Sommerresidenz Oaxaco zurückzogen, lernte ich bei den Abendunterhaltungen (Tertulias), zu denen ich befohlen wurde, einige vornehme mexikanische Familien kennen. Besonders lebhaft interessierten mich die Indianer, deren Sprache, Sitten und Gebräuche. Ich erlernte im Verlaufe von einem Jahr einige Dialekte. Es machte mir ein Vergnügen, die Indianer in ihren Dörfern aufzusuchen. Selbst ein glänzender Reiter, ritt ich mit ihnen, lernte von ihnen Lasso werfen, saß auch manchmal bei ihnen und ließ mir erzählen. Ich hörte oft mit Schaudern von den Bräuchen, dann von den Schätzen, die sie einst besaßen. Hörte von den Menschenopfern, die sie ihrem furchtbaren Gott Huizilopochtli dargebracht — man riß den Opfern die Herzen aus dem Leibe. Ich lernte die großartige Kunstfertigkeit der Indianer kennen, ihre Arbeiten aus Ton, ihre Schnitzereien aus Holz und aus Leder, die Stickereien der Frauen, an jedem Stück, das ich noch besitze, hängt mein Herz. Immer waren diese „Wilden", ja man sagt doch Wilde, freundlich und artig - „mein liebes Herrchen, bitte geben Sie mir von dem Feuerstein". Diese Ansprache gefiel mir immer, sie klang so treuherzig in dem schlechten Spanisch aber stolz war ich, als ich ganz flott indianisch sprechen konnte. Die Zeit verging - ich kam zum 4. Regiment Charlotte als Adjutant des Schwadronskomman danten Graf Gottfried Pachta und machte an seiner Seite alle Gefechte mit. Ich hatte Kund schaftsdienst. Mit einem Kameraden und ein paar Soldaten ritt ich aus dem Lager, meine gute Stute Edley allen voran. Auf einmal sah ich, daß ich mich von meiner Kavalkade getrennt hatte, ich wendete, als plötzlich in nicht allzu großer Entfernung feindliche Reiter auftauchten. 20 Fähnlein surrten auf ihren gefällten Lanzen. Ich höre sie noch - sr-sr-sr. Edley griff aus, und der Abstand wurde immer größer, schon fühlte ich mich in Sicherheit, da kam ich an einen Graben, Edley schreckte zurück, bäumte sich auf und war durch nichts zu bewegen, den Graben zu nehmen. Ich sah zurück, da kamen die 20 Lanzen mit den surrenden Fähnlein näher, immer näher, ich gab Edley die Sporen. Sr-sr-sr, ich hatte die furchtbare Empfindung, daß alle 20 Lanzen mit den surrenden Fähnlein bereits an meinen Körper stoßen, ich riß den Säbel aus der Scheide und hieb Edley in die Seite, sie bäumte abermals wild auf, stutzte eine Sekunde, dann nahm sie endlich den Graben, halb scheu raste sie davon, trug mich der Rettung entgegen. Über Befehl des Grafen Pachta bin ich bereits gesucht worden. Meine Kavalkade kam mir entgegen. Die feindlichen Reiter ver folgten uns nicht mehr. Immer noch khngt mir das Surren der Fähnlein im Ohr — immer noch fühlte ich die Lanzen in meinem Körper. 8 Tage lang hörte mein Kommandant ge duldig die Geschichte, immer, immer wieder, bis er endlich die Geduld verlor und allen Ernstes sagte: „Wenn du nochmals von deinen 20 Fähnlein und deinen 20 Lanzen zu er zählen anfängst, mein Lieber, sperre ich dich unwiderruflich 8 Tage ein." Das half. Einmal befand sich unser Lager in einem verlassenen Kloster - leider weiß ich den Namen nicht mehr. Der Kreuzgang zog sich in den drei Seiten der rückwärtigen Front hin. Wir hatten unsere Sättel und Monturen zwischen den Fenstern, welche auf die Arkaden führten, gehängt. Ich war 36 Stunden auf Vorposten gewesen und kam zu Tode ermüdet ins Lager. Kaum daß ich meinem Kommandanten in der Wachstube, die rechts vom Eingang war, Bericht erstatten konnte. Gegenüber im letzten der drei Fenster des Raumes stand mein Bett Graf Pachta ließ mich niederlegen und ich schlief ein. Es war ein bleierner Schlaf der Er schöpfung. Ich hatte noch nicht zwei Stunden geschlafen, als ein Wachtmeister vom Haupt quartier kam, um Sättel und Monturen zu holen. Mir als Adjutant oblag es, diese in Evidenz zu halten. Graf Pachta trat an mein Bett, um mich zu wecken. Ich gab vorerst keine Antwort -
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