OÖ. Heimatblätter 1964, 18. Jahrgang, Heft 1/2

Festmahl, also noch ganz in ländlicher Art, während die Geschenke durch Nikolaus und seine Begleiter schon früher überbracht worden waren. Vom „Goldenen Rößl" einem weihnachtlichen Gabenbringer, der in Linz bis zum ersten \-Veltkrieg noch eine Rolle spielte, wird bei Kaut nichts erwähnt. Nikolo- und C:hristkindlmarkt mit ihren verlockenden Herrlichkeiten trugen im allgemeinen in Wien wie in Linz die gleichen Züge. So war das begehrte Spielzeug „Der Baumkraxler" auf beiden Märkten zu finden. Diese Nachbildung des Maibaumkletterns bestand in Linz aus einem grün bemalten und umzäunten Brettchen, auf dem sich ein kleiner Maibaum erhob. Eine aus Stoff gefertigte, den Stamm mit Armen und Beinen umschlingende Kasperlfigur konnte durch Schnurzug auf und ab bewegt werden. Ein anderes Spielzeug der Linzer vorweihnachtlichen Märkte, ,,Die Habergeiß", scheint im Buche Kauts nicht auf. Es war dies eine hohe, pelzbekleidete, auf den Hinterfüßen aufrecht stehende Tiergestalt mit Vogelkopf und zähnebewährtem Schnabel, der durch verborgenen Stockzug bewegt werden konnte. Puppen in allen nur denkbaren Ausführungen und die dazu gehörigen Häuser, Zimmer, Küchen und Kaufläden gab es und gibt es in Linz bis heute. Eine Besonderheit bildeten hier die Trachtenpuppen der Goldhaubenfrau und des Kopftuchmädchens. Sie knüpften an Linzer Eigenheiten in der Kleidung an und kamen in den letzten Jahren wieder als Reiseandenken in Mode. ,,Der Klingler", so hieß wenigstens in unserer Familie das sonst auch Klapper!, Rodl oder Schepper! genannte erste Spielzeug des Greiflings, war eine aus Rohr geflochtene Birne, am einen Ende mit Stiel, am anderen mit Pfeifchen versehen. Bei jeder Bewegung klingelte eine darin eingeschlossene Schelle. Eine in den Griff eingefügte Hahnenfußwurzel leistete dem Kind beim Zahnen als Unterlage des Beißens wertvolle Hilfe. Das Soldatenspielen der Buben trägt recht verschiedene, oft nur ortsgebundene Namen. ,,Seressaner und Türken", die in Wien ihre Kämpfe ausfochten, bekriegten sich, meines Wissens wenigstens, niemals in Linz, wohl aber waren hier „Schullerbergler und Bauernbergler" als ewige Widersacher bekannt. ,,Räuber und Schandarm", ,,Indianer und Trapper", ,,Japaner und Russen", ,,Buren und Engländer", ,,Deutsche und Franzosen" spiegelten in ihren Feldzügen die jeweilige Zeitgeschichte. Die Waffen in diesen Heldenkämpfen werden von den jungen Kriegern in der Regel selber gefertigt: Tschakos aus Papier und Kopfbänder mit Federbesteck; Tomahak oder Schwert aus Holz, Schild aus Pappendeckel, Bogen aus spanischem Rohr mit Pfeilen aus Schilf, Armbrust (Ballester) mit „Pfitschenpfeil", der in die Nut eines hölzernen Dachschindels gelegt wurde, Speere und Lanzen aus Eschentrieben und Schleudern mit Gummizug. Blieb man aber ans Haus gebannt, dann marschierten Verbände von Papier-, Holz-, Blei- oder Zinnsoldaten auf dem Tisch oder Fußboden auf und lieferten sich mit kleinen Kanonen, die Erbsenkugeln aus den Stahlfedern ihrer Rohre feuerten, gewaltige Schlachten. Einfaches Holzspielzeug wurde auf den Frühjahrsund Herbstmärkten in Urfahr feilgeboten. Da gab es zu bewundern: Puppen, Schiffchen, Scheibtruhen, Schubkarren, Wagen mit und ohne Pferdchen, Eisenbahnen, Sandmodeln, Roll-, Schaukel- und Steckenpferde, Reifen zum Treiben oder Werfen samt den dazugehörigen Hölzern, Sprungschnüre, Kreisel und derlei Herrlichkeiten mehr. Sie stammten aus Nürnberg, Berchtesgaden, dem Grödnertal, zumeist aber aus den Salzkammergutorten um den Gmundnersee, vor allem aus der Viechtau. Aus dem Erzgebirge kamen besondere Spielzeugschachteln, in welchen ein ganzer Bauernhof mit Haupt- und Nebengebäuden, Bäumen, Zäunen, Tieren und Gerät, kunstvoll bemalt und säuberlich verpackt, der Aufstellung harrte. Von den Kinderbüchern sei zunächst auf die „Indianerbücheln" verwiesen, deren Titelseiten durch Kampf- oder Jagdabenteuer der braunroten Krieger die Käufer anlockten. In der Papierhandlung Rixner, welche sich einst an der Ecke Herrenstraße zur Steingasse befand, war ein ganzes Fen~ter solchen Druckerzeugnissen vorbehalten und fand bei den Besuchern der Spittelwiese, Volks-, Bürger- und Mittelschülern, stets sehnsüchtige Bewunderer. In Ergänzung zu Kauts Angaben sei auf das bebilderte Büchlein „Wer will Französisch lernen?" hingewiesen. Es vermittelte mir in schauerlichen Knittelversen wie: ,,Le boeuf, der Ochs, Ja vache, die Kuh, Fermez Ja porte, machs Tür! zu!" die erste Bekanntschaft mit der Sprache Molieres. Die Kinderbelustigungen im Freien zeigen der Zahl wie der Art nach ein Übergewicht von Linz. Das kleine alte Linz mit seiner nahen, rein ländlichen Umgebung bot ja dem Kinderspiel zunächst weit mehr Raum als das alte engverbaute Wien; es stand auch mit der ländlichen Spielüberlieferung in viel engerer Berührung als die Reichshaupt- und Residenzstadt. Das Spielgut der Linzer Kinder weist daher, ganz wie das gesamte Kulturleben der Landeshauptstadt Oberösterreichs, noch ausgesprochen ländliche Züge auf, und nw- eine kleine Oberschicht folgt dem Beispiel Wiens. So ist mir nw- eine einzige Schaubude mit Guckkasten aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in Erinnerung. Sie stand am Fuße des Aubergs in Urfahr. ,,Plumpsackverstecken", ,,Platteln", ,,Stöckeln", ,,Arme-Seelen-Erlösen", ,,Tempelhupfen", ,,Kugelscheiben", ,,Eisschießen", ,,Eierspiele", ,,Pfeiferlschneiden", ,,Windrad!", ,,\-Vas ergetriebene Poch- und Läutwerke" und noch etliche andere Belustigungen der Kinder im alten Linz verraten schon in Nam und Art ihre Herkunft oder doch Blutsverwandtschaft mit dem Spiel und Spielzeug der Landkinder in der Umgebung. Der erste Weltkrieg zog wie im gesamten Kultw-leben auch im Linzer Kinderspiel einen dicken Trennungsstrich. Die politische, wirtschaftliche und technische Entwicklung schlug von nun an neue Bahnen ein und ließ auch im Spiel Altes verkümmern und Neues entstehen. Wenn nun ein alter Linzer das entzückende Buch von Kaut durchblättert, dann erwacht in ihm der begreifliche Wunsch: ,,Möchte doch auch dem Spiel und Spielzeug der Kinder in Linz ein ähnlich liebevolles und verständnisvolles Denkmal gesetzt werden, bevor die letzten Erinnerungen daran mit ihren letzten Trägern für immer dahin sind!" Das Linzer Spiel und Spielzeug der Kinder ähnelt zwar in vielen Belangen jenem der Wiener Kinder, wie denn überhaupt das Spielgut aller Städte verwandte Züge aufweist; es bildet aber keineswegs einen bloßen Abklatsch des Wiener Vorbildes, sondern weist stärkere Bindung an ländliche Verhältnisse und sogar 87

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