OÖ. Heimatblätter 1964, 18. Jahrgang, Heft 1/2

Julius Hart über Enrica von Handel-Mazzetti Eine Handschrift in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund Mitgeteilt von Bibl.-Rat Dr. Harro Heim (Dortmund) In der Autographenabteilung der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund befindet sich ein eigenhändiges und mit großer Wahrscheinlichkeit ungedrucktes Manuskript von Julius Hart. Es ist eine Abhandlung über Enrica von Handel-Mazzetti und ihren Roman „Die arme Margaret", der nach einem Erstabdruck in der „Deutschen Rundschau" 1909 im Verlag der Köselschen Buchhandlung Kempten und München erschienen war. Die Brüder Heinrich (1855-1906) und Julius Hart (1859-1930), Wortführer des Naturalismus, waren in Berlin als Schriftsteller und Kritiker tätig, und aus ihrer Feder entstammen zahlreiche Rezensionen über Werke der verschiedensten Autoren. Das Manuskript Julius Harts ist undatiert, aber wohl kurz nach Erscheinen des Romans entstanden. Es hat folgenden Wortlaut: E. von Handel-Mazzetti E. von Handel-Mazzetti, die Erzählerin der jung-katholischen, modernistischen Literaturbewegung, redet in dieser Zeit mit am lautesten und kräftigsten die Sprache echter Duldung, und sie führt uns, wie sonst nur Wenige, anschaulich den Beweis vor Augen, daß gerade die Kunst, das künstlerische Gewissen der Menschheit die letzte und tiefste Kraft und Macht in sich trägt, den „besseren Menschen" in uns zu erwecken und zu erlösen. Den wahren religiösen und ethischen Menschen, der die Menschlichkeit in den Himmeln findet, wo es keine Sekten- und Kuttenstreite mehr giebt, keine Confessions- und Parteiengezänke, und in die keine Kirchturmspitzen hineinragen. Die herbe männliche Kunst der Erzählerin, welche mit einer etwas an Hebbel erinnernden Kraft die Conflikte aufs schärfste anzuspannen und zuzuspitzen versteht, weiß und kennt nur ein Absolutes, und ihre Welt ist durch und durch auf absolutistischen Grundlagen aufgebaut. Das macht das Urkatholische bei ihr aus, das noch von keinem Strahl modern relativistischer Ideenwelt getroffen worden ist. In der Welt der Handel-Mazzetti giebt es nichts von einem Heraklitischen Fluß der Dinge und Wesen, sondern es ist eine harte Felsenund Steinnatur, eine Natur der Starre, Unerschütterlichkeiten und Unveränderlichkeiten und ihre Menschen [sind] nicht so sehr aus Fleisch und Blut, sondern aus Eisen und Stahl gewachsen. Ideale eines Prinzipienmenschen, der das „unerschütterlich wie der Felsen" als höchste Losung sich erkoren. Ein grandioser Fanatismus wächst als höchste Pflicht und höchstes Recht notwendig aus diesem Handel-Mazzetti-Glauben an das Absolute hervor, - und der natürliche Schauplatz ihrer Kunst ist eine Berserkerwelt, eine Welt entfesselter wilder Elementarkräfte, in der solche Fanatiker in Glaubenshaß und Wut kämpfend, blutund mordbegierig gegeneinander losfahren. Auch diesmal wieder ist die Steiermark, ein Bauernland, eine Welt trotzigen deutschen Bauernsinns, der Schauplatz ihres Romanes „Die arme Margaret" (Kempten und München Josef Kösel), und die Zeit des dreißigjährigen Krieges, der finstersten Parteien- und Confessionskämpfe, der rote Hintergrund für das Spiel menschlicher Leidenschaften. Die Margaret Mayrin, die Lutheranerin, die Rebellin, die Wittwe eines der Führer im Bauern-Aufstand, soll kirre gemacht und mit Gewalt in den Schoß der katholischen Kirche zurückgebracht werden, und man legt ihr nach dem Rezept der Zeit wilde Soldateska ins Quartier, unter 47

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2