OÖ. Heimatblätter 1966, 20. Jahrgang, Heft 1/2

DR. FRANZ PFEFFER 14. 7. 1901 — 24. 4. 1966

Völlig unerwartet wurde mitten aus den Abschlußarbeiten zum Druck des vorliegenden Heftes, mit dem die von ihm redigierten „Oberösterreichischen Heimatblätter" ihren zwanzigsten Jahrgang beginnen, Herr Hofrat Dr. Franz Pfeffer nach kurzer, schwerer Krankheit am 24. April 1966 vom Tod ereilt. Schlicht und einfach, wie dies seinem Wesen gemäß war und er dies auch ausdrücklich für sein Begräbnis gewünscht hat, wurde er am 28. April im Barbarafriedhof seiner geliebten Stadt Linz zur ewigen Ruhe gebettet. Mit Hofrat Dr. Franz Pfeffer verliert das Land Oberösterreich einen der profiliertesten Vertreter seines kulturellen Lebens, der nicht nur durch zahlreiche, zum Teil grundlegende Veröffentlichungen, über die im einzelnen in der nächsten Lieferung des von ihm begrün deten „Biographischen Lexikons" berichtet werden wird, maßgeblich hervorgetreten ist, sondern auch durch eine große Anzahl von klugen Anregungen auf die verschiedensten Sparten der wissenschaftlichen Tätigkeit in Oberösterreich entscheidend eingewirkt hat. Dr. Franz Pfeffer wurde am 14. Juli 1901 in Mauthausen a. d. Donau geboren. Er wäre daher im Laufe dieses Jahres in den dauernden Ruhestand getreten, auf den er sich bereits freute, weil er sich nun in ihm, entbunden aller Amtsverpflichtungen, um so intensiver seinen eigenen Forschungen widmen wollte. Lfnd zahlreich sind die Karten und Karten entwürfe, die sich in seinem wissenschaftlichen Nachlaß fanden und von dem Entstehen eines neuen großen Werkes Zeugnis geben, in dem er die seit Jahrzehnten geplante „Straßenund Verkehrsgeschichte von Oberösterreich" darstellen wollte. Die großzügige Anlage der Untersuchung, verbunden mit der gewissenhaften Beobachtung aller Details, läßt erahnen, daß das neue Buch wohl die Krönung seines wissenschaftlichen Schaffens geworden wäre. Der Studiengang führte Franz Pfeffer zunächst an das Staatsgymnasium nach Linz und von hier an die Universität Wien, wo er Germanistik und Geschichte studierte, in der katholischen österreichischen Studentenverbindung „Aargau"-Wien seinen Freundeskreis fand, dem ersieh zeitlebens verbunden fühlte, und 1926 zum Doktor der Philosophie promovierte. Aber bereits 1923 trat er als Leiter der Kulturabteilung in die Schriftleitung des „Linzer Volks blattes" ein, dessen landeskundliche Monatsbeilage „Heimatland" er in vorbildlicher Weise redigierte. Bereits in diesen ersten Jahren seiner Berufstätigkeit liegen die Wurzeln zu den profunden Kenntnissen auf dem Veröffentlichungs- und Druckereiwesen, die ihm später bei den zahlreichen Publikationen des Institutes für Landeskunde in so hervorragender Weise zustatten kamen, und hier zeichnen sich auch schon die besonderen Interessengebiete: Theater-, Stadt- und Verkehrsgeschichte, bibliographische und biographische Studien, ab, auf denen er nachmals seine großen wissenschaftlichen Erfolge errang. Folgen wir bei der Skizzierung seines weiteren Lebensweges den von ihm für das „Biogra phische Archiv" zusammengestellten Daten, so wurde für seine Laufbahn als wissenschaft licher Beamter des Landes Oberösterreich seine Bestellung als Vertragsangestellter (1941 bis 1945) am Landesmuseum entscheidend, bei der er als „Sachbearbeiter für kulturelle Publikationen dem Amt des Kulturbeauftragten des Reichsstatthalters" zugewiesen war. Nach dem Umbruch wurde er alsbald Abteilungsleiter am Landesmuseum mit gleichzeitiger Bestellung zum Leiter der Abteilung „Kultur und Presse im Amt der oberösterreichischen Landesregierung", der er übrigens auch selbst zeitweilig angehörte.

1947 wurde er zum Direktor des OÖ. Landesmuseums berufen und bekleidete diese ver antwortungsvolle Stelle, bis er 1952 für die Leitung des von ihm 1946 gegründeten „Institutes für Landeskunde von Oberösterreich" freigestellt wurde, das mit 1. 1. 1955 mit Beschluß der Landesregierung zu einem selbständigen Amt der Landesregierung ausgebaut wurde. Jetzt erst konnte sich Dr. Franz Pfeffers nahezu unerschöpfliche Aktionskraft voll entfalten. In seiner im „Oberösterreichischen Kulturbericht" vom 14. 1. 1966 veröffentlichten Rück schau auf seine zwanzigjährige Tätigkeit am Institut vermochte er einen imponierenden Rechenschaftsbericht vorzulegen; Aus kleinsten Anfängen heraus war es ihm gelungen, ein wissenschaftliches Institut ins Leben zu rufen, das sich durch seine Rührigkeit in den eigenen Forschungsbereichen und durch seine vorbildlichen Publikationen in Kürze bedeutendes Ansehen im In- und Ausland erringen konnte. Durch die Schaffung der „Oberösterreichi schen Heimatblätter", mit denen die Tradition der von Adalbert Depiny begründeten „Heimatgaue" fortgesetzt wurde, entstand alsbald ein Zentrum der landeskundlichen Forschung, das auf vielen Gebieten anregend wirkte. Für größere wissenschaftliche Beiträge wurden die Hefte der „Schriftenreihe des Institutes für Landeskunde" (bisher 19 Bände) eingerichtet, in denen so hervorragende Werke wie E. Neweklowskys „Schiffahrt und Flößerei im Räume der oberen Donau" oder P. Karnitsch' „Relief-Sigillata von Ovilava" und schließ lich auch F. Pfeffers eigene Monographie „Kirchschlag - Das Bergdorl am Breitenstein" veröffentlicht werden konnten. Als Frucht seiner einstigen Anregung zu systematischen Grabungen in Enns (1951) begründete der nimmermüde Förderer ernsthafter Forschungen die Schriftenreihe „Forschungen in Lauriacum" (bisher 9 Bände), in denen die Grabungs ergebnisse in glanzvoller Weise Zug um Zug publiziert und dadurch auch der Wissenschaft weit über die Grenzen Oberösterreichs hinaus zugänglich gemacht werden konnten. Seit den ersten Tagen seiner publizistischen Tätigkeit wandte sich das Interesse Franz Pfeffers auch der systematischen historischen Grundlagen-Forschung zu, um die er sich in drei weitgespannten Unternehmungen besondere Verdienste erwarb: in der Anlage einer sorgfaltig erarbeiteten Bibliographie des heimatkundlichen Schrifttums, die er allerdings nur bis zum Jahre 1953 fortzuführen vermochte, in der Schaffung des „Biographischen Archivs", aus dem das viel bewunderte und heute längst zu einem unentbehrlichen Nach schlagewerk aller mit kulturellen Fragen befaßten Stellen gewordene „Biographische Lexikon" (bisher 10 Lieferungen) hervorging, für das er die Mitarbeit von Frau Prof. M. Khil gewinnen konnte, und schließlich das Monumentalwerk des „Atlas von Oberösterreich", in dem sich nach dem Plane Dr. Pfeffers sämtliche Eigentümlichkeiten der naturkundlichen, wirtschaft lichen, kulturellen und politischen Verhältnisse des Landes spiegeln sollen. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, den Abschluß dieses groß angelegten Werkes zu erleben, doch konnte er wenigstens noch die Entwürfe zur dritten Lieferung dem Verlag zur Drucklegung übergeben. Der große Widerhall aber, den der Atlas in den Rezensionen der Fachwelt gefunden hat, mag ihm eine Bestätigung dafür gewesen sein, daß sein hingebungsvolles Bemühen die gewünschten Früchte bringt. Außer seiner umfangreichen Editionstätigkeit, die an sich die Arbeitskraft eines Mannes zur Gänze auszufüllen imstande gewesen wäre, fand der rastlos Tätige auch noch Zeit zu eigenen wissenschaftlichen Arbeiten, für die er sich, dem Themenkreis seiner Forschungen gemäß, oft sämtliche Unterlagen erst in weitläufigen Exkursionen und Fußmärschen im

Gelände selbst suchen und erarbeiten mußte. Hier sind vor allem seine viel beachteten verkehrsgeschichtlichen Aufsätze: „Die Linzer Fernstraßen - Römerzeit und frühes Mittel alter" (1953), „Raffelstetten und Tabersheim. Zur Geschichte des Salzverkehres im Räume von Linz" (1954) und „Altwege und Altgrenzen auf dem Pöstlingberg und Lichtenberg bei Linz" (1955) zu nennen, aus denen auch seine gründlichen Kenntnisse der politischen Geschichte der einzelnen Landesteile von Oberösterreich erwuchsen, die er in seinem großen Buch „Das Land ob der Enns. Zur Geschichte der Landeseinheit Oberösterreichs" (1958) zusammenfaßte. Fand auch dieses Werk im einzelnen nicht die erwartete Zustimmung der Fachwelt, so behält es doch als geniale Schau über die so schwer zu erfassenden dunklen Jahrhunderte der frühmittelalterlichen Territorialgeschichte des Landes seinen bleibenden Wert. Um so nachhaltigere Erfolge aber brachten dem Meister der historisch-geographischen Untersuchungen seine regional begrenzten Forschungen, in denen er sich insbesondere mit dem Mühlviertel, und hier wieder mit dem Bereich von Kirchschlag, befaßte, dem er eine heute längst zu einem Vorbild landeskundlicher Betrachtung gewordene Monographie gewidmet hat (1962). Franz Pfeffer hat äußere Ehrungen nie gesucht. Sein fast von spartanischer Härte gekenn zeichnetes Wesen fand in der Arbeit selbst Erfüllung und Bestätigung. Trotzdem konnten offizielle Anerkennungen nicht ausbleiben. 1956 verlieh ihm die Universität Innsbruck ihre Ehrenmitgliedschaft und zu Beginn des Jahres 1966 zeichnete ihn der Herr Bundespräsident für seine Verdienste um die landeskundliche Forschung durch den Ehrentitel „Hofrat" aus. Nachdrücklicher aber noch als diese Ehrungen wird das lebendige Denkmal weiter wirken, das sich Dr. Franz Pfeffer selbst gesetzt hat in der in seinem Geiste fortgeführten Tätigkeit des Institutes für Landeskunde. Im „Biographischen Lexikon" werden immer wieder neue bedeutende Namen aufscheinen, denen er durch diese Schöpfung für alle Zukunft eine Art oberösterreichischer Ruhmeshalle geschaffen hat, in den „Oberösterreichischen Heimat blättern" werden sich auch weiterhin die um die Landeskunde bemühten Autoren versammeln, wie es seinem Geist und Willen entsprach, und der „Atlas von Oberösterreich" wird nach seinem Abschluß stets ein mit seinem Namen verbundenes unentbehrliches Quellenwerk der Erkenntnis bleiben, auf dem auch die künftigen Generationen bei neuen Forschungen zur Heimat- und Landeskunde weiterbauen werden. Ernst Burgstaller

oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde von Oberösterreidi Schriftleiter; Dr. Franz Pfeffer Jahrgang 20 Heft 1/2 Jänner —Juni 1966 INHALT Die Markt-Freyung (Gustav Brachmann) Annales Styrenses. Ein Nürnberger Druck aus dem 18. Jahrhundert (Josef Ofner) Richard Diller. Leben und Werk (Otfried Kastner) Oberösterreicher mit Kaiser Max in Mexiko (Richard Kutschera) Österreich-Ungarns erste Fischzuchtanstalt in Neukirchen an der Vöckla (Heinz Benda) Das Spänedrehen (Franz Mühlbauer) In der Vichtau. Altes aus der Heimat (Josef Lindenbauer) Schrifttum

Zuschriften an die Schriftleitung: Dr. Franz Pfeffer, Linz a. d. D., Bahnhofstraße 16, Ruf 26 8 71 Zuschriften an den Verlag: Institut für Landeskunde von Oberösterreich, Linz a. d. D., Bahnhofstraße 16, Ruf 26 8 71 Druck: Oberösterreichischer Landesverlag Linz a. d. D.

Die Markt-Freyung Von Gustav Brachmann (Neukirchen bei Altmünster) Wesen und Entstehung der Freyungs-Zeichen Aus dem auch in Äußerlichkeiten so bunten Rechts-Brauchtum vergangener Jahrhunderte hat sich fast nichts bis in unsere Tage lebendig erhalten. Zu diesem Wenigen zählen jene Zeichen, die im allgemeinen als „fr ey u n g" oder „fr e i t n^" bezeichnet wurden. Wenn wir von Lebendigerhalten sprechen, so soll damit gesagt sein, daß nicht wenige der unter uns lebenden Ältesten sich ihrer dort und da noch bis zum zweiten Weltkriege geübten Verwendung er innern, ja daß dieser Brauch an einem Orte - wir nehmen vorweg: Schörfling - ohne Unter brechung bis heute am Leben blieb. Anderwärts im Lande ob der Enns war solcher Brauch innerhalb der letzten 160 Jahre da früher, dort später - wir möchten sagen: gleich Kerzen lichtlein an einem Baume - nach und nach erloschen. Das 12./13. Jahrhundert war in den Breiten nördlich der Alpen eine Zeit gewaltiger Gärung. Mehr noch als die Römerzüge waren es gewiß die Kreuzzüge, die breiten Schichten des Volkes Einblicke in ganz andere Welten geboten hatten. Mögen uns die einen wie die anderen aus dem Blickwinkel nüchterner Vernunft widersinnig, ja verderblich erscheinen, dazumal wirkten sie in mancherlei Hinsicht auch aufschließend und befruchtend. Noch war selbst im östlichen Teile des Mittelmeerraumes aus griechischer und römischer Zeit stammendes Städtewesen nicht ganz ertötet, das sich gerade im deutschsprachigen Räume durch die Wirrnisse der Völkerwanderung fast völlig verloren hatte. Man sah, man staunte, man ahmte nach. Die bisher nur ganz lockeren und gelegentlichen Handelsbeziehungen zum nahen Osten verdichteten sich, wenn auch z. T. nur über zweite, meist venedische Hand. Die Zeit der deutschen Städtegründungen hebt an. An die Stelle urtümlichen Warentausches ist Verkauf und Kauf um Münze, ist der Geldverkehr getreten. Nicht jeder Säßige müht sich mehr, über die Nahrung hinausgehende Lebensbedürfnisse womöglich selber zu bedecken, zu zimmern, zu binden, zu töpfern, zu schmieden, zu weben, zu walken, ja auch nur selber noch wie seine Urmütter das Korn mit der Hand zu mahlen: die einzelnen Handwerke beginnen sich als selbständige und bald schon nicht mehr nur auf Bestellung allein arbeitende Berufe zu entwickeln. Warenvorräte aber bedürfen des Absatzes, und sobald der engnach barliche Bedarf gedeckt ist, eines weiteren Käuferkreises, einer Gelegenheit, seine Erzeugnisse 1 Die Bezeichnung „Marktschwert" ist weder urkundlich noch aus dem Volksmunde her belegt, sondern erst im 19./20. Jahrhundert lehrmäßig geprägt worden, darf aber, da sie ja nichts anderes besagt als „das bei einem Markte ausgesteckte Schwert", durchaus bestehen. Anders ist es mit dem in neuester Zeit da und dort auftauchenden Ausdruck „Marktrichter-Schwert", der von Grund aus falsch ist. Denn es handelt sich bei unseren Schwertarmen nicht entferntest um eine marktmäßige Entsprechung zu dem, was gemeinig lich - und auch nicht voll zutreffend - ein „Stadtrichter-Schwert" genannt zu werden pflegt. Das waren mehr oder minder aufwändig ausgeführte, im Gegensatz zu den Richt-Schwertern niemals wirklich gehand habte, sondern nur „ad pompam sive ad oculos" (zu Prunk und Schau) bestimmte Würdezeichen des die Hohe Gerichtsbarkeit ausübenden Stadtrichters, also des mitvmter sogar rechtskundigen Richters in jenen (meist größeren) Städten, die eben den Blut-Bann besaßen. Daß auch diese Benennung nicht ganz zutrifft, erhellt daraus, daß manchmal selbst ein Markt - zumindest dem Namen nach - den Blut-Bann haben konnte, und wenn er wohlhabend genug war, sich ein solches Würdezeichen leistete; wie z. B. das dann später von der Gemeinde verramschte von Mauthausen. Nur da wäre es sinngemäß, von einem „Marktrichter-Schwerte" zu sprechen. Die Freyungs-Schwertarme (= Marktschwerter) hingegen waren nie und nirgends ein Würde zeichen des Marktrichters — dies war vielmehr der Marktrichter-Stab sondern ein ausgesprochenes Signum oder symbolum iustitiae, nämlich der Markt-Gerichtsbarkeit.

öffentlich auslegend zu zeigen, etwaige Wettbewerber in derselben Sparte durch billigere Preise, durch gefälligere oder gediegenere Fertigung auszustechen, kurzum, den Absatz auszuweiten. So entstanden die Märkte. Tiefer auf das Marktwesen hier einzugehen, ist nicht vonnöten. Es genügt, zu sagen, daß die Bewilligung, einen regelmäßigen Markt abhalten zu dürfen, jahrhundertelang heiß begehrt war. Warum Bewilligung? Nun, man konnte doch nicht irgendwo auf weiter Flur eigenmächtig seine Verkaufsstände aufschlagen, seine Waren lagern; die Ankommenden benötigten Unterkunft, die Zugpferde Stallung, die Verköstigung von Mensch und Tier mußte möglich, vor allem aber die bei solchem Menschenzusammenlauf von fern und nah doppelt nötige öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet sein. Das aber war so gut wie gewiß nicht auch in irgendeiner offenen Häuserrotte, in einem weitgestreuten Aigen oder Dorf, sondern doch nur in einer schon fortentwickelten größeren und geschlossenen Siedelung möglich. Das Recht, öffentlich markten zu dürfen, war ursprünglich vom König ausgegangen, also ähnlich der ja auch handelspolitisch wichtigen Zölle ein „Regale". Ganz einleuchtender weise blieb darum auch später dieses Recht an die Zustimmung dieser höchsten Gewalt, des Königs bzw. Landesherrn, gebunden. Da es nun aber nach den mittelalterlichen staatsund verfassungsrechtlichen Vorstellungen gar kein völlig freies Gemeinwesen geben konnte, vielmehr — wie die ja bezeichnenderweise bis heute geläufige Wendung besagt — alles und jeder „seinen Herrn" hatte, man diesen weltlichen oder geistlichen „Herren" (Herrschaften) auch nicht in Bausch und Bogen und zur gegenseitigen Benachteiligung überlassen konnte, welchem ihrer Gemeinwesen solch ein Recht gehören sollte, so ergab es sich fast zwingend, daß diese Auslese auf höherer Ebene, beim Deutschen Könige, in den babenbergischen Stammlanden Österreichs aber wohl schon im 12. Jahrhundert beim Herzoge zuständig war. Dem König ward allerdings schon bald auch im übrigen deutschen Raum durch die aufstrebenden Landesfürsten bei solchen Bewilligungen insoferne ein Hemmschuh angelegt, als er zum wirtschaftlichen Vorteile bereits von ihm ausdrücklich begabter oder nach damak schon altem Herkommen marktberechtigter Gemeinwesen nicht blind drauf los weitere derartige Ermächtigungen - Markt-Banne, Markt-Freiheiten - erteilen, sondern beachten sollte, daß kein marktberechtigter Ort von einem anderen solchen näher als zwei Meilen weit zu liegen komme. Im sogenannten statutum in favorem principum (1231/1232) war ihnen diese königliche Rücksichtnahme ausdrücklich verbrieft worden. Für die Stammlande der Babenberger jedoch, die sich dank der marklichen Sonderstellung innerhalb des Reichsver bandes bereits von Markgrafen zu Markherzögen aufgeschwungen hatten, war diese Frage schon erledigt: unter den ihnen bereits zugefallenen Regalien befand sich auch das Recht zur Markterhebung, zur Verleihung des Markt-Bannes. Auffälligerweise ist da aber nichts von diesem wirtschaftspolitischen Bedenken, von solcher Rücksicht auf schon bestehende MarktRechte zu erkennen, und trotz des sehr starken Einflusses des Schwaben-Spiegels (um 1280) auf das Rechtsleben in den deutschösterreichischen Erblanden wurde seine Bestimmung®, daß marktberechtigte Orte immer in einem Mindestabstande von zwei Meilen voneinander entfernt sein sollten, hier auch in der Folge keineswegs beachtet. Einflußreiche Grundherren weltlichen oder geistlichen Standes wußten sich eben - ganz abgesehen davon, daß damit auch jeweils Gebühreneinnahmen der landesfürstlichen Kammer verbunden waren — ent sprechendes Gehör zu schaffen. Der einst dem Stifte Waldhausen gehörige und knappe ' Schwaben-Spiegel (Land-R., CXLIII, Lsbgg.): „man sol deheinen markt naher dem andren legen dann vber zwo mile."

3 km von dem älterberechtigten Pabneukirchen gelegene winzige „Markt" Riedersdorf ist ein sprechendes Beispiel. Es besteht heutzutage vielfach die Ansicht, als habe — verfassungsrechtlich gesehen - von jeher ein wesentlicher Unterschied zwischen den Begriffen „Markt" und „Stadt" bestanden. Man konnte diesen Irrtum besonders i. J. 1962 aus Anlaß der Ennser Stadtfeierlichkeiten deutlichst beobachten. Immer sprach man von der „Verleihung des Stadtrechtes", ohne die beträchtliche Unterscheidung zu beachten, ob es sich im Einzelfalle um die — in Ober österreich ganz vereinzelte — Verleihung eines solchen Sonder-„Status" im Sinne eines Ranges oder nur um die Genehmigung (bzw. Verleihung) eines für das betreffende Ge meinwesen ausgearbeiteten „Statuts" im Sinne eines örtlichen Rechts-Buches handelte. In der Mehrzahl der Fälle ist dieses Letzte (so auch in Enns) gegeben, von irgendeiner ausdrück lichen Rang-Verleihung ist gar keine Rede. Mittelbar aber darf es gleichwohl gelten: einer in der landesfürstlichen Kanzlei zumindest genehmigten, wo nicht sogar erstellten örtlichen Rechts-Satzung, eines „Statuts", konnte sich nicht irgendein verhältnismäßig belangloser Marktflecken eines Grundherrn, sondern immer nur ein wirtschaftlich wie politisch bedeut sames, meist dem Landesfürsten selbst „gehöriges" Gemeinwesen erfreuen. Rein äußerlich betrachtet, waren „Städte" (zumindest der älteren Leseart) Großsiedlungen, meist wehrhaft mit Turm und Mauer umschlossen, in Urkunden zumindest als „oppidum", wo nicht gar als „civitas" bezeichnet. Aber auch in den wenigen Fällen ausdrücklicher Verleihung des Stadtrechtes' an ein Gemeinwesen (an einen bisherigen Markt) handelte es sich nicht um eine Erweiterung der schon bisher besessenen Rechte, sondern nur um eine äußere Würdigung. Mit anderen Worten: zwischen einem Markte und einer Stadt bestanden keinerlei rechtliche Unterschiede. Was sie beide gemein hatten, das war das Recht, mindestens einen Jahrmarkt zu bestimmten Jahreszeiten halten, einen Pranger aufstellen, Richter und Rat wählen und Bürgerrecht verleihen zu dürfen. Gerade das Recht zum Markthalten geht bei manchen Märkten und Städten schon so weit zurück, daß über die ausdrückliche Verleihung nichts mehr bekannt ist. Wir irren kaum, wenn wir hier ähnliche Verhältnisse annehmen, wie sie z. B. auch beim Erwerbe der hohen (Blut-)Gerichtsbarkeit bestanden: auch sie soUte lehr mäßig immer und überall von förmlicher Verleihung abhängen. Allein, sehr oft ließ man auch andere Rechts-Grundlagen, vorab das selten widerlegbare Berufen auf unvordenkliches Her kommen, gelten. Besonders die wirren Verhältnisse um die Mitte des 13. Jahrhunderts be günstigten das. Es war oben vom hohen wirtschaftlichen Wert die Rede, den das Marktrecht für ein Gemein wesen ehemals hatte. Das mag manchen verwundern, der die heute noch da und dort ge haltenen Jahrmärkte betrachtet: kleine Volksfeste, Tingel-Tangel, Vergnügungsbetrieb, kurzum, tiefster Verfall ehemaliger Märkte, wo sich Pfeifer, Drehorgler, Zauberkünstler, Possenreißer und Quacksalber bestenfalls am äußersten Rande sozusagen oder in irgendeiner überfüllten Wirtsstube zeigen konnten, der Markt selbst aber ausschließlich eine Gelegenheit für das Handelsgeschäft war. Wer alt genug ist, daß er diesen Verfall über ein halbdutzend Jahrzehnte noch selbst beobachten konnte, weiß, wie diese Entwicklung - die übrigens schon seit der Geltung der Gewerbeordnung von 1859 einsetzte - verlief. Einst legten bei solchem Anlaß ihre Waren in den überdachten Ständen aus: die Mühlviertier Weber, die auch weitum die Märkte in den Nachbarländern besuchten, denn ihre Webe hatte besten Grein (1491), Grieskirchen (1613), Schwanenstadt (1627), vielleicht auch Steyregg (um 1500?).

Ruf; die Tuchmacher, die selbst noch walkten und scheren; die Huterer; die Strumpfwirker; die Blaudrucker; die Wachszieher und Lebzelter; die Lederhändler; Riemer und Sattler; Sensen-, Messer-, Hacken-, Säge-, Bohrer-, Ahl-, Nagel-, Ketten-, Pfann-, Kupfer- und Ringel schmiede, Drahtzieher, Holzuhrmacher, die Binder standen bei ihren Schaffein, Butten, Trögen. Muldern und Sechtem, die Hafner bei ganzen Bergen von Rainen, Häfen, Trögein, Krügen, Modeln, Ware, die einstmals donauabwärts bis in Wallachei und Moldau Absatz fand; da standen auch die „Verleger" mit hölzerner Viechtauer-Ware vom Kinderpfeiferl bis zum Rechen, von der Waschkluppe bis zum buntbemalten und gelackten Löffel; da waren die Jochschnitzer aus der Mollner Gegend, die Siebmacher, die Maultrommelmacher, da lagen oder hingen volkstümliche Bild- und Druckwerke^. Langsam schwand das dahin, aber un aufhaltsam. Erst gußeisernes, dann emailblechenes Geschirr erwürgte die Hafnerei, fabriks mäßiges Leinen und Tuch, Werkzeug und Besteck, Drahtstift und Küchenbehelf die hand gefertigte Ware, Sattler und Riemer zehntete die Eisenbahn, die das Fuhrwerk von den Straßen trieb. Immer mehr kamen jene gewissen, nicht bodenständigen Händler, die von Markt zu Markt mit billigem, buntem und schlechtem Ramsch zogen und die Hauptursache wurden, daß sich nun auch die ortssäßigen Gewerbsleute immer heftiger gegen die Märkte wandten, während sie zuvor meist selber ihre Ein- und Verkäufe da getätigt hatten. So konnte es kommen, daß selbst so bedeutende, über den deutschen Sprachraum hinaus berühmte, geradezu schon messeartige Märkte, wie die beiden Linzer, verblüffend schnell verfielen und verschwanden, die anderen nur noch als armselige Schatten ihrer selbst dahin siechten. Früher aber, da blieb Geld im Ort, da war eine Rührigkeit, war ein Getümmel, da standen gedrängt die Rosse der vielen, vielen Fuhrwerke in den Gastställen, da war ein Gehen und Kommen in den Wirtshäusern, ein Wirbel und ein Gewese . . . Da mußten aber auch Ordnung und Aufsicht sein. Daß nicht falsch Maß und Gewicht und sonst kein Trug beim Handel war, daß die Stände ordentlich an ihren Stellen, dem Ver kehre nicht zu hinderlich waren und jeder seinen Standzettel über das erlegte Standgeld hatte; daß abends kein Licht, vor allem kein offenes, mehr draußen brannte, daß die Feuerleitern und die — ach im Ernstfalle so kümmerlichen - Lederamper bereit lagen, vor allem aber, daß bei den Ständen und in den Gassen keine Händel entstanden, es vorab in den Wirts häusern keine Tätlichkeit, keine Rauferei Betrunkener, am Ende gar wohl einen Totschlag gab. So war denn mit dem Rechte, einen Markt in regelmäßigem Zeitabstand halten zu dürfen, der Obrigkeit auch das Recht zugestanden, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksamer, strenger strafen zu dürfen als sonst, ja ihr zugleich auch zur Pflicht gemacht, solch ein Verfahren zu beschleunigen, minder dringliche Rechtsfalle darüber zurückzustellen. Mit anderen Worten: die landesfürstliche Bewilligung, der MarktBann, verlieh dem Orte für die Dauer des Marktes - einschließlich etlicher Tage zuvor und darnach - eine Art Sondergerichtsbarkeit, und schon dies für sich hieß „landesfürst liche freyung". Und wie denn die österreichischen Märkte (bzw. die Städte) zum ständigen äußeren Zeichen, daß sie Markt-Recht besaßen, einen Pranger haben durften, um sich schon sinnfällig für jedermann von nicht so berechtigten Orten zu unterscheiden, so hatten sie * „Mehlherrgötter" (Preßlinge aus einfachster Papiermasse, in Sandl gefertigt), Hinterglasbilder, dann aber auch schon Heilige in Steindruck; in gefärbeltem Steindruck, nach und nach schon in schreiendem Öldruck die uralten Bildvorwürfe der auf einer Bogenbrücke gedachten menschlichen Lebensalter, der Altweiber brunnen oder -mühlen, der über den Jäger zu Gericht sitzenden Tiere; die Heftin in Großoktav mit gefärbelten Holzschnitten mit den Geschichten der vier Haimonskinder auf dem überlangen Pferd, von der schönen Magelone, von Genoveva, vom Räuber Graßl u. v. ä. m. In welchem Museum findest du diese Vergangenheit?

sich von Fall zu Fall, d. h. für die Zeit, da die Bannung öffentlich wirksam wurde, für die Marktzeit also, noch eines weiteren deutlich sichtbaren auffalligen Zeichens zu bedienen, des Marktzeichens, ebenfalls „freyung" oder „freitn" genannt. Es besteht nicht der geringste Anhalt zur Annahme, daß sich etwa mit den Freyungs-Zeichen die Nieder-Gerichtsbarkeit der Märkte und Städte bloß ein äußeres symbolum oder signum iustitiae habe beilegen wollen, um damit denen der Hohen Gerichtsbarkeit etwas entgegen zusetzen. Vielmehr glauben wir, daß jene Zeichen erhöhten Frieds im Rahmen und Bereiche der Marktgerichtsbarkeit und der danach geübten strengeren und schnelleren RechtsSprechung sogar in eine Zeit zurückreichen, wo die in den Verleihungsurkunden für den Blut bann so deutlich herausgestellten Gerechtsame („vinculum et patibulum" = Stock und Galgen) vielleicht noch gar nicht ihre äußerliche Verkörperung in dauernd stehenden Galgen, innerhalb geschlossener Siedlung in dauernd und öffentlich aufliegenden Stöcken (Blöcken) gefunden hatten. Und wenn auch vielleicht das eine wie das andere um das 13. Jahrhundert anzusetzen sein mag - bestimmt obwalteten auch da landschaftsweise Unterschiede® —, so lebte doch in den Freyungs-Zeichen ein bedeutsamerer, ein gewichtigerer Sinnbildswert, als ihn bloß Nacheiferung hätte begründen können. Darüber hinaus hatten sie noch den reinen Nützhchkeitszweck einer allgemein verständlichen Kundmachung, was in einer Zeit, da Lesen und Schreiben noch auf engste Personenkreise beschränkt war, gar nicht genug zu schätzen gewesen sein mußte. Ihr über ein Halbjahrtausend geübter Brauch ließ ihre Bedeutung wohl männigüch geläufig sein und machte eine zusätzliche, mündlich erklärende Verlautbarung (durch Ausruf, wie er allerdings dort und da einmal vorgekommen zu sein scheint) durchaus entbehrlich. Diese Freyungs-Zeichen, welche Gestalt auch immer sie im Laufe der Jahrhunderte und nach mitunter verschiedenem Ortsbrauche gehabt haben mochten, waren also Sinnbilder des während der Dauer einer Marktzeit verschärften „frieds" und trugen ihren Namen nach der vom Landesfürsten dem betreffenden Gemeinwesen ausdrücklich, u. zw. mit Brief und Siegel verHehenen Berechtigung®, an bestimmten Kalendertagen öffentlich Markt ® Das Fehlen jedweder Erwähnung solcher Zeichen in den babenbergischen Stadtrechten des 13. Jahrhunderte -auch das von Passau (Fssg. 1225. VIII) bedroht nur ganz allgemein jedweden Fried-Bruch mit Verlust der Hand oder 5 Pfd. - ist gewiß auffällig, allein sie gedenken ja auch sonst des doch zu jener Zeit schon so lebhaften wirtschaftlichen Lebens kaum in irgendwelcher Weise. — Übrigens führt auch W. Funk, Alte deutsche Rechtsmale, Berlin 1940 (17), die Freyungs-Zeichen in das Hochmittelalter zurück. Uns scheinen sie nörd licheren Ursprunges gewesen zu sein. Sagt doch das Magdeburger Weichbildrecht schon 1188 (IX): „daz ist noch daz urkund / wo man newe Stadt bawet oder markt macht / daz man da ein creutz sezet auf den markt / durch das man sehe / daz weichfried da sei / vnd man henket auch da des kuniges handtechuch daran / durch das daz man darbey sehe / daz es des kuniges wille sey." ® Gleich wie bei anderen öffentlichen Berechtigungen war, wie schon oben gesagt, auch die Erteilung der Stadt- und Markt-Rechte nur allzu oft durch die geldlichen Bedürfnisse des Landesfürsten, späterhin des Staates, weit mehr als durch sachlich begründete Erwägungen geleitet. Auch der geradezu unumstößlich eingelebte Brauch, sich seine landesfürstliche Bevorrechtung bei jedem Regierungswechsel neu bestätigen zu lassen, war zu einer bescheidenen, aber geläufigen Einnahmsquelle des Staates, was aber noch weit schlimmer war, zu einer geradezu unverschämten Bakschisch-Schnorrerei der mit dieser doch rein schimmelmäßigen Amtshandlung befaßten Staatsdiener obersten bis untersten Ranges geworden. Be sonders blühte diese Schmutzerei im 17. und ersthalben 18. Jahrhundert, dem klassischen Zeitalter österrei chischer Beamtenbestechlichkeit. Ein solches im einzelnen aufgegliedertes Beispiel ist in einer Verzeichnung der Herrschaft Clam anläßlich der zu Regensburg durch Kaiser Leopold I. gewährten Erneuerung des Klamer Markt-Rechtes erhalten: „. . . dem Hrn. Ferd. Klueg / k. ö. geheimen hofcanzley zahlen lassen 131 fl. dem canzlisten für diplom- und briefschreiben 6 fl. dem canzley diener für tragen zum unterschreiben 1 fl. 30 kr. für das vidimus mit dem kaysrl. sigel 6 fl» des herrn secretär Koch leuten 3 fl.

halten zu dürfen, also nach der „fürstlichen freyung". Es war daher zu verstehen, daß derlei „gefreite" oder „gebannte" Märkte — Städte besaßen ja das Markt-Recht ipso iure - auf dem herrn agenten in Wien für drey reisen nach Neustadt zu hof 30 fl. dem hm. Zach. Hansemann / geheim. Canzley adjunkt / welcher zu Wien xmd Regensburg dieses werk solicitirt / bar 6 duk 18 fl. nach seinem absterben für ausfolgung der briefe u. acten / seiner frau verehrt 6 Thaler .. 9 fl. auf briefe u. postgelder nach Wien u. Regensburg 8 fl. dem geheim, secretär Koch für seine mühe verehrt 18 fl. hm. Hans Christoph Burkhardt röm. kays. rath u. oberaufseher bei der kays. aufschlag in Vöcklabruck u. Engelhartszell / welcher mir zu gefallen die ganze mühewaltung über nommen / dessen briefe alles beweisen / verehret 45 fl. 28. may 1668 ss fl. 275 30 kr." Wer die qualvolle Ohnmacht eines immerhin schon ansehnlichen Gemeinwesens gegenüber solchen Er scheinungen ermessen will — der Schluß, wie es dann um den einzelnen rechtsuchenden Staatsbürger bestellt war, liegt auf der Hand —, der verfolge z. B. die Bemühung des Magistrates Freistadt, seine „Privilegien" nach dem Tode Josefs I. erneuert zu bekommen. Durch Jahre zieht sich das ohne irgendwelchen sachlichen Grund hin, immer neuer Nachschub von Schmieren an kleine und große Staatsdiener, nicht zu gedenken der Kosten der eingespannten Sachwalter, sind nötig zur Loseisung eines doch nur rein „deklarativen Ver waltungsaktes", der in längstens einer Woche hätte bewerkstelligt werden können. Es ist bei aller traurigen Erbärmlichkeit erheiternd, wie sich geradezu eine Art Staffelung der „Schmiere" nach dem Range und Einflüsse des damit Bedachten wie ein Gewohnheitsrecht, und zwar auch für die Zwischenzeit eingelebt hatte, wo man die „Gunst" eines Beamten nicht gerade brauchte, aber gleichwohl Grund hatte, sie sich für den Bedarfsfall warmzuhalten. Da war z. B. für mittlere Beamte das in Rechnungen immer wieder auftau chende „fäßl schmalz", das seinem Haushalte ebenso willkommen war, wie etwa dem Landeshauptmanne und seinem Vertreter, dem Landesanwalt, die berüchtigte „fastenspeiß". Als 1704 (in schwerer Kriegszeit) die geldklamme Stadtvertretung versuchte, diesen Brauch einschlafen zu lassen und auch in der nächsten Fasten noch keine Miene zur Erstattung machte, da erhält die Stadt durch einen ihrer Linzer Rechtsfreunde aus dem Munde des (ja auch verärgerten) Landschreibers - eines rechtskundigen hohen Beamten - die Mit teilung, „wie das seine hochgräfl. Excellenz / her / herr landeshauptmann" (Fr. Jos. Graf Lamberg) „von gewöhnlicher fastenspeiß-verehrung auf khein weii3 weichen" werde, sondern auf Nachholung der beiden Rückstände um so gewisser zähle, „als widrigenfahles selber auff die Stadt eine vnfelbare vngnadt werffen" und überdies diese Leistung erzwingen würde. Und das ungeachtet der „Instruction für den lands-haubtmann in Österreich ob der Enns" von 1628, wo es ausdrücklich heißt: „so wollen wir ferner / daß weder er / Unser lands-haubtmann / der anwald / noch Unser lands-räthe und beysitzer / deßgleichen der landschreiber / einigerley schänkung oder anders von den partheyen annehmen solle / das gunst und guten willen machen könte" und bei Darwiderhandeln „solle gegen demselben / als . . . seines eyds und pflicht vergessnen / mit straff vorgangen werden." Er wünscht die fällig gewesene „fastenspeiß" in einem Linzer Lebensmittel betrieb auf Stadtkosten abholbereit gestellt zu wissen. Am 27. 2. 1705 klappt der Stadtrat angesichts dieser Drohung zusammen mit der Entschuldigung, daß er „die auffgegebene fastenspeiß-verehrung allain dem armen communen wesen zum besten gemaint / wnd dabey niemallens erhofft / das mallen diese hohen ohrten so sehr darauff tringen" (lies: bei ihrem hohen Gehalte samt Nebeneinkünften so schmutzig sein) würden. Obgleich da die ohnedies so belasteten Städte im Lande bald zugrundegehen müßten, möge der Bürger meister doch wenigstens Nachsicht von der Nachlieferung für 1704 zu erwirken suchen und trachten, daß man sich in Linz mit Geldablöse für heuer begnüge, nämlich mit 35 fl. dem Landeshauptmanne, 20 fl. dem Landesanwalt, 15 fl. jenem Landschaftssekretär. Nach einem persönlichen Bittgange gelingt das zum Teil mit Ach und Krach, nachdem „excell. frau/frau landeshauptin" erklärt hatte, daß sie die zweimal 35 fl. bar der Naturallieferung vorziehe. Die tüchtige Dame wußte offenbar für das Bargeld, zumal es dem landes hauptmannlichen Haushalte sicher auch von anderer Seite her nicht an Nahrungsmitteln gebrach, noch irgendeine andere genehme Verwendung. Was die „fastenspeise" betrifft, so bestand sie althergebrachter maßen aus für unsere heutigen Ernährungsbegriffe nach Art und Menge gleich erstaunlichen Dingen. Dem Landeshauptmanne pflegte man zu erstatten: 64 Pfund „lauteres schmalz", 2 Viertel (= Metzen) „große arbes" (Erbsen), 80 Pfund (getrockneten) Stockfisch, 3 Schock „platteis" (Plattfisch, Scholle), 1 Vierteltonne Hering, 1 Halbfassel Priggen; dem Landesanwalt: 69 Pf. Schmalz, 2 Viertel-M. große, 1 Viertel-M. kleine Arbes, 50 Pf. Stockfisch, 2 Schock Platteis, 1 Faßl Hering, 1 Faßl Priggen; dem Vizedom: 25 Pf. Stockfisch, 1 Schock Platteis, 1 Faßl Hering, 1 Faßl Priggen. Und so ging es, nach imten weiter verringert, zur „frauen landschreiber", zur „frauen sekretär" — warum gerade nur hier die Ehefrauen als tarnende Empfänger galten, bleibt dunkel — bis zum Landhaus-Torsteher hinunter. Dazu kamen für die Stadt die Nebenauslagen, der Binder mußte die Gebinde fertigen und insbesondere darein die Stockfische gesondert packen (3 fl. 30 kr), ein Fuhrmann das ganze Geschmiere dann nach Linz befördern (4fl. 30 kr), so daß die Stadt jährlich für solcherart „Verehrung" rund 200 fl. Auslage hatte, ungerechnet noch der saftigen „Verehrung" in Bargeld, die sie anläßlich der jährlichen Richterwahl an die genannten Würdenträger des Landes erstatten mußte. Man weiß nicht, ob man Verdauung und Kreislauf der Bezieher — man denke: es gab sieben landesfürstliche Städte, und Freistadt zählte nicht zu den höchstveranlagten — oder ihre dem hohen Stande offenbar nicht abträgliche Fähigkeit bewundern soll, all diese „freiwilligen" Gaben weiter zu vergreißln. [Bemerkt sei hier übrigens am Rande, daß die „platteis" in letzter Zeit eine belustigende Verkennung erleben mußten: Hans Heinr. Vangerow, Linz u. d. Donauhandel i. J. 1627 (Histor. Jahrb. d. St. Linz 1963), deutet

Gemeinwesen ohne solche Bevorrechtung fast geringschätzig herabschauten. Diese Bewertung hatte bezeichnenderweise selbst die doch so alles vernüchternde, jegliche Überlieferung vernünftelnd entblätternde Zeit der „Aufklärung" ungeschmälert überstanden, so daß selbst spät erst erhobene Märkte (z. B. Urfahr 1808) sich solch ein Zeichen noch anschafften. Erst das spätere 19. Jahrhundert tat ihnen Abbruch. Die Arten der Freyungs-Zeichen und ihre Anwendung Die früheste Gestalt solcher Freyungs-Zeichen war hierzulande gewiß das sogenannte „hüetl", eine Nachbildung des babenbergischen Herzogshutes, später war es das „fahndl", ein Fähnlein, meist in den Landesfarben, seit allgemeinerem Gebrauche von Wappenschildern wohl auch noch mit dem vom Landesfürsten verliehenen Wappen des Ortes, seltener dem des Herrschaftsinhabers, bisweilen auch dem landesfürstlichen Wappen selbst. Schließlich trat - es ist anzunehmen: nicht vor dem 16. Jahrhundert - zu derlei Fahndln ein hölzerner, seltener eiserner, rechter, vorwärts gereckter Mannsarm mit einem aufrecht in der Faust gehaltenen blanken Schwert. Wahrscheinlich noch in früh-, wo nicht vorgeschichtliche Zeit ging im deutschen Räume die Rechts-Auffassung zurück, daß für bestimmte Örtlichkeiten oder Anlässe die öffentliche Ordnung und Sicherheit einen übergewöhnlichen Schutz, einen besonderen „fried" be nötige'. So durfte vor allem die öffentliche Gerichts-Versammlung, das „thing", Anspruch erheben, daß auch von den nicht unmittelbar Beteiligten, also vor allem vom Kreise der Zu hörer, dem „umstand", jene Ruhe und Ordnung gewahrt werde, die ein leidenschaftslos geführtes Verfahren erheischte. Aber auch der einzelne Stammesgenosse sollte innerhalb seiner Be hausung, begrenzt durch Traufe oder Türschwelle („drischübl"), für sich und seine Haus genossen so sicher und „friedbar" sein „wie der herzog in seiner bürg®", mithin den „hausfrieden" genießen. Auch die Kultstätten, seit Übernahme des Christentums die Kirchen, der vom einzelnen regelmäßig dahin zu nehmende Weg (der Kirchsteig), der ja bis ins späte 18. Jahrhundert herauf meist unmittelbar um die Kirche liegende, ebenfalls „gefreite" Hof (Freithof, Friedhof), seit alters auch die Landstraßen, um Handel und Wandel zu sie auf S. 256, 257, 258, 261, 263, 268, 272, 275, 305, 314, 315, 316, 328, 329, 339, 354, 383 als „Plättstahle" (Bügeleisen, 354), die „trotz schärfsten Wettbewerbs mit dem Steyrer Räume ihren Weg stromabwärts nah men" (258).] Im hier besprochenen „fasten-speis"-Falle mußte die Stadt also die doppelte Geldablöse im errechneten Verhältnisse auch an die übrigen herkömmlichen Bezieher berappen (Stadt-Archiv Freistadt, OÖ. Land.- Arch., Hs. Nr. 88). Dem Landeshauptmann und seinen Mannen mag freilich eines zur (geringen) Entlastung dienen. Zur selben Zeit galt nämlich der ranghöchste Beamte in Österreich, Oberster Hofkanzler imd Außenminister Phil. Ludw. Graf Sinzendorff nicht nur innerhalb dieser Grenzen, sondern auch bei allen auswärtigen Höfen als der bestechlichste aller damaligen Staatsmänner - und das durfte in jenen Zeiten wahrhaft etwas sagen! Er war der würdige Sohn seines Vaters, der wegen seiner als Präsident der Hofkammer begangenen großen Unterschlagungen erst zu lebenslangem Gefängnis verurteilt, alsbald aber, wie ja nicht anders zu erwarten, vom Kaiser wieder begnadigt worden war rmd sich — ohne einen Gulden Schadensgutmachung — auf seine Güter „zurückziehen" durfte. Ein Jahrhundert später — der saubere Josefinische Staat duldet wenigstens kein Beamten-Schmieren mehr —, am 28. 10. 1787, kostet aber die Erneuerung seiner Frei heiten z. B. dem Markte Leopoldschlag allein an Gebühren doch immerhin noch 11511. 41 kr (Markt-Arch. Leopoldschlag, OÖ. Land.-Arch., Sch. 603). ' friede, ahd. fridu, mhd. vride = Schontmg, Zustand unverletzter Rechts-Ordnung. ® „quod domus sua cuique tutissime sit refugium"; vgl. Gustav Brachmann, Der Hausfriede im Spiegel deutschen Volksrechtes in Österreich, ÖÖ. HBl., Linz 1959, IV und, 1961, IV. • Wir glauben nicht, daß in diesem Begriff noch die Vorstellung vom ursprünglichen „umgrenzten Hof" lebendig war, wie dies K. S. Bader (Das Dorf als Friedens- u. Rechtsbereich, Weim. 1957, 96, FN. 8) annimmt. Denn dann hätte solcher Ausdruck auch am Hofe jedweder Hofstatt haften müssen, der doch seit jeher nicht nur „umgrenzt", sondern wirklich umfriedet, umzäunt gewesen war. Der Friedhof — im Oberdeutschen ja ganz bezeichnend nicht selten auch „freithof" genannt - trug seine Benennung sicherlich erst aus dem übertragenen Gebrauche von „fried", nämlich im Sinne eines Sonder-Friedens, eines erhöhten Rechts-Schutzes, einer besonderen „freiung".

schützen, wohl ebensolange schon das Saatfeld während der Bestellung samt Bauer, Knecht und Pflug, die Mühle, die Schmiede, das öffentliche Badehaus, worauf später auch noch Fleischbänke, Tafernen, Brotläden, ja mitunter gar das Frauenhaus, folgten. Auch wo es nicht immer gleich um den Herrschaftshof ging, genossen solchen Fried mitunter auch die Amtshäuser, um eine ungestörte Verwaltung zu sichern. Fried galt vor allem auch bei großen Notständen, vorab bei Feuersnot, allwo jegliche persönliche Feindschaft zurück zustellen war, damit nicht durch Ausbreitung der Brunst die Gesamtheit Schaden erleide. Es konnte weiters gar nicht ausbleiben, daß sich seit der Bildung größerer, geschlossener Gemeinwesen, der Märkte, der Städte, ein „fried" — wenn auch nicht immer höchsten Grades — gewissermaßen als eine Ballung einzelner Hausfrieden, zumindest was die RechtsStellung nach außen hin betraft", auf den ganzen Siedelungsbereich, den „burgfried^^" erDaß sich bei Dörfern die Ausdehnung der Hausfrieden auf den Gesamtfrieden im Bereiche des Dorf-Gemärkes - von „burgfried" läßt sich noch nicht sprechen - über die Zäunung vollzogen hätte, wie K. S. Bader (Dorf) annimmt, kommt für österreichische Verhältnisse nicht in Frage. Soweit hierzulande die in einem Aigen oder Dorf gelegenen Einzelgehöfte nicht überhaupt ihren Hofzaim auch innerhalb des Dorfverbandes noch beibehielten, obschon ein eigener Dorfzatm die Siedlung umschloß, war u. E. etwaiges Aufgeben eigenen Zaunes innerhalb des Dorfzaunes eine ganz rmwesentliche Begleiterscheinung einer durch Exemtion oder Immimität erworbenen Dorf-Freyung. " „Burgfried wird jener Bezirk genannt, der sich unter der lurisdiction eines Stadt- oder Marktrathes befindet" (Jos. Krobatschek, Handbuch f. Kreisbeamte, I., 253). Der Begriff deckt sich mit dem anderwärts im deutsch sprachigen Räume geläufigen „weichbild" (wig = Ort, bill = Gesetz), also Bereich, auf den sich die im betreffenden Orte geltenden Rechts-Satzungen erstrecken. Die Burgfrieds-Grenzen waren den Gemeinwesen seit alters her Gegenstand höchster Aufmerksamkeit und Obsorge. Sie in gehöriger Erinnerung zu erhalten, war man eifrigst bedacht. Es klang dabei mit der stets wache Argwohn gegenüber den Landgerichten, die rechtliche Sicherung des eigenen exemten Gebietes gegen mögliche Übergriffe. Die Grenzen waren darum besonders sorgfältig und auffälliger als private Marche mit stattlichen Hauptsteinen und genummerten Läufern ausgezeigt. In diesem Sinne — „Ifeyung" als Exemtion vom Landgerichte — sprach man mitunter auch von „frey-steinen". Nach J. Strnadt (Grenzbeschreibungen, AÖG., 1913/CH, 372) war z. B. der Burgfried des Marktes Altheim „mit. . . ordentlichen burckfridseiln / deren in allen zwoundzwainzigk sein" umfangen. Uni Vöcklamarkt waren noch in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts alle alten 17 BurgfriedsSteine gestanden. Es wäre eine schöne Aufgabe für örtliche Heimatforschung und mit ihr zusammenarbeitende Verschönerungs- und Fremdenverkehrsvereine, dem Verbleibe solcher Steine nachzugehen und wenigstens die ansehnlicheren als höchst bemerkenswerte Rechts-Denkmale entsprechend freizustellen, wo aber das aus Verkehrs- oder Verbauungsgründen nicht mehr anginge, sie museal zu sichern. Daß ein BurgfriedsStein oder eine Burgfrieds-Saule geradezu zwingend auf der Burgfrieds-Grenze und nirgends sonst zu stehen hatte, bedürfte eigentlich kaum der Worte. Waren sie doch Marchzeichen besonders hoher Ordnung. Es sei diese Selbstverständlichkeit aber hier gleichwohl betont, weil sich Stimmen fanden, die einen besonders gefälligen steinernen Bildstock (mit drei leeren Wappenschildern und der Jahreszahl „1496") links der Straße Pregarten—Hundsdorf—Gutau als eine „Burgfrieds-Säule" des Marktes Gut au werten wollten, obgleich sie von dessen einstiger Burgfrieds-Grenze einige hundert Meter entfernt steht. Burgfrieds-Grenzen wurden wiederholt von Richter und Rat mit einer gewissen Feierlichkeit, d. h. auch noch bis ins späte 18. Jahrhundert meist unter Beiziehung etlicher Buben begangen, denen man bei jedem der Hauptsteine einige Kleinmünzen warf, um ihnen diese Stellen in lebhafter Erinnerung zu erhalten. In Amstetten z. B. waren es meist 20 bis 40 Buben von Bürgern, von denen jeder bei jedem solchen Steine 2 Kreuzer als Gedenken geworfen bekam (so 13. 6. 1590, 24. 6. 1595, 12. 9. 1605). — Aus Perg sind solcherlei Vorgänge wiederholt noch im 17./18. Jh. (Rats-Prot. 15. 5. 1659, 12. 8. 1681, 1690, S. 848, 1718, S. 8, 1738, S. 109 u. a.) bekundet. Ausgang ist stets der Burgfriedsstein außerhalb Zeitlings (in der Höhe des Pfarrkrautgartens) rechts der Straße nach Schwertberg, unweit des „weißen kreuzes", „bey welchen man phlegt dem landgericht Sch. die malefiz-persohnen zu überandtwortten"; hier findet der erste Pfennigwurf statt; von da zur Eysa, Marchstein — weiter oben (unweit der Leimgstöttn des Jörg Sturmberger) ein weiterer — LanzenbergerStraße — Anwesen Michl Puckholzer — hinunter zum Bach — Scherer-Mühlsteinbruch — Marchstein rechts des Bachls mit oben eingemeißeltem L — Marchfichte unweit der Steinbruchschmiede — Häusl am Obern Lichtenregg (Matth. Halsegger) — Burgfriedstein beim Allerheiliger-Weg neben des Scherers Ghag mit ei nem — Dolberg-Ghag - Naarntal — Hammer — Richterhofleite — Peimte des Matth. Enengel — Burgfriedstein mit ^ bei der Münzbacher Straße — Sim. Kowaldts Hafnerhäusl — Burgfriedstein bei der Greiner Straße mit© — Bruckbrauhaus — Auhofer Steig — am Ende der Pfarrwiese rechts „ligt ain burggfrid stain bei einer staudn" — Marchstein — Perger Au — Naarn aufwärts — beim Weg zum Haslauer „Ugt ein burgfridstain — „burgg Irid stain" mit © beim Laaber Weg — zur Naarn — Froschlackn-Gut des Jörg Mayr zu Wibm — unweit des „todten gattern" „ligt an stain" und links vom steinernen Steg „ain braiter = und rechts ain langlechter stain" — „ligt mitten im graben ein stain" — Grundstück des Steph. J. Hagenauer — „Ugt ain burgg frid stain nechst an der stigl dess Paul Grienbing aniezo Andre Dechantsreither am zäun" — entlang der Zeitlinger

streckte und auch äußerlich, wenn schon nicht durch eine Wehranlage, so mindestens durch dauernde Umzäunung oder durch eine auffällige „Aussteinung" mit stattlichen BurgfriedsGründe zum Ausgang zurück. Eine weitere solche Begehung am 5, 10. 1729 bekundet wieder den Pfenningwurf für die Buben bei jedem der drei PXauptsteine: 1. Rechts der Straße nach Schwertberg, unweit vom Pfarrkrautgarten (heute verschollen), 2. zwischen Karlingberger imd Lamplbach-Hafner (wahrscheinlich der Straßenumlegung zum Opfer gefallen), 3. beim noch erhaltenen Steine (Abb. 1) links der Greiner Straße. Bereitung der Burgfrieds-Grenzen mit Maulschellen für die beigezogenen Buben schreibt auch vor das „Instructions-libell" für den Stadtrichter in Wels von 1685. Auch die Linzer Burgfrieds-Grenzen wurden in unregelmäßigen Zeitabständen begangen bzw. beritten. Daß aber damit „gleichzeitig die Festnahme licht scheuen Gesindels" verbunden gewesen wäre, wie H, Gommenda (OÖ. N., 12. 6. 64, „Aus der Linzer Stadt chronik") annimmt, ist irrig. Wer unter diesen doch mit allen Wassern Gewaschenen wäre so einfältig ge wesen, sich vor solchem zahlreichen, unter lautem Gespräche, ja Schießen bei jedem Steine und auf ganz bestimmter Strecke sich langsam nähernden Zuge nicht rechtzeitig zu verdrücken? Hier liegt offensichtlich eine Verwechslung mit den „Landstreifen" vor, die selbstverständlich mit Burgfriedsbegehung gar nichts zu tim hatten. Außer den Nachbarn auch deren Söhne (wohl zum selben Zweck) bei solchen Begehungen beizuzichcn, schreibt auch das Taiding von Losdorf (NÖ. 16. Jh.) vor, ebenso das von Zwettl (NÖ., 1550), bei der Dorfmarch-Begehung „etlich ciain knaben darzue (zu) füren / damit sy dessen auch khünfftig ingedcnkh vnd zeugnus geben khönnen". — In Eibiswald (Stmk-, 1688) war die Burgfrieds-Bereitung mindestens alle 8 bis 10 Jahre vorzunehmen und an die beigezogenen Kinder jedesmal insgesamt um 1 RTl Kleingeld zu verabreichen. B. Finsterwalder (De iuribus incorporalibus, Salzburg 1689, 155) beruft sich auf eine Abhandlung: Der getrewe rechnungs-beambte (I. 13, 167/168), indem er solches aus eigener Erfahrung bestätigt und derlei Bräuche auch fürderhin empfiehlt; daß man „bey Setzungen der neuen marckstein auch wol die jungen / so darzue genommen werden / mit den hären ziet / oder drey mal den . . . gränitzstein ziehet / vnd spendirt denenselben etwas an gelt / semlen / prezeln / bändern / oder sonstwas / welches bey inen ein solches andcnkhen macht / daß wan si gleich alte männer worden / sich dessen denoch gar klein zu erindern außführlich nachricht vnd Zeugnis geben können". Dieses „Ziehen" (hier an den Haaren) ist Nachfahre des uralten, schon imBaiern-Rechte (1. Baiwar., XVI., 2, XVIL, 3, LX., 1) bekundeten Rechts-Brauches der „testes per aurcs tracti" (der an den Ohrläppchen gezupften Zeugen), der auch wiederholt in Urkunden des Mittelalters - als „more Norico" oder „secundum ritum gentis Baiwariorum" - aufscheint. Ein solcherart bestimmter Zeuge hatte nötigenfalls den Inhalt der in seiner Gegenwart geschlossenen Beurkundung eines Rechts-Ge schäftes auch eidlich zu bekräftigen. Hier nur einige Beispiele: so übergibt i. J. 796 Odalsca dem Stifte Passau einen Besitz im Matagau „. . . isti sunt testes per auriculas tracti... in adfirmatione testimonii", Mon. Boi. XXVIII, II, 59, Nr. 74, cod. trad. Pat. ant.; - i. J. 1037 übergibt Engildeo einen Besitz zwischen Krcuzncr- (^ dumilicha-) und Sarming- (= sabinicha-)Bach „. . . testes ritu bawarico per aures tracti", Mon. Boi. 28, 84, Nr. 109, cod. trad. Pat. ant.; - i.J. II80 stellt Dietmar von Senge dem Kloster Reichersberg ein Gut zurück , . presentibus et per aurem tractis . . . testibus", Mon. Boi., cod. trad. Richersp., L, 378, Nr. 177). Wenn V. Hasenöhrl (Beitr., 270) und A. Maidhof (a. a. O., 10, EN 3) meinen, daß dieser Rechts-Brauch seit dem 12./13. Jh. ganz abgekommen sei, so möchten wir zu verstärkter Beobachtung bei archivaler Arbeit ermuntern, ob sich dies nicht auch bezüglich der Ohren widerlegen ließe. Daß diese Gedächtniskrücken für die Buben, nach der angenehmen wie nach der unangenehmen Seite hin, nach Zeit und Landschaft recht unterschiedlich waren, sich auch ganz neue Begleiterscheimmgen, Knall und Rauch der Feuerwaffe mit einbezogen, hinzugesellten, zeigen weitere Beispiele: da wird am 23. 6. 1683 nicht nur die burgfriedssondern die Grenze des steiermärkischen Landgerichtes Groß-Lobming, Burgfried, Waldungen, Wildbann, Raisgjaid, Fischwasser, Almen unter Beiziehimg zwölf alter Männer und (ebenso vieler?) Buben „beritten , bei jedem Marchsteine ein Schuß abgefeuert, nach Beendigung der Amtshandlimg ein namentlich genannter Bub sozusagen auch in Vertretung seiner übrigen beteiligten Altersgenossen ins herrschaftliche Schloß ge rufen, wo ihm der Graf „aigenhändig zwey taschen" (tätschen, Maultaschen) „und zwey neue sechser wegen aines gedenkzaichens gegeben und zur zöhrung passiert". Zu Ansbach a. d. Lahn (1694, J. Grimm/R. Schrö der, Weisthümer, Göttingen 1840/1863, 1866/1878, I., 602), war es wieder ein anderer Brauch: bei jeder zur Grenzzeichnung ausersehenen Stelle wurde „ein Loch gegraben / darein zur gedächtniß die zugezognen jungen knaben mit den köpffen gestutzet (darauf gestoßen), auch mit einer pistole darein geschossen und demnächst ein stein darein gesetzt". Von Grund auf verfehlt ist die Ausdeutung all dieser so alten wie klaren Rechts-Vorgänge bei H. Gommenda (a. a. O.) als „eine der vielen Formen des Hänseins". Es handelte sich bei solcher Zufügung von Angenehmem und Ungemach um eine incitatio memoriae und um gar nichts anderes. _ . . . « In der Schweiz trugen die Burgfrieds-Hauptsteine, auch „Burgzielsäulen" oder „Friedkreissteine genannt, in der Regel ein großes Kreuz, so daß - vgl. den Baseler Stadtfrieden von 1339, I., 20 - die Wendung „vor den crützen" soviel wie außerhalb der Stadt bedeutete. Anderwärts im deutschsprachigen Räume zeigten sie ein Beil, einen Handschuh, ein Wappen, eine Hand - gerade bei solchem Sinnbilde sorglich von sogenann ten „Munta-Zeichen" zu unterscheiden! — oder ein Kreuz. Kreuze hinwieder, mit zur Marktzeit fallweise darangehängtem Handschuh —, die echten Markt-Kreuze (vgl. W. Funk, a. a. O., 175, 178) — waren beson ders in Nordwestdeutschland ständige Wahrzeichen verliehenen Markt-Rechtes, entsprachen also in dieser Hinsicht den Pranger-Säulen der babenbergischen Erblande. Die Sachsenspiegel-Bildhandschriften

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