OÖ. Heimatblätter 1966, 20. Jahrgang, Heft 1/2

scharfer Bewachung zwischen zwei Soldaten mit aufgepflanzten Gewehren zu meinem Advokaten in die Stadt geführt worden, der mir den nötigen Unterricht erteilte. General Echegaray, der anfangs nicht ein freundliches Wort für mich hatte, erlaubte mir bald, außerhalb der Festung zu wohnen, gab mir ein monatliches Gehalt von 30 Dollar. Ich durfte alle Einkäufe des Gefängnisses besorgen, und da ich mich rühmen darf, daß ich über jeden ausgegebenen Cent strenge Rechnung legen konnte, erhielt ich viele Geschenke an Lebensmitteln usw., und mein Optimismus lebte wieder auf. General Echegaray gewann mich lieb. Ich nehme die Fotografie zur Hand, die er mir im August 1867 gegeben hat. Ich war immer in seiner Gesellschaft, und wenn mich das Heimweh gar traurig machte, tröstete mich der sonst so finstere, strenge Mann. Er hatte im Feldzug seinen Sohn verloren, und das Geheimnis, weshalb er mich wie seinen leiblichen Sohn behandelte, war; ich habe dem Gefallenen ähnlich gesehen. General Echegaray! Es hätte nicht Deiner Fotografie bedurft, um Dir für immer in meinem Herzen eine treue Erinnerung zu bewahren. Dein Schatten ist lebendig, mit Rührung blicke ich auf die Schriftzüge auf der Fotografie, die Du mir zum Abschied gabst: „O mi simpatice, mi fia Emilio mi Amigo (An meinen lieben und feinen Emilio, meinen Freund)". Wie bitter war dieser Abschied, als wir durch Admiral Tegetthoff aus der Haft befreit wurden. Unzähligemal hast Du mich umarmt, mir unter Tränen ein glückliches Leben in der Heimat gewünscht. General Echegaray gab mir ein glänzendes Zeugnis, um dasselbe nach meiner Ankunft in der Hauptstadt dem Ministerium vorzuweisen. Dort erhielt ich eine wahrhaft fürstliche Entlohnung von 5 Goldmünzen, und ich konnte nach Veracruz reisen und mich auf einem im Hafen verankerten westindischen Dampfer nach der Heimat einschiffen. In Veracruz traf ich mit Graf Pachta zusammen und erschrak. Nicht umsonst hatte ich in Sorgen an ihn gedacht. Er war körperlich und seelisch durch die unwürdige Behandlung, die er im Gefängnis San Luis de Potosi erduldet hatte, vollkommen zusammengebrochen. Das Scheitern des Unternehmens, in das wir voller Hoffnung gezogen, der Tod des unglück lichen Kaisers Max hatte ihn, den älteren Mann, noch mehr erschüttert als mich. Vor mir lag die Zukunft, ich war ja jung. Gab es in Mexiko keinen Lorbeer zu holen — warum nicht in der Heimat? Mexiko war schön. Nicht auch unsere Heimat? In Sonne getaucht war Veracruz - scheint die Sonne nicht auch so schön, vielleicht noch viel schöner bei uns daheim, auf unsere Berge, unsere Seen, auf die blaue Adria? Waren wir in Mexiko trotz der Freunde, die wir gefunden, nicht Fremde unter Fremden? Eindringlinge? Wo kann sich ein Österreicher überhaupt nur glücklich fühlen? Wo anders, als wenn er die schwarz-gelben Grenzpfahle überschritt. Packte mich nicht jenes unerklärliche wohlige Gefühl, daheim zu sein? So träumte ich wieder, machte Pläne! Wir gingen an Bord, verließen den heißen Boden Mexikos auf immer. Zum letztenmal sahen wir das weiße Kreuz von Veracruz, grüßten die Berge im Hintergrund, grüßten die Menschen, die sich im Hafen versammelt hatten, um uns Lebewohl zuzuwinken. Das Schiff setzte sich in Bewegung - wir starrten hinüber auf die weiße Stadt, bis wir nichts mehr sehen konnten. Es war vorbei. Mexiko mit all seinen Abenteuern, seinen schönen und traurigen Erinnerungen versunken in Unwirklichkeit. Wir liefen in Havanna ein, waren Gäste des dortigen Generalkonsuls, besuchten den welt berühmten botanischen Garten, die großartige Tabakfabrik, abends ein chinesisches Teehaus. Ich wollte, wir hätten es nicht getan.

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