OÖ. Heimatblätter 1964, 18. Jahrgang, Heft 1/2

wenn Liebesbeteue1·ungen von der Bühne in den Alltag übertragen wurden oder gar ein Frauenzimmer verdrehten Kopfes mit einem „Helden" ausrückte. Aus Freistadts Nachbarschaft möge ein solcher Fall, der ebenfalls polizeilich behandelt werden mußte, dem Vergessen entrissen sein, während zahllose ähnliche, doch nicht überlieferte Fälle mit dem üblichen seelischen Katzenjammer allein geendet haben dürften. Ein Umlaufschreiben des Mühlviertler Kreisamtes teilt den Obrigkeiten und Landgerichten „zur nöthigen Wissenschaft und Benehmung" mit, daß in der Nacht vom 8. zum 9. 1. 1803 eine Kaplitzer Bürgersfrau ihrem Manne, einem biederen Rotgerber, und ihren Kindern mit einem Schauspieler durchgegangen sei. Der war ein „ziemlich großer Mann, bey 26 Jahre alt, bleichen Angesichts", trug sich gewöhnlich ganz schwarz und hatte einen „gut abgerichten weißen Bude! bcy sich". Die Frau, der er den Kopf - sicher schon auf der Bühne - verdreht hatte, war „22 Jahre alt, mittelmäßiger Größe, runden vollen Angesichts, schwarze Augen, derley Augenbrauen und ringsum kurzgeschnittene schwarze Haare, trug einen weißen Rok, ein taffetenes, mit weißen Gebräm ausgesch1agenes Pelze!, eine weiße Haube mit Band, ein röthlichtes, weiß und schwarz gestreiftes Halstuch, und juchtene rothe Reiseschuh mit niederen Absätzen". Wie weit diese kunstentflammte Kleimtädterin mit ihrem bleichen Helden und - dem „ihren Gatten, dann ihren Ziehvater entwendeten Geld, Präzisiosen und Kleidung" kam, wissen wir nicht. 12 Das „Taschenbuch aufdasJahr 1819, der Liebe und Freundschaft gewidmet", findet, allerdings schon spöttelnd, dafür bezeichnende Worte: ,,Gleich Harfen sind durch alle Lande/ des Herzens Saiten ausgespannt /nicht spielen, singen - welche Schande! ! / zum Tacte regt sich Mund und Hand." Auch hier wird des weiteren über allerlei unerfreuliche Folgen der Spielwnt gewitzelt, die oft genug Beruf und häusliche Pflichten darunter leiden ließ: ,,... es schwingt der Geist sich aus der Fessel/ hoch über irdne Töpf' und Kessel." 13 Das Kreisamt hatte dazumal seinen Sitz nicht mehr in Freistadt, sondern schon in Linz. 14 Zu den in den Freistädter Theaterakten auftauchenden Namen von Theaterdirektoren und Schauspielern werden biographische Hinweise geboten, die allerdings keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben können, da es noch kein zusammenfassendes Schrifttum über die vielen Theatergruppen gibt, die neben den Bühnen der Landeshauptstädte bestanden und in den kleinen Städten und Märkten spielten. Freistadt wurde gern von Theatertruppen und Schauspielern aufgesucht, die ihr vorzugsweises Wirkungsgebiet im östlichen Oberösterreich (Grein, Gallneukirchen, Pregarten), im westlichen Niederösterreich (Krems, Amstetten, Ybbs, Waidhofen a. d. Ybbs) und in Südböhmen hatten. 1 " Josef Bellomo / 1752- 1833), 1791 - 1797 Direktor des Grazer Schauspielhauses (Robert Baravalle, 100 Jahre Grazer Schauspit-lhaus, 1925, S. 40-45). '" Franz Xaver Glöggl, 1790-1797 ur1d 1804 Direktor des Linzer Theaters, Stadtmusikmeister, Domkapellmeister, Musikalien- und Instrumentenhändler, Inhaber einer Musikschule, Gründer des Linzer Musikvereins (Heinrich Wimmer, Das Linzer Landestheater 1803-1958, 1958 S. 11). 17 Frnnz Vaßbach, geb. 1758 in Königgrätz, 1779 Souffleur bei der Truppe Franz Scherzer in Wien, wo er als schriftstellerisches Erstlingswerk einen Almanach dieser Gesellschaft herausgab. In den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts Theaterdirektor in Karlsbad und Prag (Nationaltheater, Hibernertheater), Veranstalter der ersten tschechischen Theatervorstellungen in Prag. Um 1803/06 Direktor des Steyrer Theaters; 1803 gastierte Vaßbach mit dem Steyrer Ensemble während des Ostermarktes in Linz in der Reitschule und gab hier die letzten Vorstellungen vor der Eröffnung des neuen Landestheaters (1803), 1804 spielte er mit der Steyrer Truppe in Wiener Neustadt (Emil Karl Blümml und Gustav Gugitz, Alt-Wiener Thespiskarren, 1925, S. 277-279, 471, 477,478; Robert M. Pros!, Zur Geschichte des Bühnenwesens in 'iederdonau, 1941, S. 43; Franz Pfeffer, 150 Jahre Steyrer Stadttheacer, Heimatblatt 1943, Nr. 5). 18 Ferdinand Kübler war 1807 Theaterunternehmer in Krems (Pros!, Anm. 17, S. 26). 19 Josef Mire, 1811-1814 Theaterdirektor in Linz (Wimmer, Anm. 16, S. 13-15). 20 Blumenthal spielte mit seiner „geringen" Gesellschaft 1828 in Waidhofen an der Ybbs, wo er seine Truppe im Stich ließ und mit seiner Frau heimlich entwich (Pros!, Anm. 17, S. 48). '1 Nach den Franzosenkriegen tauchten allenthalben Artistengesellschaften, Tierschausteller, Seiltänzer, ,,Mechaniker" (Inhaber von mechanischen Theatern), ,,Gymnastiker", Bauchredner, ,,Physiker", Schausteller mit allen möglichen „Sehenswürdigkeiten" auf und fanden viel Zulauf. Sie machten den Theatern großen Abbruch, und Theaterdirektor Josef Mire in Linz, wo u . a. ,,das Rhinozeros und der Inhaber mehrerer Ochsen und anderer Tiere eine sehr reichliche Einnahme hatte und dem Theater wenigstens dreitausend Gulden entzog", erhielt im Theaterkontrakt von 1817 das Recht, von solchen Unternehmern eine Abgabe (eine Art Vorläufer des Kulturgroschens!) einzuheben. In der Folge mußten sich die Theaterleiter dazu bequemen, selber solche artistische Vorstellungen in ihre Häuser aufzunehmen. 22 Josef Siege spielte vorwiegend in den Sudetenländern. Ignaz Siege leitete 1883/84, sein Sohn Adolf Siege 1901-1904 das Theater in Krems (Pros!, Anm. 17, S. 32, 34). 28 Vinzenz Brandenberg, ,,Direktor einer Schauspielgesellschaft", erhielt 1837 das Greiner Stadttheater (Gustav Brachmann, Das Stadt-Theater in Grein, Oö. Heimatblätter, Jg. 8, 1954, S. 263). " Der Theaterzettel einer solchen „großen Vor~tellung indianischer Kunststücke" der Gebrüder „Mooty und Medua Samme aus Madras" am 30. 8. 1824 im Linzer Landestheater hat sich erhalten (Wimmer, Anm. 16, Abb. 38). 0 • Es handelt sich um den durch sein engstirniges Zensieren berüchtigten Zensur-Aktuar Witke (Brachmann, Anm. 23, S. 262). '" Die Direktion Karschin veranstaltete 1835 ein Gastspiel in Krems, Theaterunternehmer Karl Karschin-Stohl spielt 1847 in Amstetten, von wo aus er sich vergeblich um die Spielerlaubnis im Stadttheater Grein bewirbt, Kaspar Karschin wird 1848 das Greiner Theater überlassen (Pros!, Anm. 17, S. 27; Brachmann, Anm. 23, s. 265-2661. 45

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