OÖ. Heimatblätter 1966, 20. Jahrgang, Heft 1/2

hörte wohl kaum sein Rufen. Er setzte sich zu mir aufs Bett, rüttelte mich, sprach mir gut zu, aufzustehen. Endlich sagte er: „Wurmb, Sie sind im Dienst, ich befehle Ihnen aufzustehen. Nun riß ich mich mit aller Kraft zusammen, fuhr mit Hilfe der Ordonnanz in die Stiefel und torkelte dem Ausgang zu, gefolgt vom Grafen. Schlaftrunken gab ich dem Wachtmeister den Befehl, die Sättel und Monturen zu zählen, die links vom Eingang hingen, während ich mich rechts wendete. Ich hatte noch nicht bis 20 gezählt, als eine heftige Detonation das Haus in seinen Grundfesten erzittern ließ. Staub flog auf. Im Nu war der Wachtmeister herbei geeilt. Graf Pachta, der neben mir stand, zog mich am Arme fort. Wir trampelten entsetzt zurück - eine kleine Kanonenkugel hatte den Kopf des Wachtmeisters zerschmettert, sein blutender Rumpf lag vor dem Fenster, durch welches die Kugel ihren Weg genommen, sie hatte in ihrem Lauf den Polster meines Bettes zerrissen und schlug in die Wand. Nun war ich schnell wach - ich blickte auf Graf Pachta, der tief erschüttert war. Was wäre ge schehen, wenn er nicht befohlen hätte, aufzustehen? Ich hing mit leidenschaftlicher Liebe an meinem gütigen Kommandanten, und ich war glücklich, daß ich ihn zweimal im ärgsten Getümmel heraushauen durfte. Besonders an ein Gefecht am 27. April 1867 erinnere ich mich genau. Wir wurden hart bedrängt, und plötzlich sah ich Graf Pachta fast allein sich gegen feindliche Soldaten ver teidigen. Alles niedertretend, was sich mir in den Weg stellte, rechts und links mit dem Säbel um mich hauend, gelangte ich zu Pachta. Es war die höchste Zeit. Ich warf mich mit meinem Pferd vor ihn - wieder hieb ich wie ein Wahnsinniger um mich, da sah ich einen Soldaten, dem der Kopf vom Körper gefallen war, für Sekunden blendete mich seine Glatze. Er hatte das Gewehr gegen mich in Anschlag gebracht. Im selben Augenblick hieb ich ihm mit aller Gewalt mit dem Säbel auf seinen Kopf. Er brach ins Knie. Auf seinem Schädel zeichnete sich eine feine, dünne rote Linie. Da drang ein zweiter Soldat auf mich ein. Er fiel mir gerade in den Säbel, ich sah Blut, wollte den Säbel zurückziehen, dieser verfing sich in der Regiments nummer 7 auf seiner Brust. Ein paar Schritte mußte ich den armen Teufel mit mir schleppen, dann fiel er leblos nieder. Kameraden eilten herbei. Gemeinsam gelang es uns, Pachta in Sicherheit zu bringen. Für diese Probe des Mutes wurde ich zum Rittmeister im 4. Regiment ernannt, und Seine Majestät heftete mir eigenhändig den Orden de la Guadalupe an meine Brust. Wie Mexikaner zu sterben verstehen! Wie ruhig bleiben sie bei den gräßlichsten Verwundungen. Ergriffen denke ich des Todes des mexikanischen Obersten. Eine Kugel hatte ihm neben mir beide Füße weggerissen, ich war vom Pferd gesprungen und suchte ihn aus dem Feuer zu schleppen, da er nicht zur Besinnung gelangte. Als er zu sich kam, bat er, ihn zum Wasserquell zu tragen, der sich in der Nähe befand. Wir brachten ihn hin. Ich fragte ihn, ob er irgendeinen Wunsch hätte. Er verneinte, drückte mir die Hand, dann nahm er aus seiner Brusttasche eine Fotografie, eine junge Frau mit einem Kinde, küßte sie - schloß die Augen und blieb regungslos. Keine Miene seines Gesichts verriet Schmerzen. Es dauerte lange, dann fiel sein Kopf zurück. Er hatte ausgelitten. Ich wurde für drei Monate demOberstE.alsOrdonnanz-Offizierzugeteilt.NurungernnahmichdieBerufung an. Das Äu ßere dieses grausamen und häßlichen Mannes war mir höchst unsympathisch. Als ich in das Haupt quartier zu Fürst Salm kam, dem Generaladjutanten des Kaisers, um Rapport zu erstatten, machte ich kein Hehl daraus, wie froh ich bin, so bald als möglich abkommandiert zu werden. Fürst Salm sagte mir die Gewährung meiner Bitte zu. Zu E. zurückgekehrt, erhielt ich den Befehl, einen jungen mexikanischen Gutsbesitzer, welcher der Spionage zugunsten der

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