OÖ. Heimatblätter 1964, 18. Jahrgang, Heft 1/2

der Führung des tollen Junkers Herliberg, dem es ein großes Werk dünkt, solchen Schergendienst auszuüben. Aber die Rebellin entpuppt sich als ein ganz anderes Wesen, als wie es sich dieser zuerst in seiner katholischen Phantasie vorgestellt hatte, und die lutherische Hexe ist ein zartes Engelsgeschöpf und dabei doch vom Blut und Geschlecht der Märtyrerinnen, eine ganz und gar Unbeugsame. Der Satan packt den Herliberg, daß er an der Ehre der schönen Feindin sich zu vergreifen versucht, aber da erwacht in der katholischen Steiermärkerseele das, was sie mit dem lutherischen Steiermärkertum durchaus gemeinsam hat: der germanische Keuschheitssinn, die deutsche Ehrfurcht vor dem Weibe. Und der verfolgten und gemißhandelten Rebellin ersteht der Retter in dem alten Herrn Zettl, dem Katholiken aller Katholiken, der als ein Richter von Zalamea kommt und die Gerechtigkeit über die Welt ausruft, der sich Katholik wie Lutheraner zu beugen haben. * Damit endet oder vielmehr bricht die Handschrift ab, denn von emer abgeschlossenen Buchbesprechung kann hier nicht die Rede sein. Die zunächst recht breit angelegte und wohl ausführlicher geplante Würdigung ist kaum über einen Entwurf hinausgekommen. Trotzdem wird deutlich, gleichviel, ob man diese Beurteilung billigt oder ablehnt, daß hier ein Kritiker mit feinem Gespür die weitreichende und aus der Literatur nicht wegzudenkende Bedeutung Enrica von Handel-Mazzettis klar erkennt, auch wenn er ihr stellenweise nicht gerecht wird. So gesehen ist dieses Bruchstück überaus aufschlußreich für das literarische Klima des deutschen Sprachraumes in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. 48

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