OÖ. Heimatblätter 1966, 20. Jahrgang, Heft 1/2

kurzem mit ein Paar großen Indianerstiefeln und Tüchern zurückzukommen. Der alte Mann reichte sie mir, und ich bedeutete ihm, daß ich keinen Cent besitze, um sie zu kaufen. Aber der Indianer schüttelte den Kopf - er brauche kein Geld. Er kenne mich und wisse auch, wieviel Dinge ich seinem Bruder, ohne zu handeln, abgekauft habe. Er half mir, die Sandalen lösen, umwickelte meine Füße mit den Tüchern und zog mir die Stiefel an. Sie waren weit und aus weichem Leder. Mit Tränen in den Augen dankte ich dem alten Mann, der mir auch noch ein wenig Geld zusteckte. Ich versprach ihm, wenn ich wieder in Freiheit kommen würde, meine Dankesschuld abzustatten. Ich habe mein Wort auch - Gott sei Dank - ein lösen können. Das sind Wilde??? Endlich kamen wir in Guanojuoto an und wurden in das dortige Zuchthaus für Schwer verbrecher, von denen immer ein Paar mit schweren Eisen zusammengeschmiedet waren, gebracht. Der Kommandant hieß General Echegaray. Die Fotografie vor mir zeigt mir den hohen viereckigen Steinwürfel mit 4 kleinen Wachttürmen. Ein großes Portal führte in die Zitadelle. In der Höhe eines Stockwerkes sind kleine vergitterte Fenster, sonst keine Öffnung - nichts als Steinquadern. War hier das Ende? Mit beiden Kameraden wurde ich in ein Lokal ohne Fenster gebracht. Da lagen wir auf einer dünnen Strohmatte ohne Kopfpolster auf dem Boden in einer durch einen täglich nur einmal entfernten LFnrat von 20 Menschen geschwängerten Atmosphäre, von Insekten geplagt, erhielten die denkbar schlechteste Verpflegung, so daß ich an Ruhr erkrankte. Meine Mitgefangenen - in dem großen Gebäude waren unser 800 Sträflinge untergebracht - waren Straßenräuber, Mörder, die ihrer Hinrichtung entgegensahen. Er sitzt, eingehüllt in einen Poncho (Umhang), mit gefesselten Füßen, das wilde Gesicht unter dem Sombrero ist von einer tiefen Narbe durchfurcht, ein lieber, freundlicher Kollege! Entsetzlich war die Kerkerhaft in der ersten Zeit. Aber die in Guanahate lebenden Deutschen erfuhren von unserem Elend; sie veranstalteten eine Sammlung, die über 100 Dollar ein brachte. Von diesem Gelde konnten wir Wäsche und das Notdürftigste anschaffen, auch erhielten wir eine bessere Verpflegung, z. B. in meiner Krankheit. Wir hörten von der Er schießung des Kaisers, und von diesem Augenblick an wußte ich, daß ein namenloses Heim weh mich zu quälen begann. Neben all dem Leid, den Entbehrungen, dem Jammer des Krieges - Heimweh. Es zehrte an mir, es machte mich noch elender, als ich ohnehin schon war. Die Sehnsucht nach den Meinen erwachte immer mehr in mir, auch dachte ich an Graf Pachta. Wie ging es ihm? War er auch in einer so schrecklichen Umgebung wie ich? War er auch krank? In dumpfer Resignation flössen die Tage dahin. General Echegaray, unser Kommandant, ein alter, gebildeter, dabei äußerst strenger Herr, benötigte für seine Kanzlei einen Hilfsleiter und gab den Auftrag, daß alle Gefangenen, es waren auch 40 Mexikaner darunter, eine Schriftprobe abzugeben hatten. Das geschah. Ich schrieb das Motto: „Mein einziger Wunsch ist, mein geliebtes Vaterland wiederzusehen!" Meine Schrift gefiel dem General. Er ließ mich vorführen und bestimmte mich zur Führung der Bücher und der Kassa. Ich wendete ein, daß ich keine Kenntnisse von der Buchführung besitze und höre noch seine ruhige Stimme, als er befehlend antwortete: „Sie werden es lernen". Mein lieber Kamerad Pawlowsky, Du hast in Deinen Memoiren diesen Dienst für Dich in Anspruch genommen. Verzeihe mir, wenn ich trotz Deiner Bitte, Dich nicht zu verraten, an Hand der Dokumente und der Zeugnisse, der Briefe, Dich Lügen strafe und behaupte, daß also ich der Hilfsleiter in der Gefangniskanzlei wurde. Täglich bin ich unter

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