OÖ. Heimatblätter 1966, 20. Jahrgang, Heft 1/2

streckte und auch äußerlich, wenn schon nicht durch eine Wehranlage, so mindestens durch dauernde Umzäunung oder durch eine auffällige „Aussteinung" mit stattlichen BurgfriedsGründe zum Ausgang zurück. Eine weitere solche Begehung am 5, 10. 1729 bekundet wieder den Pfenningwurf für die Buben bei jedem der drei PXauptsteine: 1. Rechts der Straße nach Schwertberg, unweit vom Pfarrkrautgarten (heute verschollen), 2. zwischen Karlingberger imd Lamplbach-Hafner (wahrscheinlich der Straßenumlegung zum Opfer gefallen), 3. beim noch erhaltenen Steine (Abb. 1) links der Greiner Straße. Bereitung der Burgfrieds-Grenzen mit Maulschellen für die beigezogenen Buben schreibt auch vor das „Instructions-libell" für den Stadtrichter in Wels von 1685. Auch die Linzer Burgfrieds-Grenzen wurden in unregelmäßigen Zeitabständen begangen bzw. beritten. Daß aber damit „gleichzeitig die Festnahme licht scheuen Gesindels" verbunden gewesen wäre, wie H, Gommenda (OÖ. N., 12. 6. 64, „Aus der Linzer Stadt chronik") annimmt, ist irrig. Wer unter diesen doch mit allen Wassern Gewaschenen wäre so einfältig ge wesen, sich vor solchem zahlreichen, unter lautem Gespräche, ja Schießen bei jedem Steine und auf ganz bestimmter Strecke sich langsam nähernden Zuge nicht rechtzeitig zu verdrücken? Hier liegt offensichtlich eine Verwechslung mit den „Landstreifen" vor, die selbstverständlich mit Burgfriedsbegehung gar nichts zu tim hatten. Außer den Nachbarn auch deren Söhne (wohl zum selben Zweck) bei solchen Begehungen beizuzichcn, schreibt auch das Taiding von Losdorf (NÖ. 16. Jh.) vor, ebenso das von Zwettl (NÖ., 1550), bei der Dorfmarch-Begehung „etlich ciain knaben darzue (zu) füren / damit sy dessen auch khünfftig ingedcnkh vnd zeugnus geben khönnen". — In Eibiswald (Stmk-, 1688) war die Burgfrieds-Bereitung mindestens alle 8 bis 10 Jahre vorzunehmen und an die beigezogenen Kinder jedesmal insgesamt um 1 RTl Kleingeld zu verabreichen. B. Finsterwalder (De iuribus incorporalibus, Salzburg 1689, 155) beruft sich auf eine Abhandlung: Der getrewe rechnungs-beambte (I. 13, 167/168), indem er solches aus eigener Erfahrung bestätigt und derlei Bräuche auch fürderhin empfiehlt; daß man „bey Setzungen der neuen marckstein auch wol die jungen / so darzue genommen werden / mit den hären ziet / oder drey mal den . . . gränitzstein ziehet / vnd spendirt denenselben etwas an gelt / semlen / prezeln / bändern / oder sonstwas / welches bey inen ein solches andcnkhen macht / daß wan si gleich alte männer worden / sich dessen denoch gar klein zu erindern außführlich nachricht vnd Zeugnis geben können". Dieses „Ziehen" (hier an den Haaren) ist Nachfahre des uralten, schon imBaiern-Rechte (1. Baiwar., XVI., 2, XVIL, 3, LX., 1) bekundeten Rechts-Brauches der „testes per aurcs tracti" (der an den Ohrläppchen gezupften Zeugen), der auch wiederholt in Urkunden des Mittelalters - als „more Norico" oder „secundum ritum gentis Baiwariorum" - aufscheint. Ein solcherart bestimmter Zeuge hatte nötigenfalls den Inhalt der in seiner Gegenwart geschlossenen Beurkundung eines Rechts-Ge schäftes auch eidlich zu bekräftigen. Hier nur einige Beispiele: so übergibt i. J. 796 Odalsca dem Stifte Passau einen Besitz im Matagau „. . . isti sunt testes per auriculas tracti... in adfirmatione testimonii", Mon. Boi. XXVIII, II, 59, Nr. 74, cod. trad. Pat. ant.; - i. J. 1037 übergibt Engildeo einen Besitz zwischen Krcuzncr- (^ dumilicha-) und Sarming- (= sabinicha-)Bach „. . . testes ritu bawarico per aures tracti", Mon. Boi. 28, 84, Nr. 109, cod. trad. Pat. ant.; - i.J. II80 stellt Dietmar von Senge dem Kloster Reichersberg ein Gut zurück , . presentibus et per aurem tractis . . . testibus", Mon. Boi., cod. trad. Richersp., L, 378, Nr. 177). Wenn V. Hasenöhrl (Beitr., 270) und A. Maidhof (a. a. O., 10, EN 3) meinen, daß dieser Rechts-Brauch seit dem 12./13. Jh. ganz abgekommen sei, so möchten wir zu verstärkter Beobachtung bei archivaler Arbeit ermuntern, ob sich dies nicht auch bezüglich der Ohren widerlegen ließe. Daß diese Gedächtniskrücken für die Buben, nach der angenehmen wie nach der unangenehmen Seite hin, nach Zeit und Landschaft recht unterschiedlich waren, sich auch ganz neue Begleiterscheimmgen, Knall und Rauch der Feuerwaffe mit einbezogen, hinzugesellten, zeigen weitere Beispiele: da wird am 23. 6. 1683 nicht nur die burgfriedssondern die Grenze des steiermärkischen Landgerichtes Groß-Lobming, Burgfried, Waldungen, Wildbann, Raisgjaid, Fischwasser, Almen unter Beiziehimg zwölf alter Männer und (ebenso vieler?) Buben „beritten , bei jedem Marchsteine ein Schuß abgefeuert, nach Beendigung der Amtshandlimg ein namentlich genannter Bub sozusagen auch in Vertretung seiner übrigen beteiligten Altersgenossen ins herrschaftliche Schloß ge rufen, wo ihm der Graf „aigenhändig zwey taschen" (tätschen, Maultaschen) „und zwey neue sechser wegen aines gedenkzaichens gegeben und zur zöhrung passiert". Zu Ansbach a. d. Lahn (1694, J. Grimm/R. Schrö der, Weisthümer, Göttingen 1840/1863, 1866/1878, I., 602), war es wieder ein anderer Brauch: bei jeder zur Grenzzeichnung ausersehenen Stelle wurde „ein Loch gegraben / darein zur gedächtniß die zugezognen jungen knaben mit den köpffen gestutzet (darauf gestoßen), auch mit einer pistole darein geschossen und demnächst ein stein darein gesetzt". Von Grund auf verfehlt ist die Ausdeutung all dieser so alten wie klaren Rechts-Vorgänge bei H. Gommenda (a. a. O.) als „eine der vielen Formen des Hänseins". Es handelte sich bei solcher Zufügung von Angenehmem und Ungemach um eine incitatio memoriae und um gar nichts anderes. _ . . . « In der Schweiz trugen die Burgfrieds-Hauptsteine, auch „Burgzielsäulen" oder „Friedkreissteine genannt, in der Regel ein großes Kreuz, so daß - vgl. den Baseler Stadtfrieden von 1339, I., 20 - die Wendung „vor den crützen" soviel wie außerhalb der Stadt bedeutete. Anderwärts im deutschsprachigen Räume zeigten sie ein Beil, einen Handschuh, ein Wappen, eine Hand - gerade bei solchem Sinnbilde sorglich von sogenann ten „Munta-Zeichen" zu unterscheiden! — oder ein Kreuz. Kreuze hinwieder, mit zur Marktzeit fallweise darangehängtem Handschuh —, die echten Markt-Kreuze (vgl. W. Funk, a. a. O., 175, 178) — waren beson ders in Nordwestdeutschland ständige Wahrzeichen verliehenen Markt-Rechtes, entsprachen also in dieser Hinsicht den Pranger-Säulen der babenbergischen Erblande. Die Sachsenspiegel-Bildhandschriften

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