OÖ. Heimatblätter 1964, 18. Jahrgang, Heft 1/2

höchst anschaulich den Aufbau des Landes von der Bodensee-Ebene bis zu den Gletschern der Hochalpen. Erwin Kossinna und Franz Fliri spinnen in ihrem Beitrag über „Wetter und Klima" diesen Gedanken weiter und beweisen, daß Vorarlberg, seiner Bodengestaltung entsprechend, trotz geringer Ausdehnung recht verschiedene klimatische Verhältnisse aufweist. Helmut Gams knüpft in der Abhandlung über „Die Pflanzenwelt" an die Arbeiten seiner Vorgänger an und betont abermals, daß Vorarlberg auf verhältnismäßig kleinem Raum eine besonders mannigfaltige und schützenswerte Pflanzenwelt besitzt, die von den Weinreben und Edelkastanien des Bodensees bis zu den Zirben und Krummföhren der Hochalpen zahlreiche Zwischenstufen zeigt. Heinz Janetschek entwirft mit besonderer Berücksichtigung der Lebensgemeinschaften ein Bild der Mannigfaltigkeit, welche „Das Tierreich" in Vorarlberg entwickelte. Manch interessanter Seitenblick fällt dabei auch auf andere Gebiete. So geht die Brückenstellung des Landes aus zwei in Vorarlberg beheimatete Lebewesen, dem Fisch Strömling und dem Grundwassertier Flohkrebs, hervor, welche den Flußgebieten der Donau, des Rheins und der Rhone gemeinsam sind und so den tiergeographischen Beweis für den ehemaligen Zusammenhang der drei Flußgebiete liefern. Band III ist „Das Volk" betitelt und erweckt nicht bloß durch die vorbildliche Weite seines Blickfeldes, sondern ebenso durch das ausführliche Eingehen auf ein Volkstum, welches unserem zwar verwandt, aber keineswegs gleich ist, besonderes Interesse. Gustav Sauser legt in seiner „Anthropologie" die Grundlage für den Weiterbau aller nun folgenden Forscher und Forschungen. Er gibt zunächst eine Überschau der einschlägigen Quellen und Arbeiten, geht dann über zu einem Vergleich mit den Nachbargebieten und schildert schließlich den anthropologischen Werdegang der Bevölkerung. Schon hier treten die später noch oft genannten Talschaften Vorarlbergs als Träger starker Eigenpersönlichkeit hervor, die allerdings seit 1900 durch die zunehmende Landeseinheit überformt und durch Einsickern aus dem schwäbischen und baJuwarischen Bereich langsam aber sicher verändert wird. Ferdinand Ulmer behandelt an der Hand zahlreicher Tabellen „Das Bevölkerungswachstum im letzten Jahrhundert". 1785 lebten in Vorarlberg 75.000 Menschen, 1961 229.000, also dreimal soviel, aber immer noch weniger als in Groß-Linz. Technischer Fortschritt, erleichterter Verkehr und neue Wirtschaftsweisen haben in diesem Zeitraum den Arbeitsertrag vervielfacht, neue Erwerbsmöglichkeiten erschlossen und fernen Wirtschaftsraum gewonnen. Vorarlberg weist heute die höchste Geburtenzahl und die geringste Sterblichkeit im Hundertsatz unter allen österreichischen Bundesländern auf. Der Altersaufbau zeigt hier auch noch eine richtige Pyramide mit einer seit 1910 nur wenig geschrumpften Grundfläche. Leo J u tz verbreitert sich über „Die mundartlichen Verhältnisse des Landes", das politisch gegen Westen, sprachlich gegen Osten Grenzland ist. Sämtliche seiner Mundarten gehören dem Alemannischen an, wobei allerdings die einzelnen Talschaften bemerkenswerte Unterschiede aufweisen. So sprechen die Bewohner der Walsertäler hochalemannisch, jene der übrigen Täler mittelalemannisch. Eugen Thurnher erweist in dem Abschnitte „Redensarten, Volksschauspiel, Sagengut" jene Kräfte als wirksam, die seit jeher das Leben des Volkes tragen: schöpferische Kraft des Einzelnen und überparteiliche Bindung des Ganzen. Dem alemannischen Volkscharakter entsprechend treten in Vorarlberg die Wörter und Wendungen des Gefühls stark hinter jenen des Verstandes zurück. Sogar die Liebe kennt, im Gegensatz zur Fülle ihrer Ausdrucksmöglichkeiten in Bayerisch-Österreichischen Dialekten, in Vorarlberg kein Mundartwort für „Lieben" oder „Küssen". Solche Begriffe werden durch „Stubat go" und „Hürota", also durch den Zweck, bekundet, dem sie dienen sollen. Das Volksschauspiel geht auch in Vorarlberg die allgemein in Österreich üblichen Wege. Bemerkenswert ist der frühe, schon 1380 und 1390 gegebene Beleg für dreitägige Passionsspiele in Feldkirch. Die Sammlung des Erzählgutes setzte in Vorarlberg erst im 19. Jahrhundert ein und brachte daher nur mehr bescheidenen Ertrag. Örtliche Beziehungen lassen sich bei Sagen wie Legenden nur selten feststellen; beim Märchen, das im Wesen raum- und zeitlos bleibt, macht der Vergleich manches als Vorarlberger Eigengut wahrscheinlich. Karl Ilg schreibt über „Sitten und Bräuche" und weist dabei auf manche Besonderheiten hin, die zwar dem alemannischen Volkscharakter entsprechen, unserer gewohnten bayerisch-österreichischen Überlieferung aber fremd sind. Hiezu rechnet vor allem die „Vorarlberger Fasnacht" mit dem Funkensonntag als Höhe- und Schlußpunkt. Uns Oberösterreichern fällt vor allem die Dürftigkeit des geschilderten Brauchtums auf. Es geht dies wohl auf den nüchtern-sachlichen Grundzug des alemannischen Wesens zurück. Der Christbaum konnte sich in Vorarlberg erst spät, ab 1900 allgemein einbürgern. Vorher brachte, wie bei uns, der „Klos" (Nikolaus) den Kindern die Gaben. Hans Walter bedauert in seinem Beitrag „Volkslied und Volkstanz" mit Recht, daß im Gegensatz zum übrigen Österreich in Vorarlberg die Sammlung und Forschung auf diesen Gebieten so spät einsetzte, daß nur mehr spärliche Reste des einst auch hier weit reicheren Lied- und Tanzgutes geborgen werden konnten. In Melodik, Harmonik und Rhythmik weist Lied wie Tanz in Vorarlberg in den Weisen ganz ähnliche Züge wie das übrige Österreich auf. Auffällig ist höchstens das leichte Überwiegen des geraden Taktes. Als Volkstanzlandschaft gliedert sich Vorarlberg in einzelne Talschaften. Das R.heintal kennt die Volkstänze „Bregenzer Sechser" und „Drei lederne Strümpf"; der Bregenzer Wald außerdem noch den „Schwedentanz". Das Montafon betont seine Selbständigkeit durch „Ahitanz", ,,Schlooftanz" und ,,Gschlööften". Karl Ilg hat neben der Riesenarbeit der Herausgabe auch noch das Verfassen sämtlicher weiterer Beiträge dieses Bandes auf sich genommen. In seiner Abhandlung über „Die Trachten" geht er aus von den weit berühmten, eigenartigen Frauentrachten des Bregenzer Waldes und stellt ihnen die weniger bekannten des Montafons und Walsertales in Wort und Bild an die Seite. Er betont aber auch nachdrücklich, daß diese Trachten nicht bloß zu den schönsten, sondern auch ältesten und beständigsten im bunten Reigen der deutschen Frauentrachten gehören. Selbstverständlich wird auch auf die heute leider fast verschwundenen Männertrachten und das Trachten85

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