feindlichen Truppen verdächtig war, in seinem Haus zu verhaften. Ich mußte mich fügen und brachte den jungen Mann, der mir ruhig, unter Versicherung seiner vollkommenen Unschuld gefolgt war, zu E. Nach einem kurzen Verhör wurde er zum Tode durch Er schießen verurteilt, ohne weitere Beweise seiner Schuld zu haben. Das Urteil sollte am anderen Morgen vollstreckt werden, und ich hatte den Peloton (Füsilierung) durchzuführen. Alles in mir bäumte sich auf — ich war fest überzeugt, daß der Mann unschuldig war. Ich sollte den Befehl zur Salve geben. Ich sollte einen Menschen durch einen Befehl ermorden lassen! Denn das ist Mord. Aber es gab keinen Ausweg, keine Rettung, ich war im Dienst, ich hatte zu schweigen, wenn ich auch am liebsten auf E. gestürzt wäre. Ich konnte nicht schlafen, die ganze Nacht ging ich ruhelos im Zimmer auf und ab. Gegen Morgen ließ mich der Verurteilte, dem ich durch den Geistlichen mitteilen ließ, daß ich wache und zu seiner Verfügung stehe, zu sich bitten. Er saß ruhig beim Tisch und hatte geschrieben. Gelassen stand er auf, begrüßte mich freundlich und dankte mir für mein Kommen. Ich selbst konnte vor Ergriffenheit kein Wort sprechen, meine Augen waren feucht. Er übergab mir einen Brief und ließ mich bei der hl. Jungfrau schwören, den heiligsten Schwur der Mexikaner, daß ich das Schreiben seiner Mutter in der Hauptstadt übergeben würde. Ich gelobte dies feierlich — wir umarmten uns - ich stammelte ein paar hilflose Worte von Verzeihung, daß ich lieber selbst tot wäre, als seine Erschießung zu kommandieren. Er lächelte und sagte: „Ich sterbe für mein Vaterland". Er blieb ruhig und gefaßt, als ich ihn zur Hinrichtung führen mußte. Ich zitterte am ganzen Körper, mit Mühe konnte ich mich aufrecht halten, den Säbel ziehen und mit versagender Stimme den Befehl geben. Schrecklich war für mich der Augenblick, als die Salve krachte — ich griff in die Luft, gleich dem Sterbenden. Seine letzten Worte waren: „Es lebe mein Vaterland". Er stürzte zusammen, ich war ohnmächtig geworden. Man trug mich besinnungslos vom Platze. Oberst E. ließ mich rufen und verlangte herrisch die Auslieferung des Briefes, den mir der Ermordete vor seinem Tode übergeben hatte. Ich verweigerte es - der Oberst blickte mich mit bösen Augen an, ich las seine Ge danken, wie gerne hätte er mich an die Wand gestellt, aber er wußte zu gut von meinen Beziehungen zum Hauptquartier und daß auch der Kaiser immer ein persönliches Interesse an mir nahm. Mich hoch aufrichtend, sagte ich: „Ich werde Seiner Majestät von dem Vorfall berichten". Schon am anderen Tag kam meine Abkommandierung. Sofort nach meiner Ankunft im Hauptquartier ließ ich Fürst Salm um eine Audienz bitten, und der Kaiser ließ mich wirklich ausführlich berichten. Ich sah, wie tief ihn dieser Vorfall traf, besonders da ich meiner Überzeugung Ausdruck verlieh, der junge Mann sei unschuldig gewesen. Maxi milian reichte mir die Hand mit den Worten: „Ich danke Ihnen, lieber Wurmb, Sie haben recht gehandelt!" Nun kam der schwere Gang zur Mutter des Toten. Sie empfing mich. Wie ihr Sohn, war auch sie ganz ruhig. Sie hat in meiner Gegenwart keine Träne vergossen. Ich will noch erwähnen, daß man in kurzer Zeit die Beweise für die Unschuld des Ermordeten in Händen hatte. Kaiserin Charlotte besuchte die tief unglückliche Mutter selbst, um ihr das Beileid des Kaisers zu überbringen. Was half dies? Gab es der Mutter den einzigen Sohn zurück? Ich hatte in Mexiko vieles, bald alles anders gefunden. Keine unserer Hoffnungen hatten sich erfüllt. Bald bemächtigte sich unser eine tiefe Depression. Durch den Übermut der Soldateska wurde die Stimmung gegen uns immer feindlicher. Der Guerilla, der Klein krieg forderte ungeheure Opfer. Aus dem Hinterhalt der Schluchten und Felder konnten ein paar Mann ein Bataillon aufhalten. Die Verpflegung des Heeres war ungenügend. Viele
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