digung der Lehrjahre an der Akademie fiel die Entscheidung dadurch, daß Diller sich entschloß, nun als Meisterschüler in Professor Delugs großes Atelier in Grinzing zu gehen. Wenn wir von Delug, der sich so sehr um die Erhaltung der Altsubstanz seiner Vaterstadt Bozen bemüht hatte, lesen: „Seine Begabung des Einfühlens lenkt jedoch immer wieder auf das Porträt, das er stark durchempfindet. Er malt die Menschen in ihrer Atmosphäre..." so sind das Charakteristika, die ebensogut Diller auf den Leib geschrieben sein könnten. Man könnte wohl mit Recht - mit einem Wort der damaligen Zeit - von einer Seelenver wandtschaft sprechen. Diller scheint sich richtig entschieden zu haben. In Delugs Meister schule wurde sein Künstlertum zu wesentlicher Entwicklung gebracht. Seine Palette wies eine zauberhafte Tonigkeit auf, sie hat die erste Periode seiner Kunst beherrscht, ja charaktterisiert. Nach den alljährlichen Landschaftspreisen' durch die Jahre des ersten Weltkrieges hindurch erreichte er 1917 den Spezialpreis der Akademie Wien für sein Selbstbildnis, das sich nun seit Jahren im Bestand des Oberösterreichischen Landesmuseums in Linz befindet. Es mag als ein vorzüglicher Beleg für seine erste Schaffensperiode sprechen (Bild 1). Wir können es uns nicht versagen, hier eine der vielen Legenden, die sich mit dem Schaffen des Künstlers verbinden, zu erzählen, weil sie zugleich auch ein Licht auf den verehrten Lehrer wirft. Diller berichtet^: „An einem Morgen kam Professor Delug in mein Atelier und sagte: ,Sie haben so herrliche Bildnisse geschaffen und nichts zur Jahresausstellung geschickt. Jetzt ist es acht Uhr. Gehen Sie hinauf in den Freilichtsaal und malen Sie ein Selbstbildnis. Ich sperre Sie jetzt ein, um sechs Uhr abends muß es fertig sein'! Die Sonne brannte auf das Glasdach, ich verschmachtete fast, riß den Kragen herunter, aber um sechs Uhr holte der Professor das fertige Bild, gab es den nächsten Tag in die Ausstellung und ich erhielt dafür den Preis. Einige Wochen vorher hatte mich Delug aufgesucht und freudestrahlend erklärt: ,Das Professorenkollegium hat Sie dazu bestimmt, auf einem großen Gemälde, die Morgenmesse des Generalstabes in einem Föhrenwald in Wolhynien dar stellend, den landschaftlichen Hintergrund zu malen'. Das gute Gelingen wurde nicht nur finanziell würdig anerkannt, sondern auch mit köstlichem Ungarwein gefeiert." Jettmar wiederum besprach mit seinen Schülern die Aufgabenstellungen ihrer Komposi tionen und war bemüht, die Phantasie seiner Schüler auf diesem Gebiet zu entwickeln. Wir sehen schon aus den Titeln, daß wir noch vor dem ersten Weltkrieg stehen, sie führen uns in eine Welt, die heute geistesgeschichtlich bereits wieder überaus interessant geworden ist: „Der versunkene Ritter" (wir dürfen annehmen: in einem Traum), „Parsival beim Einsiedler im Walde", „Die Poesie" (ein herrliches Weib wird von den Fängen eines flügel gespannten Adlers in den Sternhimmel getragen). „Der Liebestraum des Einsiedlers" zeigt uns nach Dillers Worten „eine sich im Nebel des Wildbaches windende Wolke von Gestalten, die die verschiedenen Liebeserleben darstellten. Von der Mütterlichkeit, dem Schwestern dienst bis zum Wonnerausch des jungen Liebespaares, das sich in der dunklen Waldeshöhe zum gleißenden Lichtengel und zum rotflammenden Satanskreis verlor." Diese Entwürfe waren ganz aus dem Malerischen empfunden in herrlichen Farbakkorden gebracht. Vor vielen Jahrzehnten, als dies alles noch bestand, hat mir einmal Vetter' Richard diese • Siehe Martha Khil, Biographisches Lexikon von Oberösterreich, 3. Lieferung (1957). Drei Blätter. • Richard Diller hat nicht nur genaue Verzeichnisse seiner über zwölfhundert Werke, sondern auch ausführ liche Tagebücher geschrieben, die dieser Arbeit als Unterlage dienen. Eine illustrierte Autobiographie ging verloren. • Seine Mutter Anna war die Schwester meines Vaters, Hofrat Dr. Hans Kastner, der gleichfalls Oberneu-
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