OÖ. Heimatblätter 1964, 18. Jahrgang, Heft 1/2

anpassend fänden". Also noch eine zweite Zensur! Und jetzt, im Jahre 1793, wären wir dort angelangt, wo der Herr Secretarius, wie eingangs gesagt, seine Feder hatte spitzen müssen. Er wird sie auch in Freistadt gespitzt und seine „Policey-Rapporte" geschrieben haben. Aber welch unersetzlicher Verlust vor allem auch in theatergeschichtlicher Hinsicht: die kreisamtlichen Akte sind nicht mehr erhalten! Die des Mühlviertler Kreisamtes wurden erst im Winter 1920/21, weil allerdings durch Feuchtigkeit in den steinernen Gewölben der Bezirkshauptmannschaft arg mitgenommen, ohne Beiziehung Fachkundiger zum Einstampfen vergeben ... Da sich auf dem Lande bei den ·wandertruppen dazumal auch Theaterzettel noch nicht recht eingebürgert hatten, fehlen uns auch diese Anhaltspunkte, was, wann und wo von ihnen in Freistadt in jedem Einzelfalle gespielt wurde. Denn selbst im späten 18. Jahrhundert machte sich die Obrigkeit um „Zeit und Ort der Handlung" nicht die mindeste, sondern nur um diese selbst Sorge. Einen Raum zum Spiele zu finden, das war völlig privater Abmachung überlassen, noch hatte kein gewaltiger Theater-Brand die Notwendigkeit entsprechender bau- und feuerpolizeilicher Vorschreibungen gebieterisch eingegeben. Es mag zu solchen Aufführungen wandernder Schauspieler-Gesellschaften in Freistadt - wie unten noch zu besprechen - wohl allermeist im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts der große Raum im Schöttlschen Hause gedient haben, allein dies stand, wie gesagt, in ihrem Belieben, und so blieb es zunächst sogar noch in der so spielwütig gewordenen letzten Zeit des Jahrhunderts. Beinahe süchtig waren die Menschen jener Jahrzehnte geworden, Spiele zu schauen und selbst spielend aufzutreten. Es war wie eine Modekrankheit gekommen, wie heute Fernsehen, Kühlschränke, Waschmaschinen, Mixer, es war die große Zeit der Liebhaber-Bühne. Das Heraufkommen dieser eigenartigen, den Kulturgeschichtler immer wieder fesselnden Zeiterscheinung hatte etwelche Wurzeln. Da war die aufsteilende dichterische Größe der deutschen Klassiker, von der man schließlich selbst im kleinsten Landstädtchen einen Hauch verspürte. Da war die im Gefolge des Rufes nach „Rückkehr zur Natur" ausgebrochene Empfindsamkeit, ja Empfindelei mit Seufzern, Tränen, Schwüren, WertherStimmung, die gleichfalls schließlich bis in den Melkeimer der Stallmagd tropfte. Da war die Räuberromantik mit viel falschen Tönen - denn jeder Massenmörder sollte nun sozusagen nur ein Opfer der Gesellschaft sein. Da war nebst einigem anderen, doch wahrlich nicht zuletzt noch etwas, das sozusagen die schon pralle Knospe zum Aufbruch brachte: ein Kaiserwort oder doch ein solches, das man so deuten durfte. Und das kam so: Über ein Jahrtausend war die Armenfürsorge ausschließlich in der Hand der Kirche gelegen. Dess sah sich nun der Staat des „aufgeklärten Absolutismus" leid und beschämt. Die Grundlage für solche Art der Wohltätigkeit sollte breiter werden. Sie ganz in seine Hand als Wohlfahrtsstaat zu nehmen, dazu ermangelten ihm, industriearm, innen kaum gefestigt, durch überhastete Reformen gescheucht, von außen her gerüttelt, durchaus die geldlichen Mittel. Da war es die Tat eines Freistadt benachbarten Großgrundbesitzers, des Grafen Buquois in Gratzen, der die sogenannte „Vereinigung aus Liebe des Nächsten", kurz gesagt eine Art freiwilliger, nun auch zum Teil weltlicher Armenfürsorge, begründete. Dieses Beispiel griff Josef II. auf und schuf mit Hof-Entschließung vom 2. 6. 1783 die sogenannte „ArmenAnstalt". Mit ihr sollte zum ersten Male eine Art geregelter Fürsorge für Bedürftigste erreicht werden. Da man aber, wie schon gesagt, bei der Geldknappheit des Staates privater Wohltätigkeit nicht entraten konnte, gab man ihr hier ein Wirkungsfeld für milde Gaben, 6

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