Schätze aus dem Atelierkasten hervorgeholt und in wahrer Andacht gezeigt. Ich, nur ein paar Jahre jünger, noch im Stadium der Gotik- und Van Gogh-Verehrung, empfand nichts als einen Schreck, den ich kaum zu verbergen wußte. Warum auch, wir waren beide wahr heitsliebend und ehrlich. Zu diesen Mischungen aus Symbolismus und Erotischem fand ich keinen Weg. Welch eine Überladung von Gedanken und Symbolen! Wie rasch eilte die Zeit über solche Eine de siecle-Anklänge hinweg. Mag sein, daß man in kleinen Wiener Zirkeln vor dem Weltkrieg an solchen Ideen Gefallen finden konnte. Irrläufe ins Intellektualistische gibt es auch heute wieder, allein, nur was technisch gekonnt ist, wird Bestand behalten, in weiterer Folge werden sie so empfunden werden wie die erwähnten Kompo sitionen. Da jedoch das Feld unvorstellbar erweitert wurde, werden die Verschlüsselungen von immer kleineren Kreisen gelesen werden können. Malen muß einer können, dann braucht er keine Angst zu haben vor dem „Naturalismus" - wenn er wirklich von Farbe etwas weiß, dann ersteht ihm ganz von selbst aus ihr Metaphysik! Keine dieser Kompositionen hat Diller je ausgeführt. Vielleicht war es schließlich nur mehr die Erinnerung an die Arbeit, die sie ihm wertvoll maehten. Bei dem hohen Grad von Ehrlichkeit, die Dillers Wesen bestimmt, glaube ich nicht, daß er sich nicht darüber klar gewesen wäre, wie sehr die Zeit über derlei Kompositionen hinausgewachsen war. Wir haben gerade gehört, wie stark er dem naturhaft ländlichen Leben anhing, Gauguins Noa Noa hatte gleichfalls begonnen, neue Wege zu weisen. Jettmars Verdienst war zweifellos die Entwicklung der graphischen Komponente in der Kunst Dillers. Malerische Veran lagung und Drang nach klarer Linie liegen im Wesen Dillers nebeneinander, sie sind die Pole, zwischen die seine Kunst gespannt ist. Schon 1913 weilte er längere Zeit in Triest. Er malte dort und in Pirano, vor Schloß Duino, wo Rilke® seine Elegien schrieb, und sah jung zum ersten Male Venedig. 1914 wurde er auch Zeuge der großartigen Auffahrt der österreichisch-ungarischen Flotte anläßlich der Einholung der Leichen des in Bosnien erschossenen Thronfolgerpaares. Die dröhnenden Salutschüsse der mächtigen stahlgepanzerten Riesen, die sich im Pulverdampf verhüllten, wiesen auf einen neuen Abschnitt der Geschichte und erregten die Seele des Künstlers. Die Antwort naher Küstenbatterien fegte ihm seinen Skizzenblock ins Meer, er selbst fiel zu Boden, ihm war dabei nicht gut zu Mute, er spürte, was da kommen sollte, und wenige Wochen später gingen seine beiden Brüder in den Krieg. Da keiner der Söhne nach dem Tod des Vaters das Geschäft übernahm, bheb der Mutter des Künstlers keine andere Wahl, als sich völlig von Wels zu lösen, den Besitz zu veräußern und in das Haus ihrer Mutter nach Linz, Volksgartenstraße 32, zu ziehen, das dann auch dem Maler jahrzehntelang Heim und Unterkunft bieten sollte. Hier war sie ihrer Jugend heimat näher, die sie nie hatte vergessen können. Diller hat diese Liebe mit ihr gemeinsam. Im Sommer 1913 waren in Oberneukirchen sieben frei hingesetzte Landschaften voll Licht und Atmosphäre entstanden, die zu seinen besten Leistungen zählten, nun mußte er seine Mutter (Bild 5) malen, um sie auf andere Gedanken zu bringen; die Sorge um ihre zwei auf dem galizischen Kriegsschauplatz als vermißt gemeldeten Söhne steht deutlich in ihren Augen. Dieses Ölbild der „Mutter in Goldhaube" zeigt Diller in Leibscher Nähe. Es konnte nicht anders als ein „Galeriestück" angesprochen werden und befindet sich heute im Besitz kirchen über alles liebte. Da wir alle im Haus der Großmutter Maria Kastner wohnten, verfolgte ich über ein Jahrzehnt das Entstehen der Arbeiten Dillers bis ins Detail. Er blieb einer der wenigen altcrsgleichen Dichter Österreichs, die Diller nicht persönlich kennengelernt hat.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2