liegen sie kaum in mancher der von der Intuition des Verfassers getragenen kühnen Auslegungen, die ein gutes Recht jedes um neue Ansichten ringenden Forschers sind, sondern einerseits in der - wohl zu spät — verlangten Textkürzung (s. o.), durch die manche Stelle, die für das Verständnis der Beweisführung nötig ist, etwas zu knapp geraten ist, und im weiteren in der Arbeits überlastung des Autors, der, wie wir bereits betonten, dieses große Werk, das einem ganzen Arbeitskollegium alle Ehre machen würde, allein geschaffen hat. Die Auswirkungen dieser offensichtlichen Überbeanspru chung der Kräfte zeigen sich u. a. in der Handhabung einiger Bezugszitate und im Anmerkungsapparat, in die sich mancherlei Fehler eingeschlichen haben. Gerechterweise muß aber darauf hingewiesen werden, daß sie in der vorliegenden Situation nicht allein zu Lasten des Autors gehen dürfen: Leider -wurden sie auch von dem um die Drucklegung des schönen Werkes sehr verdienten Herausgeber, der dem Buch ein sprachschönes Nachwort widmete, in dem er sich allerdings von der Leistung seines Autors in durch sichtiger Formulierung etwas distanziert, bei der Durchsicht des Manuskriptes nicht rechtzeitig bemerkt. Sonst wären wohl auch die ins Gebiet der Volksktmde fallenden Unstimmigkeiten unterblieben, die unschwer hätten bereinigt werden können. Wenn -wir im folgen den einige davon anführen, geschieht dies lediglich in der Erwartung, daß sie der Verlag bei einer wohl bald nötigen Neuauflage berücksichtigt, um dadurch die Schönheit dieses Werkes vollständig zu machen: So ist es nicht der S. 14 zitierte „Straßburger Prediger Geiler von Kaisersberg" (1445-1510), der gegen den Brauch, „Dannreis" in die Stuben zu legen, zu Felde zieht, bzw. dem an gleicher Stelle allem Anschein nach der von Seb. Brant („Narrenschiff", 1494) stammende Vers von Tannenreis, das man zur Jahres wende ins Haus steckt, um auch das kommende Jahr auszuleben, zugeschrieben wird, sondern der Straß burger Theologe Johann Konrad Dannhauser, der
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